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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italien (Bodengestaltung)

Städte lagen, herrscht Schwemmlandküste vor; auch Reggio hat nur künstliche Hafenanlagen. Bedeutend reicher gegliedert ist die Westküste. Auf der 500 km langen Strecke bis Neapel ist die Steilküste nur an den Golfen von Gioja, Sta. Eufemia und Salerno von Flachküsten unterbrochen. Stadtanlagen auf hohen felsigen Vorgebirgen sind besonders für den südl. Teil charakteristisch, so Scilla, Palmi, Tropea u. a. Von Sta. Eufemia bis zum Golf von Salerno läuft schon in 6-8 km Entfernung parallel der Küste eine nicht unterbrochene Kette von Höhen (1200-1500 m), die den Verkehr mit dem Innern erschweren. Geschützte Häfen fehlen. Erst am Busen von Salerno, an den sich eine breite Ebene anschließt, konnte sich eine große Ansiedelung entwickeln, im Altertum Pästum am Südende, seit dem Mittelalter Salerno im N., das die bequemste Verbindung mit der Campanischen Ebene hat. Aber auch hier mußte in der Neuzeit der Hafen künstlich geschützt werden. Die überaus steile Nordküste des Golfs von Salerno ist dicht bevölkert. Doch haben diese Orte, deren bekanntester Amalfi ist, ihre Blüte wegen der geringen Hafentiefe in der Neuzeit verloren. Weit günstiger liegen die Verhältnisse im Golf von Neapel. Er ist nicht nur kleiner und abgeschlossener als die übrigen, sondern auch reicher an kleinen Buchten und Landeplätzen, besonders im nordwestl. Teile, dem Golf von Pozzuoli. Dazu kommt die Aufgeschlossenheit des Hinterlandes, der reichen Ebene von Campanien. Daher lag hier schon im Altertum der maritime Mittelpunkt I.s, besonders in Puteoli. Der Golf ist dicht von Ansiedelungen umsäumt; die größten liegen in den beiden innern Winkeln, im südl. Castellamare, im nördl. Neapel, die volkreichste Stadt der Halbinsel. Von hier bis zur Magramündung herrscht schwache Schwemmlandküste vor, nur auf kurze Strecken durch Steilküste unterbrochen. Ein großer Teil der Küste ist versumpft und wegen der Fieber unbewohnbar. Die Anschwemmungen erreichen hier fast denselben Betrag wie im nördl. Teil der adriatischen Küste; daher findet man auch hier eine große Anzahl toter, d. h. ehemaliger Seestädte, wie Ostia, Grosseto und Pisa. Nur wo Gebirge an die Küste treten, konnten sich größere Ansiedelungen entwickeln, so Gaëta, Terracina, der einstige, und Civitavecchia, der jetzige Hafen Roms, und besonders Livorno. Am schnellsten schreitet die Küste vor an den Flußmündungen, besonders des Tiber, Arno und Serchio. Letzterer schob seine Mündung in den letzten zwei Jahrhunderten um 4 km vor. Charakteristisch für die toscan. Küste sind die durch Anschwemmung angegliederten ehemaligen Inseln des Monte-Argentario, des Monte dell' Ucellina und von Piombino. Die bis zur franz. Grenze 335 km lange ligurische Küste und auch deren Fortsetzung bis zur Varmündung hat ohne Unterbrechung den Charakter einer geschlossenen Steilküste. Der Ostschenkel, die Riviera di Levante, hat schwierige Verbindung mit dem Hinterlande, ist deshalb fast ganz auf das Meer angewiesen und weit dünner bevölkert als der Westschenkel, die Riviera di Ponente, die über mehrere niedere Apenninenpässe leicht von der Poebene aus zugänglich ist. Dort ist deshalb der Hauptsitz der ital. Seebevölkerung, drei Fünftel der ital. Handelsflotte sind dort heimisch. Drei große Häfen bietet die ligurische Küste, von denen der innerste, Genua, der Haupthandelshafen, Spezia, der Hauptkriegshafen, und Savona. Die Länge der Küsten der ital. Halbinsel beträgt 3657, die Siciliens 1098, Sardiniens 1017, die gesamte Küstenlänge des Königreichs einschließlich der kleinern Inseln 6785 km. - Über Sicilien, Sardinien und Corsica s. diese Artikel.

Bodengestaltung. I. erscheint (nach Th. Fischer) aus drei wesentlich verschiedenen Teilen gebildet: Festlanditalien, Halbinselitalien und Inselitalien. Ersteres, die große Poebene (s. unten), ist durch den Apennin und den Sumpfgürtel an der Adria vom Meere geschieden und unterhält seine, meist nach N. gerichteten Beziehungen auf Landwegen; seine großen Städte, Mailand und Turin, liegen im Binnenland. Halbinselitalien, durch den Apennin vom vorigen getrennt, hat mehr maritimen Charakter und unterhält seine Beziehungen zu Festlanditalien überwiegend zur See. Doch liegen im nördl. Teile die Brennpunkte, Florenz und Rom, noch im Innern, erst im S. treten sie, Neapel, Bari, Brindisi, ans Meer. Inselitalien ist maritimes Gebiet. Festlanditalien unterhält die festländischen, Halbinsel- und Inselitalien die mediterranen und überseeischen Beziehungen. Diese Verschiedenheit der Interessen ist auch der Grund, daß ein natürlicher Mittelpunkt fehlt; Rom ist nicht als solcher zu betrachten.

Halbinsel- und Inselitalien ist vorwiegend Gebirgs- und Hügelland, in Festlanditalien überwiegt die Tiefebene. Im Gebirgsland wechseln hochalpine Formen, scharfe Grate und steile Kämme mit sanften Bodenschwellen und welligem Hügelland; es treten neben langgestreckten parallelen Ketten flachwellige Hochländer, Tafelländer und geschlossene Massivs auf. Allerdings sind die Gebirge, Alpen wie Apennin, Faltengebirge; doch sind die kennzeichnenden Züge des Faltenlandes durch die bis in die jüngste Zeit fortdauernde Bewegung und durch die weit fortgeschrittene Denudation und Erosion stark verwischt. Von den Alpen gehören nur die südl. Steilabfälle zu I., und zwar von den Westalpen in ihrer ganzen Erstreckung, von den Ostalpen nur bis zum Paß von Pontafel. (Das Nähere s. Westalpen und Ostalpen nebst Karten.) Der höchste ganz auf ital. Gebiet liegende Alpengipfel, zugleich der Kulminationspunkt von I., ist der Grand Paradis (Gran Paradiso 4061 m); doch zieht die Grenze über die Spitzen der höchsten Alpenberge (Montblanc, Monte-Rosa) hinüber. Der Apennin (s. d.), der mit seinen tyrrhenischen und adriatischen Vorlanden fast ganz Halbinselitalien ausfüllt und dessen Gestalt bestimmt, erreicht im Gran Sasso 2921 m. Auch die Vulkane (s. S. 740) haben geringe Höhe, mit Ausnahme des Ätna, der mit 3313 m der höchste Gipfel des außeralpinen Gebietes ist. Eine Sonderstellung hat das Calabrische Gebirge (s. d.).

Die Ebenen (38 Proz. der Fläche) sind erst in quartärer Zeit durch negative Niveauverschiebung und Anschwemmung entstanden und gegenwärtig noch im Wachstum meerwärts begriffen; sie greifen meerbusenartig ins Berg- und Hügelland ein. Die größte Tiefebene besitzt Festlanditalien in der lombardischen oder Poebene. Sie erstreckt sich in einer Länge von 500 km in doppeltem Bogen, in fast gleicher Breite von 120 km (die Emilia als seitlichen Ansatz betrachtet) westöstlich von den Westalpen bis zur Adria, sich von W. nach O., sowie von N. nach S. senkend. Den Nordrand markieren die Orte: Biella (410 m), Como (215 m), Brescia (151 m), Bassano (120 m), Cividale (139 m); den Südrand: Alessandria (95 m), Parma (58 m), Modena (35 m), Bologna (50 m), Forli (31 m). Der Thalweg des Po bezeichnet