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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Industrieverbände - Infallibilität
Induftrieverbände, Vereinigungen von In-
dustriellen und Industriebranchen zur gemeinsamen
Förderung ihrerVorteileundwirtschaftlichenZwecke.
Abgesehen von der allgemeinen Vertretung der In-
dustrie durch die Handelskammern (s. Handels- und
Gewerbekammern), begannen die Industriellen zu-
nächst hauptsächlich im Kohlenbergbau, in der Eisen-,
Textil-, Papierindustrie sich enger aneinander anzu-
schließen. Die Anfänge lassen sich bis 1850 zurück-
verfolgen. Die Vereinigungen, zunächst auf gele-
gentliche Zusammenkünfte der Beteiligten beschränkt,
erstreckten sich nur auf den besondern Bezirk, höchstens
auf die Provinz. In andern, manchmal weit ab-
liegenden Bezirken bildeten sich ähnliche Verbände,
die, obwohl sie demselben Industriezweige angehör-
ten, nur selten miteinander Fühlung unterhielten,
gelegentlich sogar einander bekämpften. Erst im
Verlauf der siebziger Jahre unter Einwirkung der
1874 begonnenen sog. Eisenbahntarifreform mit
ihren für viele Gegenstände erhöhten Frachtsätzen
und in viel höherm Grade des zunächst von der
Industrie ausgehenden Umschlags der öffentlichen
Meinung zu Gunsten der Schutzzollpolitik erkannten
die Industriellen, daß enges Zusammenhalten und
geschlossenes Vorgehen unter Veiseitelassen aller
etwaigen Sonderbestrebungen geboten sei. Die
Provinzialverbände derselben Branche traten zu
wirtschaftlichen Vereinen für das ganze Reich zu-
sammen; wo solche Verbände noch fehlten, wurden
diefelben geschaffen, und ein geschäftlicher, in
großen gemeinsamen Fragen zugleich führender
Mittelpunkt erstand in dem Centralverband (s. d.)
deutscher Industrieller. Heute besteht eine sehr
große Anzahl solcher Vereine für die Haupterwerbs-
zweige des Bergbaues, für Eisen, Leinen, Wolle,
Baumwolle, Seide, Jute, Papier, Leder, Holz,
Glas, Thonwaren, Chemikalien, Konsumtibilien
u. i. w.; sie sind sogar in vielleicht überreicher An-
zahl, die eine Zersplitterung der Kräfte befürchten
läßt, wohl für alle Unterbranchen vorhanden. Das
Handwerk ist der Großindustrie nachgefolgt. Neben
den fast in jeder deutschen Stadt vorhandenen Ge-
werbevereinen (s. d.) und Handwerkervereinen (s. d.)
haben alle Handwerker ihre Verbände, die in ordent-
lichen und außerordentlichen Generalversammlun-
aen ihre Interessen beraten. Eine andere Art von
I. bilden die Kartelle (s. d.).
In gleicher Weise wie in Deutschland haben sich
I. m allen andern Industriestaaten entwickelt, am
bedeutendsten in England und Frankreich.
Induzieren (lat.), durch Induktion herleiten,
schließen (s. Induktion j^in der LogW; einen galva-
nischen Strom hervorrufen (s. Induktion, elektrische).
InOdria.ntia. (lat.), soviel wie Berauschende
Mittel is. d.). ^Schriften.
Ineäita. (lat.), noch nicht herausgegebene
In etkeotu (lat.), in der That, der Wirkung nach.
Ineffektiv (neulat.), unwirklich, unwirksam.
In stüxiv stat.), irn Bildnis, s. NM^ieg.
Inöpt (lat.), ungereimt, albern; in der alten
Prozehsprache das in sich Widersprechende, Un-
schlüssige, Unklare. , ,, ^ ^ ., . ?- ,..,,.,
Insptae, s. Strauße.
Inortia. (lat.) oder Trägheit der Masse, s. Be-
harrungsvermögen.
Ines de Castro, s. Castro.
In ssssntiaii (neulat.), im wesentlichen.
Fneffentiöll (neulat.), unwesentlich.
Inexakt (frz.), ungenau, nachlässig. ^.. .'' ^
Inexigibel (neulat.), uneintreibbar.
In expVnsa.3 (lat.), in die Kosten (verurteilen).
Inexplosible (frz., spr. -sihbl, "nicht explodier-
bar"), soviel wie Wasserröhrenkessel (s. Dampfkessel,
Bd. 4, S. 725 d).
Insxpro88ibiV3 (engl., spr.-preMls, "die Un-
aussprechlichen"), in England übliche Benennung
der Beinkleider; das engl. Wort di-66cd68 für Bein-
kleider vermeidet man, da drescii "Steiß" bedeutet.
In sxtsnso (lat.), seiner ganzen Ausdehnung
nach, vollständig, ausführlich.
In oxtrslnis, s. Extrem.
In laoto (lat.), in der That, wirklich.
Infallibel (neulat.), unfehlbar, dem Irrtum
nicht unterworfen; Infallibilist, Anhänger der
Infallibilitätslehre (s. Infallibilität).
Infallibilität (neulat.), Unfehlbarkeit. I. in
dachen des Glaubens und der Sitten kommt nach
dem Dekret des Vatikanischen Konzils (s. d.) vom
18. Juli 1870 dem röm. Papste zu, wenn er ex
catliLärii redet, d. h. wenn er als allgemeiner Hirt
und Lehrer aller Christen kraft seiner höchsten aposto-
lischen Autorität eine von der ganzen Kirche fest-
zuhaltende Glaubens- oder Sittenlehre verkündigt.
Diese Unfehlbarkeit, mit der Christus das kirchliche
Lehramt ausgestattet hat, sei vermöge der Assistenz
des Heiligen Geistes dem Petrus und allen seinen
Nachfolgern auf dem röm. Stuhle verliehen; und
zwar bedürfe es zur Unfehlbarkeit päpstl. Dekrete
nicht erst der Zustimmung der Konzilien oder der
"allgemeinen Kirche". Die päpstl. Unfehlbarkeit ist
die Konsequenz der bis ins kirchliche Altertum hin-
aufreichenden Lehre von der Unfehlbarkeit der
"Kirche". Schon feit dem 4. Jahrh, begann man
die Dekrete der allgemeinen Kirchenversammlungen
für unfehlbar, weil eingegeben vom Heiligen Geiste,
zu erklären. Als danach die röm. Bischöfe die oberste
Regierungsgewalt in der Kirche beanspruchten, kam
die Theorie auf, daß alle Konzilienbeschlüsse zu ihrer
Gültigkeit der päpstl. Sanktion bedürften, die päpstl.
Dekretalen aber volle Gesetzeskraft für die Kirche be-
sahen. Aber erst die pseudo-isidorischen Dekretalen
stellten den Satz auf, daß die röm. Kirche bis ans
Ende von jedem Makel des Irrtums unberührt
bleibe. Noch das neue, durch Gregor VII. begrün-
dete Kirchenrecht forderte zwar unbedingte Unter-
werfung unter die Entscheidungen der Päpste, nahm
aber den Fall einer päpstl. Abweichung vom Glau-
ben ausdrücklich davon aus. Auch Innocenz III.
und Innocenz I V. gaben die Möglichkeit, daß ein
Papst in Ketzerei verfallen könne, noch zu, und
ersterer erkannte in diesem Falle die Kirche als seine
Nichterin an. Der erste Begründer der Unfehlbar-
keitslehre ist Thomas (s. d.) von Aquino. Nach ihm
hat man dem Papste in Glaubenssachen zu gehorchen
wie Christo selbst: nicht das Konzil, dessen Autori-
tät nur von der des Papstes abgeleitet sei, sondern
der Papst stelle Glaubensbcü'nntnisse auf und ent-
scheide über jede Frage der Lehre; wer sich ihm nicht
unterwerfe, fei ein Ketzer.
Aber in den kirchlichen Kämpfen des 14. und
15. Jahrh, erhob sich gegen die neue Lehre heftiger
Widerstand. Während Augustinus Triumphus
(1320) und Alvaro Pelayo (1330) sie verteidigten, ver-
warf die Parifer Sorbonne 1388 die päpstliche I.
als ketzerische Meinung und erklärte es für noto-
riscke Lehre der Kirche, daß in Sachen des Glau-
bens vom Papste an ein allgemeines Konzil ap-
pelliert werden könne. Das Konstanzer Konzil,