Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italien (Zeitungswesen)

Florenz wurde durch die Erhebung zur Hauptstadt seit 1865 Mittelpunkt des ital. Journalismus. Hier erschienen neben dem offiziellen Blatte, der "Gazzetta uffiziale del regno d'Italia" (s. d.), zahlreiche Zeitungen aller Parteirichtungen mit Ausnahme des schroffen Republikanismus. Besonders genannt zu werden verdienen die "Nazione", 1859 gegründet von Bianchi, Pasini, Galeotti, Hauptorgan der gemäßigt liberalen Partei Toscanas, und die "Riforma", welche 1867, als das "Diritto" das linke Centrum zu vertreten begann, von der zwar auf dem Boden der Verfassung stehenden, dabei aber der radikalen Demokratie angehörenden Linken (Crispi, de Boni) ins Leben gerufen wurde und auch nach ihrer Übersiedelung nach Rom nur als Organ Crispis einige Bedeutung hat. Zu den zahlreichen in Neapel entstandenen Blättern gehören: der "Pungolo" (seit 1860) und die "Roma" (seit 1862), Organ der Linken, die außerhalb ihres Erscheinungsortes wenig Einfluß haben. Der sicil. Journalismus hat gleich dem neapolitanischen nur regionale Bedeutung. Das populärste Blatt von Palermo, ja von ganz Sicilien war der "Amico del Popolo" (seit 1860); jetzt ist die "Gazzetta di Sicilia" Hauptorgan der Linken.

Das offizielle Blatt der Kurie war das eingegangene "Giornale di Roma", ein klerikales "Journal de Rome" existiert gleichfalls nicht mehr; offiziösen Eingebungen dienen die Spalten des 1861 gegründeten "Osservatore Romano"; seltener die 1871 ins Leben gerufene "Voce della Verità", welche das Organ der Gesellschaft für die kath. Interessen ist; "Mastro Peppe" war ein satirisch-humoristisches Blatt; der "Moniteur de Rome" war bis Okt. 1893 das für das Ausland berechnete Organ der Partei.

Von den Zeitungen der Hauptstadt sind ferner zu erwähnen: der noch in Florenz (1870) gegründete "Fanfulla", ein litterarisch bedeutendes Blatt, welches die polit. Vorfälle witzig vom Standpunkt der Rechten beleuchtet. Die radikale "Capitale" war 1870-90 die minderwertige Schwester des Mailänder "Secolo". Das im Ausland gelesenste Blatt liberaler Richtung war die "Rassegna". Ihr bedeutendster Widerpart war die im Interesse der Pentarchie vom Fürsten Sciarra gegründete "Tribuna" (seit 1883), die stets eine große Verbreitung gehabt hat. 1892 wurde sie Eigentum ihres frühern Leiters, des jetzigen Abgeordneten Attilio Luzzatto. Von 1880 bis 1891 bestand der als fortschrittliches Gegenstück zum "Fanfulla" ins Leben gerufene "Capitan Fracassa". Der "Corriere di Roma illustrato", für gewöhnlich ohne Illustration (seit 1885), war konservativ, hörte aber auf, als der "Corriere di Napoli" ins Leben gerufen wurde, nicht mit einem gleichlautenden kath. Blatte zu verwechseln, von dem, entgegen der ital. Sitte, keine Einzelnummern zu haben sind. Die gelesensten Blätter Roms waren jahrelang unter Depretis der "Popolo Romano", gemäßigt liberales Organ des Ministerpräsidenten, und der "Messaggero", eine Zeitung für die Bedürfnisse und Gewohnheiten des kleinen Mannes; jetzt (1893) teilen sich in die Gunst des röm. Publikums die "Tribuna", der "Messaggero" und in geringerm Maße der "Popolo Romano". Der "Bersagliere", das Leibblatt Nicoteras, ist eingegangen; "Il Dovere", "La Lega", "Il Fascio della democrazia" und die "Democrazia", sämtlich republikanischer Richtung, haben nur sehr kurzes Leben gehabt. Mit der Unterstützung von Abgeordneten wurde 1892 das "Parlamento" gegründet, um die Idee einer 1895 zur Feier der Vereinigung Roms mit I. abzuhaltenden Ausstellung in der Hauptstadt zu verteidigen. Ministeriell ist der "Folchetto", der 1891 von zwei aus der Schriftleitung des "Don Chisciotte" ausgetretenen Redacteuren gegründet wurde. Von Wichtigkeit sind die 1880 gegründeten militär. Fachblätter "Esercito italiano" und "Italia militare e marina".

Außer den oben angegebenen Provinzialblättern giebt es eine Reihe anderer, die eine gewisse Bedeutung beanspruchen. Es seien erwähnt: die 1859 gegründete "Gazzetta dell'Emilia" in Bologna, ein Organ der Rechten, der "Resto del Carlino" ebendaselbst, Organ der Linken; der "Fieramosca" in Florenz, der "Adriatico" in Venedig, Journale der Linken; von drei mailändischen Zeitungen ist der "Sole" (seit 1864) ein Handelsblatt, die "Lombardia" (seit 1859) dient neuerdings der Rechten; "L'Italia del Popolo" (seit 1890) vertritt republikanische Tendenzen. Der 1871 gegründete "Avvenire di Sardegna" in Cagliari und die "Nuova Sardegna" in Sassari (seit 1891) wollen die Interessen der Heimatinsel wahren. 1888 entstand in Neapel der "Corriere di Napoli", Organ der Konservativen, 1892 der "Mattino", mehr konservativ als liberal. Das 1861 gegründete "Giornale di Sicilia" ist liberal. Socialistische Journale giebt es nicht, wohl aber mehrere socialistische Wochenschriften, z. B. seit 1892 die von dem Abgeordneten Prampolini geleitete "Lotta di classe" in Mailand, offizielles Organ der Partei, seit 1893 die "Giustizia sociale" in Palermo sowie die kath. "Rivista internazionale di scienze sociali" und die "Critica sociale" in Mailand.

Noch ist der satirischen und humoristischen Blätter zu gedenken. In diesem Genre haben bereits 1848 der "Arlecchino" in Neapel, die "Vespa" in Florenz Gutes geleistet. Gegenwärtig besitzt I. den trefflichen "Pasquino" (seit 1853), den "Fischietto" (seit 1848), beide in Turin. Der "Pappagallo" erscheint seit 1872 wöchentlich in Bologna in einer ital. und in einer franz. Ausgabe. Seit 1864 besteht in Bologna die "Rana". Der 1892 in Rom gegründete "Asino" ist entschieden socialistisch. Der zum Teil in röm. Dialekt geschriebene "Rugantino" besteht seit 1887; der "San Carlino" in ital. Sprache und in neapolit. Mundart seit 1884. Im Okt. 1893 ist der 1887 gegründete "Don Chisciotte della Mancia" wieder aufgelebt. Dieses humoristische Blatt, das täglich Karikaturen bringt, tritt in seinen polit. Artikeln für die äußerste Linke ein.

Aus der großen Zahl der politisch-ökonomischen, religiösen, wissenschaftlichen und litterarischen Zeitschriften sind hervorzuheben: die früher in Florenz, jetzt in Rom herauskommende Monatsschrift "Nuova Antologia" (seit 1866), welche die besten Schriftsteller zu Mitarbeitern zählt und seit einigen Jahren monatlich zwei Hefte ausgiebt; der seit 1868 zu Bologna erscheinende "Propugnatore", eine der bedeutendsten philol.-litterar. Revuen; das "Archivio veneto" (seit 1871), jetzt "Nuovo Archivio veneto", das "Archivio storico lombardo" (seit 1874), das "Archivio storico per le provincie napoletane", jetzt mit dem Beiwort "meridionali" (seit 1876), das "Archivio della Società romana di storia patria" (1878), das "Archivio storico per le Marche e per l'Umbria" (1884), die den prot. Interessen dienende, trefflich redigierte "Rivista cristiana". Illustrierte Wochenschriften