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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Herzentzündung
ihm und seinem Freundeskreis eifrig studiert. Im
Juli 1834 ward er plötzlich mit mehrern Genossen
verhaftet, nach Perm, dann Wjatka verbannt; 1838
durfte er nach Wladimir und 1839 nach Moskau
zurückkehren. Zier trat er in enge Beziehungen zu
Stankewitsch, Vjelinskij und deren Kreis der "West-
linge" (saMäniKi) und lernte die Hegelsche Philo-
sophie kennen. 1840 nahm er eine Stellung im Mi-
nisterium desInnern inPetersburg an, wurde jedoch
schon 1841 infolge einer Denunziation nach Now-
gorod versetzt und nahm 1842 seinen Abschied. 1842
-47 lebte er in Moskau, wo er unter dem Pseudo-
nym Isk an der seine litterar. Thätigkeit begann:
"Briefe über den Dilettantismus in der Wissen-
schaft", "Briefe über das Studium der Natur" (im
Sinne der Iunghegelschen Schule), die Romane
(mit gelungenen Skizzen aus der russ. Gesellschaft)
"Wer ist Schuld?"(deutsch in Wolfsohns "Ruhlands
Novellendichter", Bd. 3, Lpz. 1851), "Doktor Kru-
pow", "Unterbrochene Erzählungen" (deutsch, Hamb.
1858) u. a. 1847 ging H. ins Ausland, war 1848
während der Revolution in Paris, wurde 1849
daselbst ausgewiesen und siedelte dann nach Lon-
don über, wo er 1854 die "Freie russ. Druckerei"
gründete. 1855 begann das Erscheinen der Monats-
schrift "Der Polarstern" (bis 1862), vom 1. Juli
1857 an das des Wochenblatts "Die Glocke" (Xo-
lokol; erschien von 1865 bis 1869 in Genf). 1864
zog H. nach Genf. Die letzten Jahre lebte er ab-
wechselnd dort und in Brüssel. Er starb 21. (9.) Jan.
1870 bei einem Besuch in Paris und seine Leiche
wurde später nach Nizza übergeführt.
Obgleich H. mit allen hervorragenden Leitern der
Revolution und des Radikalisinus in Europa in
Beziehungen stand, blieb er doch auch im Auslande
patriotischer Russe. Seine Begeisterung für die west-
europ. Einrichtungen minderte sich sehr, als er die
Französische Revolution scheitern sah, und er teilte
die Meinung der Slawophilen, daß Rußland mit
seinem Gemeindesystem berufen sei, die Welt zu
verjüngen. Diese Ansichten spraH er aus in einer
Reihe von Aufsätzen u. d. T. "Vom andern Nfer.
Aus dem russ. Manuskript" (anonym, Hamb. 1850),
die gleichzeitig russisch und später auch französisch
erschienen. Als sich jedoch Rußland der ihm zuge-
dachten Aufgabe im Krimkriege als nicht gewachsen
erwies, machte sich H. mit allen Kräften daran, re-
formierend auf dasselbe einzuwirken. Dem diente
die Londoner russ. Buchdruckerei und die darin
herausgegebenen Publikationen: "Der Polarstern",
die "Stimmen aus Rußland" (russisch, Bd. 1-9,
Lond. 1858-60) und besonders die "Glocke", die
bis 1862 einen mächtigen Einfluß auf die öffentliche
Meinung in Rußland, namentlich auch auf die
Aufhebung der Leibeigenschaft ausübte. Von An-
lang der sechziger Jahre an begann, durch Vaku-
ums Einfluß, die "Glocke" immer mehr anarchistische
Tendenzen zu zeigen. Dies sowie die Art der Sym-
pathie für den poln. Aufstand (1863), andererseits
der wachsende Einfluß der nationalen Richtung auf
die öffentliche Meinung in Rußland nahmen dem
Blatte die bisherige Popularität. In der Genfer
Periode hat es alle Bedeutung verloren. Andere
Werke H.s sind: die "Briefe aus Italien und Frank-
reich" (anonym, Hamb. 1850), "Du äsveioppLuisiit
ä68 iä668 r6vo1nti0iinkii-68 6N 1^118816" (Lond. 1853),
"1^3. o0Q8pirHti0u rn886 äs 1825" (ebd. 1858), "1^3.
^ra,QC6 0ii 1'^nFi6t6ri-6" (ebd. 1850; deutsch, Hamb.
1858), "Aus den Memoiren eines Russen" (I.bis
4. Folge, Hamb. 1855-59), "V7IH6 i äum^D ("Er-
lebtes und Gedachtes", 4 Bde., Lond. und Genf 1861
u. 1867) u. a. Eine Sammlung feiner Werke erschien
in Genf (russisch, 10 Bde., 1875 - 79). - Vgl.
Herzen-Iskander (russisch, Verl. 1859); Eckardt (in
"Iungrussisch und Altlivländisch", 2. Aufl., Lpz.
1871) und besonders Althaus, Alex. H. (in "Unsere
Zeit", Neue Folge, 8. Jahrg., 1. Hälfte, ebd. 1872).
Herzentzündung. H. tritt entweder als Entzün-
dung der eigentlichen Herzmuskulatur, des Herz-
steisches, oder als Entzündung der innern Herzhaut
mitsamt dem Klappenapparat auf und zerfällt
hiernach in mehrere nach Verlauf, Ausbreitung,
Intensität und Ausgang verfchiedene Formen.
1) Die Entzündung des Herzfleisches
(N^003.i-äiti8) wird am häufigsten im Verlauf der
Pyämie und des akuten Gelenkrheumatismus, nur
sehr selten als selbständige Krankheit beobachtet
und bildet entweder, wie meist bei der Pyämie,
kleine Abscesse in der Wand der Herzkammern
(Herzabsceß oder Herzgeschwür), die nach dem
Herzbeutel aufbrechen und eine eiterige Herzbeutel-
entzündung (s. d.) bewirken, wohl auch das Ein-
reihen der erweichten Herzwand (Herzruptur)
veranlassen können, oder giebt sich als eine chroniscy
verlaufende, entzündliche Wucherung des inter-
muskulären Bindegewebes zu erkennen, welche all-
mählich die Muskelfasern der entzündeten Stellen
zum Schwinden bringt und mehr oder weniger aus-
gedehnte, weihe, schwielige Stellen im Herzfleisch
(sog. rheumatische Schwielen) hinterläßt, in-
folgedessen die Herzwand gewöhnlich hautartig ver-
dünnt und durch den Druck der Blutsäule sackartig
hervorgedrängt wird (sog. H erz aneury sma). Die
Entzündung des Herzfteisches ist immer mit erheb-
lichen Störungen derHerzthätigkeit (unregelmäßigen
Herzkontraktionen, kleinem, aussetzendem Puls,
Atemnot, Schwindel und Angstgefühl) verbunden
und führt gewöhnlich zur Herzerweiterung (s.d.).
2) Die Entzündung der innern Herzhaut
(NnäoearäitiZ) tritt gleichfalls häufig im Gefolge
des akuten Gelenkrheumatismus, bisweilen auch
des Typhus und der Pyämie auf und betrifft nie-
mals die gesamte innere Herzhaut, sondern gewöhn-
lich nur denjenigen Abschnitt der letztern, welcher
die Herzklappen bildet. Indem sich die letztern ent-
zünden, werden sie rauh, verdickt und mit höckerigen
Faserstosfgerinnseln (Nnäocai-üitiZ vsrrucoZH) über-
zogen, welche durch den Blutstrom abgerissen, in
die Arterien verschleppt werden und in den ent-
fernten Organen, wie dem Gehirn, der Milz, den
Nieren u. a., schweres Unheil anrichten können.
(S. Embolie.) Nach dem Ablauf des entzündlichen
Prozesses kommt es dann gewöhnlich durch Schrum-
pfung des neugebildeten Bindegewebes zu Schrum-
pfung, Verkürzung und Verkalkung der erkrankten
Klappen, und es bleibt ein dauernder Herzfehler
(s. d.) mit seinen nachteiligen Folgen zurück. Die
Symptome der Herztlappenentzündung können nur
vom Arzt vermittelst Beklopfens und Behorchens
der Brust wahrgenommen und richtig gedeutet wer-
den; die subjektiven Symptome derselben sind wie
die aller übrigen Herzkrankheiten so unbestimmt
und vieldeutig, daß der Laie aus ihnen die
Krankheit nicht zu erkennen vermag. Die Behand-
lung, welche einen tüchtig geschulten Arzt erfor-
dert, besteht in absoluter Bettruhe, kalten Um-
schlägen oder Eisbeuteln auf die Herzgegend und
der Anwendung der Digitalis, welche die beschleu-