Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ionische Inseln'
Die älteste Geschichte der I. I. fällt mit der des übrigen Griechenland zusammen, dessen
Schicksale die Inseln teilten; schon im frühesten Altertum waren sie von Griechen bewohnt und von einheimischen
Stammesfürsten regiert; Ithaka ist speciell bekannt als das Vaterland des Odysseus, Leukas aus der Geschichte Sapphos.
Korfu (Kerkyra), seit dem 8. Jahrh. v. Chr. korinthische Kolonie, aber in steter Rivalität mit der Mutterstadt, gab den letzten
Anstoß zum Peloponnesischen Kriege. Unter röm. Herrschaft gehörten die Inseln zu der Provinz Achaia; bei der Teilung des
Römischen Reichs fielen sie dem byzant. Kaisertume zu und bildeten vor 887 wechselweise einen Teil des Thema Longobardia
oder desjenigen von Peloponnesos, seitdem aber das Thema Kephallenien. Infolge eines Krieges mit den sicil. Normannen
gingen sie seit 1186 den Byzantinern definitiv verloren; 1205 kamen sie an Venedig, 1215 teilweise an das Despotat Epirus,
später an die Dynastie Anjou von Neapel. 1386 erwarb Venedig Korfu, die übrigen Inseln erst um den Ausgang des 15. Jahrh.
Es ließ sie durch Proveditoren regieren, die sie zum Teil über alles Maß ausbeuteten, aber gegen die Angriffe der Türken
siegreich behaupteten. Nach dem Untergange der Republik Venedig 1797 kamen sie an Frankreich, das sie in drei Präfekturen
einteilte; aber schon 1799 wurden sie von den verbündeten Russen und Türken erobert, worauf sie der russ. Kaiser Paul durch
den Vertrag mit der Pforte vom 21. März 1800 ohne Zuziehung der Ionier in eine Republik der
Sieben vereinigten Inseln verwandelte, die zuerst unter der Hoheit der Pforte, dann dem
Schutze Rußlands stand. Die neue Republik, die alle drei Jahre einen Tribut von 75000 Piastern nach Stambul senden mußte,
bestand unter heftigen innern Parteiungen nur bis 1807, wo Rußland im Frieden von Tilsit sie an Napoleon Ⅰ. überließ. Auch die
Franzosen vermochten sich nicht im Besitze zu erhalten; 1809 und 1810 wurden die Inseln von den Engländern besetzt, mit
Ausnahme von Korfu, das sich erst nach dem Ersten Pariser Frieden im Juli 1811 ergab. Durch den in Paris 5. Nov. 1815
zwischen England, Österreich, Preußen und Rußland abgeschlossenen Vertrag wurden die Inseln sodann unter dem Titel
Vereinigter Staat der sieben Ionischen Inseln zu einem freien, besondern Staate unter dem
Protektorat der brit. Krone konstituiert. Nach diesem Vertrage hatte letztere das Besatzungsrecht samt dem Oberbefehl und übte
ihre Schutzrechte durch einen Lord-Oberkommissar aus, der die innere Verwaltung sowie die Verhältnisse zur Schutzmacht durch
einen von der Nationalversammlung beratenen Ausschuß regeln sollte. Die Verfassung vom 26. Aug. 1817, die seit dem 1. Jan.
1818 unter Sir Thomas Maitland in Wirksamkeit trat, verlieh der Schutzmacht eine fast unumschränkte Gewalt. Dauernde
Unzufriedenheit, geheime Umtriebe, selbst offener Aufruhr begleiteten von Anfang an das engl. Regiment trotz vieler durch
dasselbe erzielten materiellen Verbesserungen, namentlich zur Zeit des griech. Freiheitskampfes, als die Ionier mit den übrigen
Griechen vereinigt zu werden strebten. Die heftigste Opposition erweckten später gewaltsame Maßregeln des
Lord-Oberkommissars Howard Douglas 1839, 1841 und 1842, und seitdem besonders trat immer entschiedener das Streben
der Bevölkerung nach Vereinigung mit dem Königreich Griechenland hervor. In einer ↔ Petition vom 27. März
1848 verlangte man Preßfreiheit, unmittelbare Wahlen der Volksvertreter, Bildung eines ion. Heers u. s. w. Da die brit. Regierung
nichts gewährte, brach 26. Sept. ein Aufstand auf Kephallenia aus, der sich bald über die andern Inseln ausbreitete, aber mit
Gewalt unterdrückt wurde. Auch ein 30. und 31. Aug. 1849 auf Kephallenia ausgebrochener neuer greuelvoller Aufstand, der von
einer Partei ausging, die als «Jung-Ionien» und «Rhizospasten» radikale Zwecke, besonders aber den der Vereinigung mit
Griechenland verfolgte, wurde durch brit. Truppen niedergeschlagen. Das 22. Nov. 1849 eröffnete Parlament brachte wenig mehr
als eine Erweiterung des Wahlrechts; jedoch gelangten dadurch mehrere nationalgesinnte Männer in die Kammer, und die
nächsten Parlamente wurden wegen ihrer feindseligen Haltung bald aufgelöst. Da die nationale Bewegung sich immer mehr
steigerte und der engl. Oberkommissar Young selbst die Vereinigung der I. I. mit Griechenland bei seiner Regierung
befürwortete, wurde der als Philhellene bekannte Gladstone nach den I. I. gesandt, der dem Jan. 1859 berufenen Ⅺ. Parlament
nicht unwichtige Reformen vorschlug, während dieses einstimmig die Vereinigung der Inseln mit Griechenland verlangte. Erst
nach dem Sturze des Königs Otto von Griechenland (Okt. 1862) änderte sich die Politik der brit. Regierung gegen die Inseln. Als
durch die Wahl der griech. Nationalversammlung und das Londoner Protokoll vom 5. Juni 1863 der dän. Prinz Georg König der
Hellenen geworden war, erklärte England, das Protektorat aufgeben und die Vereinigung der Inseln mit Griechenland genehmigen
zu wollen. Am 5. Okt. 1863 wurde hierauf die Einverleibung in Griechenland vom Parlament zu Korfu feierlich erklärt und durch
den Londoner Vertrag vom 14. Nov., der die Inseln an Griechenland abtrat, auch von den Schutzmächten des Pariser Vertrags
vom 5. Nov. 1815, unter der Bedingung der dauernden Neutralisierung Korfus genehmigt. Am 2. Juni 1864 wurden durch den
Lord-Oberkommissar Sir Henry Storks die Inseln dem griech. Kommissar Thr. Zaïmis in aller Form übergeben.
Vgl. Bory de St. Vincent, Histoire et description des îles Ioniennes (Par. 1823); Davy,
The Ionian Islands under British protection (Lond. 1851); Lunzi,
Della condizione politica delle isole Ionie sotto il dominio veneto (Vened. 1858); Davy,
Storia delle isole Ionie sotto il reggimento dei repubblicano francesi (Lond. 1860);
Fr. Lenormant, Le gouvernement des îles Ioniennes. Lettre à Lord John Russell (Par. 1861);
Lunzi, Della repubblica settinsulare (Bologna 1863); Pauthier,
Les îles Ioniennes pendant l’occupation française et le protectorat anglais (Vened. 1863);
Ansted, The Ionian Islands (Lond. 1863); Berykios, Ἀπομνημονεύματα περὶ τῆς Ἰονίου πολιτείας (Kephallenia 1870);
Lombardos, Ἀπομνημονεύματα πρὸς καταρτισμὸν τῆς περὶ ἀπελευθερώσεως τῆς Ἑπτανήσου ἱστοριας (Zante 1870); Chiotis, Ἱστορία τοῦ Ἰονίου κράτους 1815–64 (3 Bde., ebd. 1874–87); A. Freiherr von
Warsberg, Odysseische Landschaften (3 Bde., Wien 1878–79); Riemann,
Recherches archéologiques sur les îles Ioniennes (3 Bde., Par. 1879–80); von Reumont,
Kleine histor. Schriften (Gotha 1882); P. Lambros, Μετάλλια καὶ νομίσματα τῆς Ἑπτανήσου πολιτείας (Athen 1884); Phrangopulos, Ἡ ἐν ταῖς Ἰονίοις νήσοις ἀστικὴ νομοθεσία