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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hessen (Großh.; Militärwesen. Justizwesen u. Rechtspflege. Finanz-, Armenwesen)
Militärwesen. Nach Errichtung des Norddeut-
schen Bundes traten die Hess. Truppen infolge der
mitPreuhen abgeschlossenen Militärkonvention vom
7. April 1867 als geschlossene Division unter preuh.
waren dieselben dem 9. Armeekorps zugeteilt. Nach
der Militärkonvention vom 13. Juni 1871 trat mit
dem I.Ian. 1372 das
gesamte Hess. Kontin-
gent in den Etat und
die Verwaltuug des
Reichs Heers und bil-
det als großherzogl.-
hess. (25.) Division
im Verbände des
11. Armeekorps einen
Bestandteil der preuh.
Armee. Die Divi-
sion besteht aus 4 In-
fanterieregimentern
(Nr. 115 - 118), die
49. und 50. Infanterievrigade bildend, den beiden
Dragonerregimentern Nr. 23 und 24 (25. Kavalle-
riebrigade), 1 Feldartillerieregiment (Nr. 25) und
1 Trainbatalllon. In der Festung Mainz hat das
Reich Besatzungsrecht. Von besondern Fällen ab-
gesehen, behält das Hess. Kontingent für die Dauer
friedlicher Verhältnisse innerhalb des Großherzog-
tums Garnison. Das Recht der Ernennung u. s. w.
der Offiziere, Portepeefähnriche, Arzte und Militär-
beamten ging auf den Kaiser über. Der Fahneneid
wird dem Kaiser geleistet, die Ossiziere u. s. w. ver-
pflichten sich zugleich mittels Reverses, das Wohl
des Landesherrn zu fördern und Nachteile von
seinem hause und Lande abzuwenden. Die Regi-
menter u. s. w. behielten die bisher geführten Fah-
nen bez. Standarten. Die Hess. Hoheitszeichen in
Wappen und Farben wurden an den dem Kontin-
gente eingeräumten Gebäuden bez. sämtlichen Gar-
nisoneinrichtungen beibehalten. In den bisherigen
Uniformen und den Uniformsabzeichen sowie der
Bewaffnung der Offiziere u. s. w. sollte nichts We-
sentliches geändert werden. Sämtliche Offiziere
u. s. w. tragen Schärpen, Portepee u. s. w. in den
Landesfarben. An den.Helmen u. s. w. tragen alle
Angehörigen des Kontingents den Hess. Wappen-
löwen und die Landeskokarde, die einem andern
Bundesstaate angehörenden Militärpersonen tragen
zugleich die Landeskokarde ihres Heimatsstaates.
Den behuss Erhaltung der öffentlichen Ordnung
ergebenden Weisungen der Polizeibeamten ist sei-
tens des Militärs Folge zu leisten. Offiziere und
Mannschaften sind den Hess. Behörden und Gerich-
ten' unterworfen. Die Militärgerichtsbarkeit wird
von den zuständigen Militärgerichten der Division
ausgeübt. Das Begnadigungsrecht steht bei allen
militär. Vergehen der Offiziere u. s. w. dem Kaiser
zu. Die Garnisoneinrichtungen an Gebäuden und
Grundstücken blieben im Eigentum des Staates
bez. der betreffenden Gemeinde.
Instizwefenund Rechtspflege. Die oberste Leitung
des Iustizwesens führt das Ministerium des Innern
und der Justiz, von welchem die Sektion für Justiz-
verwaltung abzweigt. Die Rechtspflege wird geübt
durch das Oberlandesgericht Darmstadt (s. d.) mit
3 Landgerichten. Die Provinz Starkenburg hat 18,
Oberhessen 20 und Rheinhessen 11 Amtsgerichte.
Straf- und Gefangenanstalten befinden sich
im Grohherzogtum folgende: ein Landeszuchthaus
in Marienschloß mit (1891/92) 308 männlichen und
37 weiblichen Gefangenen, 2 Gefängnisse in Darm-
stadt mit 218 ausschließlich männlichen und in
Mainz mit 137 männlichen und 40 weiblichen Ge-
fangenen, 3 Provinzialarresthäufer in Darmstadt,
Gießen und Mainz und 45 weitere haftlokale (Unter-
fuchungs- und Strafanstalten) an den Amtsgerichts-
sitzen mit zusammen 546 männlichen und 71 weib-
lichen Insassen; ein ZwangVarbeitshaus in Die-
burg zur Verbüßung von Nachhaft mit 196 In-
fassen. Eine Zellenstrafanstalt in Butzbach ist im
Bau begriffen. Zur Unterstützung und Besserung
der aus den Strafanstalten Entlassenen besteht in
Darmstadt eine Centralbehörde.
Finanzwesen. Das ordentliche Staatsbudget für
ein Jahr der Finanzperiode vom 1. April 1891/94
beläuft sich in Einnahme auf 24 653 219 M., in
Ausgabe auf 24129 751 M. Zu den Einnahmen
tragen bei: die Domänen mit 5 683 636 M., die
direkten steuern (Grund-, Gewerbe-, Kapitalrenten-
und Einkommensteuern) mit 8 750186 M., die in-
direkten Auflagen, einschließlich des Anteils an den
gemeinschaftlichen Reichssteuern, mit 8 842 613 M.
An Matrilularbeiträgen zahlt h. 6 000 000 M. Die
eigentliche Staatsschuld, größtenteils aus einer
Eisenbahnschuld bestehend, durch Ankauf der Ober-
hess. Eisenbahnen entstanden, belies sich 1. April
1893 auf 35 332 747 M., hiervon ab die Aktiva
mit 4 492 669 M., bleiben 30 840 078 M. Es be-
trägt weiter die Staatsrenten-Ablösungsschuld
5085500 M., die Landeskulturrentenkasse-^chuld
517100 M., die Landeskreditkasse-Schuld 1578100
M. Den letztgenannten beiden Schuldbeträgen stehen
Aktiva von gleicher höhe gegenüber.
Armenweseu. Die Fürsorge für hilfsbedürftige
liegt Orts- und Landarmenverbändm ob. Erstere
sind gebildet aus den Gemeinden, letztere aus den
zu einem Kreise gehörenden Ortsarmenverbänden.
Bei Unzulänglichkeit der Mittel des Ortsarmen-
verbands hat der Land arm env erb and Beihilfe zu
gewähren. Die Kosten der öffentlichen Armenpflege,
welche die Fürsorge für Geisteskranke, Idioten,
Sieche und Blinde verursacht, können unmittelbar
von den Landarmenverbänden übernommen werden.
Die Hälfte der Kosten der Landarmenpflege werden
von den betreffenden Kreifen, die andere Hälfte von
dem Staate getragen. Außerdem ist eine besondere
Fürsorge durch den (^taat für Waifen, Blinde,
Taubstumme, Geisteskranke und Idioten getroffen;
die Kosten des Unterhalts und der Erziehung armer
Waisen werden durch den Staat bez. die Landes-
Waisenanstalt vollständig übernommen; letztere'
sorgt für Unterbringung der Waisenkinder in acht-
baren Familien; Blinde, Taubstumme, Geisteskranke
und Idioten werden gegen mäßige Beträge in be-
sonders eingerichtete staatliche Anstalten aufgenom-
men. Irrenanstalten bestehen zu Heppenheim a.d.B.
(Landesirrenanstalt) und Hofheim (Landeshospital),
eine Anstalt für Blödsinnige (Alice-Stift) bei Darm-
stadt, Siechenhäuser bei Darmstadt, in Groß-Gerau
und in Heidesheim, Rettungsanstalten für sittlich
verwahrloste Kinder in Gräfenhausen, Hähnlein,
Klein-Zimmern, Arnsburg und Iugenheim, eine
Knabenarbeitsanstalt in Darmstadt,öffentliche Klein-
kinderschulen zum Wohle der Armen in vielen Orten.
Eine Staatsunterstützungskasse giebt Beihilfen an
solche Armen, für welche keine andern Hilfsquellen
offen stehen. Außerdem befinden sich an zahlreichen
Orten Vereine gegen Verarmung und Bettelei. Es