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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Insekten

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Insekten'

größte Klasse der Gliederfüßer und der Tiere überhaupt. Ihr Leib besteht meist aus 16 oder 17, selten 18 hintereinander gelegenen Ringen, welche zu drei Körperabschnitten deutlich zusammentreten. Vier vereinigen sich zu einer gleichmäßigen festen Kapsel, dem Kopf, der sich immer scharf gegen den übrigen Leib absetzt, 3 zum Bruststück (Thorax, und zwar als Pro-, Meso- und Metathorax), 9 bis 11 zum Hinterleib (Abdomen). Bruststück und Hinterleib sind meist auch deutlich getrennt, in einigen Fällen aber verbindet sich der erste Abdominalring innig mit dem letzten Thorakalringe.

Mit den Ringen des Kopfes und des Bruststückes sind bei ausgebildeten I. fast ausnahmslos, mit denen des Hinterleibes nur ausnahmsweise und meist nur an dem letzten oder vorletzten Anhänge verbunden. Am Kopfe treten sie oben als ein sehr mannigfach gestaltetes, aus einer sehr verschiedenen Zahl gleichmäßig oder ungleichmäßig entwickelter Glieder bestehendes, dem Tasten und oft auch dem Riechen dienendes einfaches Paar Fühler (antennae) entgegen, an der Unterseite um den Mund herum als Freßwerkzeuge (Mundgliedmaßen). Zwei von ihnen sind paarig: die Oberkiefer (mandibulae) und die Unterkiefer (maxillae) und wirken von außen nach innen gegeneinander; zwei sind unpaar: die beweglich mit dem Kopfschilde verbundene vor der Mundöffnung gelegene Oberlippe (labrum) und die hinter derselben befindliche, mit einem Paar seitlicher Anhänge (Lippentaster, palpi labiales) versehene Unterlippe (labium), welche aus einer Verschmelzung der beiden hintersten Mundgliedmaßen hervorgeht. Die Freßwerkzeuge sind je nach der Nahrung und Nahrungsaufnahme bei den ausgebildeten I. sehr verschieden gebaut. Beißend oder kauend sind sie bei Käfern, Netz- und Geradflüglern, welche von festen Substanzen leben. Hier stellen die Oberkiefer zwei ungegliederte einfache, feste, meist ungezähnte dreieckige Platten dar, während die Unterkiefer gegliedert sind und einen gleichfalls gegliederten äußern Anhang (Maxillartaster) tragen. Der Unterkiefer ist dreiteilig, besteht aus einem, dem Kopfe eingefugten Gelenkstück, einem Stamm, welcher seitlich den Lippentaster trägt und welchem vorn zwei zum Kauen dienende Laden (eine innere und eine äußere) ansitzen. Bei den Hautflüglern und einigen Käfern sind die Unterkiefer und besonders die Unterlippe (als Zunge) bedeutend verlängert und stellen einen Apparat zum Auflecken von Blütenhonig und andern Pflanzensäften dar. Bei den Schmetterlingen sind die Mundwerkzeuge saugend: bloß die Maxillen sind kräftig entwickelt, jede stellt eine lange Rinne dar, welche sich an ihr Pendant anlegt und so eine aufgerollte Saugröhre, den Rüssel, bildet. Bei den Fliegen und Halbflüglern sind Ober- und Unterkiefer zu Stechborsten und Saugern umgebildet, welche namentlich noch durch eigenartige Organisationsverhältnisse der Mundhöhle die durch Anbohren zugänglich gemachte Nahrung aufnehmen. Im einzelnen sind diese hier als typisch aufgeführten Bauarten der Mundteile bei den I. noch sehr zahlreichen Modifikationen unterworfen. Erwähnung verdient, daß bei den Larven von im ausgebildeten Zustande saugenden I. mit vollkommener Verwandlung (bei Fliegen und Schmetterlingen) nur kauende Freßwerkzeuge gefunden werden, während die Larven gewisser Netzflügler (Ameisenlöwen) im Gegenteil sehr merkwürdig umgebildete saugende haben. ↔

Die Thorakalringe tragen zweierlei Arten von Anhängen, nämlich alle drei je ein unteres Paar, die Beine und die beiden hintern auch ein oberes Paar, die Flügel. Jedes Bein ist normalerweise ein fünfgliedriger Stab: das erste, oberste oder proximale Glied ist das Hüft- oder Gelenkglied (coxa), welches nicht sehr lang ist und mit dem kugeligen Ende in der Gelenkpfanne des Brustbeinringes spielt, mit dem andern sich aus einem sehr kurzen Glied, dem Schenkelring (trochanter), verbindet. An diesen schließt sich das ansehnlichste Beinstück, der Oberschenkel (femur), an diesen der zartere, aber meist auch ziemlich lange Unterschenkel (tibia) an, welcher am äußern Ende den Fuß trägt. Auch der Fuß (tarsus) ist selten ungegliedert, sondern besteht in der Regel aus einer Reihe (meist fünf) hintereinander gelegener Stücke, von welchen das äußerste oder distale Ende meist Anhänge in Gestalt beweglicher Krallen (Fußkrallen) oder Lappen trägt; oft ist auch das letzte Fußglied oder sind die letzten verbreitert und unten mit bürstenartigen Haaren besetzt. Die Beine sind einmal bei den verschiedenen Insektenformen, dann aber auch unter sich bei einem Individuum je nach der Lebensweise und Bewegungsart sehr verschieden entwickelt. Es lassen sich Schreit-, Lauf-, Kletter-, Spring-, Schwimm-, Grab- und Raubbeine unterscheiden. Wenn bei einem Individuum eine bedeutende Modifikation eines Beinpaares eintritt, so betrifft sie meist das vorderste oder hinterste, sehr selten das mittelste. Bei manchen Tagfaltern ist das vorderste Paar rudimentär (Putzfüße) und bei einigen Mistkäfern (Ateuchus) fehlen hier die Tarsen.

Die Flügel finden sich nur an der Mittel- und Hinterbrust, doch hat man bei manchen I. an der Vorderbrust auftretende Gebilde (Kragen bei Schmetterlingen) als homolog deuten wollen. Typisch treten die Flügel als zwei Paare (Vorder- und Hinterflügel) und als wirkliche Flugorgane auf und sind Eigentümlichkeiten ausgebildeter I. Nicht selten fehlen sie oder sie sind verkümmert, entweder bei beiden Geschlechtern (gewisse Gespenstheuschrecken, Grillen, Bücherläuse, Silberfische, Springschwänze, parasitische Fliegen- und Wanzenformen und Läuse) oder bei einem, meist dem weiblichen (Spinnern, Spannern, Kleinschmetterlingen, Bienenwespen, Strepsipteren u. s. w.), selten bei dem männlichen (einige Ameisen, die männlichen Feigenwespen), häufiger wieder bei geschlechtslosen Formen (Arbeiterinnen der Ameisen und Termiten, Ammen der Blattläuse, parthenogenetische Formen der Gallwespen). Nicht selten ist nur ein Paar als Flugorgan entwickelt, wobei das andere rudimentär geworden sein kann (das hintere bei den Fliegen, einigen Eintagsstiegen, den männlichen Schildläusen, sehr vielen flugunfähigen Käfern; sehr selten das vordere: bei männlichen Strepsipteren) oder einen Funktionswechsel erfahren hat und stark verhornt als Flügeldecke (elytra) zum Schutze des Körpers dient (Käfer, gewisse Gerad- und Halbflügler). Meist sind die Flügel ungleich groß: sind sie häutig, so sind die vordern, sind diese aber zu Decken umgebildet, die hintern die größern, nur die Netzflügler besitzen gleich- oder fast gleichgroße Flügelpaare. Die Flügel sind Ausstülpungen der Leibeshöhle der I., daher eigentlich sehr flache aus einer am Rande geschlossener Membrane bestehende Taschen, deren Wandungen indessen miteinander (wohl nach dem Auskriechen aus der Puppe bei I. mit vollkommener Verwandlung) sich vereinigen.

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 624.