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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italienische Litteratur

die Zartheit in Darstellung und Form. Das größte und gefeiertste Werk dieser Gattung blieb "Il pastor fido" von Guarini (gest. 1612). Schwache Nachahmungen sind Ant. Ongaros "Alceo", "La danza di Venere" von Angelo Ingegneri und "Filli di Sciro" des Grafen Guidobaldo de' Bonarelli (gest. 1608). Die Chöre in diesen Pastoralen wurden meist gesungen; daraus entstand der Gedanke, ganze Stücke mit Musik zu begleiten. Für einen derartigen Versuch vereinigten sich noch im 16. Jahrh. Ottavio Rinuccini (gest. 1621) und der Musiker Jacopo Peri. Dieser setzte zu des erstern Text "Dafne" die Musik, sodaß die erste Oper (opera per musica) entstand, der bald andere von demselben Dichter folgten. Der große Anklang, den diese Erzeugnisse fanden, war vorbildlich für die Thatsache, daß die Oper das Lieblingsdrama der Italiener ist.

Fast alle Schriftsteller des 16. Jahrh. haben, wenn auch nur einige, Rime, d. h. lyrische Gedichte, hinterlassen. Außer Ariosto, Tasso, Guarini sind indessen vorzugsweise nur als Lyriker zu nennen: der Kardinal Pietro Bembo, ein etwas pedantischer Nachahmer Petrarcas, Francesco Maria Molza, Giovanni Guidiccioni, Giov. della Casa, Annibale Caro, Angelo di Constanzo (gest. 1591) und der große Michelangelo Buonarrotti (gest. 1564). Auch einige Frauen erlangten auf diesem Gebiete Ansehen, wie Vittoria Colonna, Veronica Gambara (gest. 1550) und Gaspara Stampa (gest. 1554); auch die Courtisane Tullia d'Aragona darf hier nicht unerwähnt bleiben.

Die breiter ausgesponnene Prosaerzählung genoß bis in die Neuzeit nur geringe Pflege. Boccaccios "Filocolo" und "Fiammetta" folgten nicht viel umfängliche Romane nach; Jacomo Caviceo (gest. 1511) schrieb den "Peregrino", Niccolò Franco einen "Filena". Dagegen zählt das 16. Jahrh. eine große Menge Novellendichter, von denen indes keiner Boccaccios Frische und Anmut erreichte. Die berühmtesten Novellen sind die des Bandello, des Firenzuola, Grazzinis "Cene", die "Piacevoli notti" von Straparola, Girolamo Paraboscos "Diporti" und Giraldis "Ecatommiti". Außer diesen Sammlungen giebt es zum Teil vortreffliche einzelne Novellen, wie von Machiavelli, Giov. Brevio, L. Pulci und Luigi da Porto (die Geschichte von Romeo und Julia, 1530). Ernstere Gegenstände liebte man, nach dem Vorbilde der Alten, in dialogischer Form zu behandeln. Derart sind die "Asolani" des Bembo, viele Dialoge des T. Tasso, die Dialoge des Sperone Speroni, die des Lodovico Dolce, des Muzio und vieler andern. Höchst geistreich in dieser Art schrieb Giambattista Gelli aus Florenz, dessen "Circe" und vorzüglich dessen "Capricci del bottajo" als Muster gelten. Künstlerisch aber am bedeutendsten, und ein ideales Bild des Zeitgeistes war des Grafen Castiglione (gest. 1529) "Cortigiano", der den vollkommenen Hofmann zeichnet.

Kein anderes Volk hat im 16. Jahrh. so viele Geschichtschreiber und polit. Schriftsteller aufzuweisen wie die Italiener. Zu ihren eigentlich polit. Schriftstellern und Staatsmännern gehört vor allen Niccolò Machiavelli. Als großer, tiefblickender Staatsmann zeigt er sich in den "Discorsi sopra la prima decade di T. Livio", in den Büchern "Dell' arte della guerra", vorzüglich in dem "Principe". Auch seine "Istorie fiorentine" sind ein Meisterwerk. Diesen Werken nicht gleich, aber doch achtungswert sind die "Discorsi sopra C. Tacito" von Scipione Ammirato sowie dessen Geschichte von Florenz und die "Discorsi politici" von Paolo Paruta. Die allgemeine Geschichte ihrer Zeit haben lateinisch geschrieben Paolo Giovio (gest. 1552), Bern. Rucellai, Galeazzo Capra und Giorgio Florio; italienisch Francesco Guicciardini, Giambattista Adriani und Patrizio de Rossi. An Specialgedichten einzelner Städte und Zeiträume ist vorzüglich Florenz sehr reich, besonders hat der Untergang der Freiheit im Anfang des 16. Jahrh. viele, zum Teil selbst dabei beteiligte Männer beschäftigt. Die vorzüglichsten sind: Jacopo Nardi (gest. 1555), Filippo Nerli, Benedetto Varchi (gest. 1565), Bernardo Segni (gest. 1558). Die Geschichte Venedigs stellte zuerst in einem größern Werke Bembo dar; er sowie Paolo Paruta arbeiteten im Auftrage der Republik. Genua hatte an Jacopo Bonfadio und Uberto Foglietta, Ferrara an Giraldi und Giambattista Pigna ausgezeichnete Geschichtschreiber, Neapel nur die wenig zuverlässige Arbeit des Angelo di Costanzo und die ungleich bessere von Gianantonio Summonte (gest. 1602). Auch die Geschichte fremder Länder wurde vielfach, meist in lat. Sprache bearbeitet. Von italienisch geschriebenen Arbeiten dieser Art sind zu nennen: "Lo scisma d'Inghilterra" von dem als Sprachpuristen bekannten Bernardo Davanzati, und die "CommentarJ delle cose d'Europa" von Lodovico Guicciardini. Francesco Giambullari verfaßte eine Geschichte Europas in der Zeit von 887 bis 947. Die Arbeiten der deutschen Reformatoren zwangen die kath. Kirche, an die Darstellung der Kirchengeschichte zu gehen, und so entstanden im 16. Jahrh. die "Annales ecclesiastici" des Cäsar Baronius (gest. 1607). Die hohe Blüte der Kunst im 16. Jahrh. gab Veranlassung, sowohl über die Geschichte als Theorie und Praxis der Kunst zu denken und zu schreiben; so entstanden die "Vite de' più eccellenti pittori, scultori ed architetti" von Giorgio Vasari (gest. 1574) und "Il riposo", ein Gespräch über Malerei und Skulptur, von Raffaello Borghini. Die Architektur insbesondere fand tüchtige Bearbeiter an Palladio und Vincenzo Scammozzi. Auch das selbstgeschriebene Leben des talentvollen, aber abenteuerlichen Goldarbeiters Benvenuto Cellini (gest. 1571) und einige von dessen Schriften über Goldschmiedekunst, Skulptur u. s. w. sind von Wichtigkeit. Die Litteraturgeschichte begann erst im 16. Jahrh. mit den wenig bedeutenden Werken von Giammaria Barbieri und Doni. Auch die Philosophie, zuerst noch ganz vom Altertum abhängig, beschritt jetzt selbständig neue Bahnen. Doch sind die Werke von Pietro Pomponazzi, Bernardino Telesio, Girolamo Cardano (s. Cardanus), Giordano Bruno und Giulio Cesare Vanini meist lateinisch geschrieben.

IV. Periode. Das 17. Jahrh. bezeichnet den durch die kirchliche Reaktion, insbesondere durch den Jesuitismus herbeigeführten Verfall der klassischen Studien und der Poesie. Sein verderblicher Einfluß verbreitete sich auch über den größten Teil des 18. Jahrh., in dessen zweiter Hälfte sich erst ein Umschwung in der Entwicklung der Nationallitteratur vorbereitete. Doch erwachten trotz aller Hindernisse, die kirchliche Verfolgung in den Weg legte, die Naturwissenschaften und wiesen bereits im Anfange dieses Zeitabschnittes bedeutende Vertreter auf. Gelehrte Vereine entstanden, wie schon 1603 die noch jetzt bestehende Akademie der Lincei zu Rom und die Accademia de Cimento in Rom, welche indes nach