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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italienische Litteratur

kurzer Blüte verstummte. Unter den Männern, die sich um die Astronomie und die Naturwissenschaften überhaupt unsterbliche Verdienste erwarben, nimmt den ersten Platz Galileo Galilei ein. Neben ihm stehen seine Schüler Vincenzo Viviani und Evangelista Torricelli, die Cassini, Vater, Sohn und Enkel; die Astronomen Giambattista Riccioli und Francesco Grimaldi; die Naturforscher Malpighi, Lorenzo Bellini und vor allen der Arzt und Dichter Francesco Redi aus Arezzo (gest. 1698), Verfasser des berühmten Dithyrambus "Baco in Toscana". Auch die philos. Wissenschaften haben eine Zahl ausgezeichneter Männer aufzuweisen, z. B. Tommaso Campanella (gest. 1650). Der neuern Zeit näher steht Giambattista Vico (gest. 1744), dessen "Principj di scienza nuova" Epoche machten. Die Geschichte fand zwar trotz der Ungunst der Zeiten viele Bearbeiter, aber nur wenige, die Selbsterlebtes schilderten. Zu diesen kann man noch Arrigo Caterino Davila (ermordet 1631) rechnen, der "Delle guerre civili di Francia" schrieb. Guido Bentivoglio (gest. 1644) verfaßte die "Storia delle guerre di Fiandra" mit der Treue, die sein Standpunkt erlaubte. Die übrigen Geschichtswerke dieses Zeitraums sind nur Früchte gelehrten Forschens und Sammelfleißes. Dahin gehören die lat. Schriften des Jesuiten Famiano Strada (gest. 1649), die Geschichte Neapels von Francesco Capecelatro (gest. 1670), die Venedigs von Battista Nani (gest. 1678), die Geschichte seiner Zeit von Pietro Giov. Capriata aus Genua und die zahlreichen, aber ungründlichen Arbeiten des Gregorio Leti. Unter den spätern Geschichtschreibern verdient Erwähnung Giannone (gest. 1748). Als bedeutende Sammler treten hervor: Lodovico Ant. Muratori (gest. 1750), dessen zahlreiche Werke größtenteils lateinisch geschrieben sind, und Scipione Maffei (gest. 1755). Auf dem Gebiet der Kirchengeschichte ist ausgezeichnet die "Geschichte des Tridentinischen Konzils" von Fra Paolo Sarpi (gest. 1623). Die Kunstgeschichte wurde im Zusammenhange wie in Einzeluntersuchungen vielfach bearbeitet. So sind von ältern zu erwähnen: Filippo Baldinucci (gest. 1696), der Vasari zu vervollständigen und zu berichtigen suchte, Carlo Dati (gest. 1675) und die Lebensbeschreibungen vieler Künstler von Giovanni Baglione. Am eifrigsten war man in der Bearbeitung der eigenen Litteraturgeschichte, für die in diesem Zeitraume, außer den ältern Rossi und Cinelli (gest. 1706), Fontanini, Gimma, Crescimbeni, Quadrio, Mazucchelli (gest. 1768), Apostolo Zeno und vor allen Tiraboschi thätig waren.

Am deutlichsten zeigt sich der Verfall bei den Dichtern dieser Periode. Dem verdorbenen Geschmack hatte bereits Guarini in seinem "Pastor fido" gehuldigt, der dem ganzen 17. Jahrh. als eins der größten Meisterwerke der Dichtkunst galt, und jetzt gelangte er durch Marini (gest. 1625) zu völliger Entwicklung und Herrschaft. Marini steht an der Spitze aller ital. Dichter des 17. Jahrh. und wurde mit seiner rhetorischen und geschraubten Art (besonders im Epos "Adone") das Vorbild einer langen Reihe tändelnder und schwülstiger Nachahmer (Marinisten), unter denen Claudio Achillini und Girolamo Preti das Äußerste von Unsinn und Geschmacklosigkeit erreichten. Auch als Lyriker übte er einen sehr nachteiligen Einfluß, besonders mit Gelegenheitsdichtungen, der Lob-, Hochzeits- und Leichenpoesie. Seine Kriecherei und Frivolität wurde von seinen Schülern noch überboten. Während die Werke der Marinisten längst verschollen sind, haben einige andere Dichter dieser Periode, die sich ganz oder teilweise von dem Marinismus fern hielten, ihren Ruf bis auf die Gegenwart bewahrt. Dahin gehört vor allem das komische Heldengedicht "La secchia rapita" von Alessandro Tassoni (gest. 1635), das bedeutendste ital. Dichtwerk des ganzen Jahrhunderts. Unter den zahlreichen komischen und parodierenden Heldengedichten jener Zeit verdienen noch "Lo scherno degli Dei" von Francesco Bracciolini (gest. 1646) und "Il Malmantile racquistato" von Lorenzo Lippi (gest. 1664) Erwähnung. Auf dem Gebiete der Satire zeichneten sich außer Trajano Boccalini (gest. 1613) nur zwei Dichter aus: der Landschaftsmaler Salvatore Rosa (gest. 1673) und Benedetto Menzini (gest. 1708), der sich auch als Lyriker und Didaktiker versuchte. Die meisten Lyriker des 17. Jahrh. waren nur Gelegenheitsdichter; doch schlugen einzelne selbständige Pfade ein. Dahin gehört vor allen Gabriello Chiabrera (gest. 1637), der sich in allen Gattungen versuchte, aber in der Lyrik sich von der Nachahmung Petrarcas lossagte und vorzugsweise Pindar und Anakreon zum Muster nahm. Seine Schüler, die Pindaristen, erhoben sich nicht über die Nachahmung des Meisters, bildeten aber immer ein Gegengewicht gegen den Marinismus. Neben Chiabrera schlug unter den Lyrikern von Bedeutung noch Fulvio Testi (gest. 1646), der das Vorbild zu seinen Canzonen in Horaz fand, einen selbständigen Weg ein.

Eine lebendigere Bewegung geht in der Lyrik im letzten Viertel des Jahrhunderts, als der Marinismus hinzusterben begann, vorzugsweise von Francesco Redi (gest. 1698), dem berühmten Naturforscher und Sprachkenner Vincenzio da Filicaja (gest. 1707) und Alessandro Guidi aus; die beiden ersten wiesen wieder auf die klassische Vergangenheit der ital. Lyrik, Guidi wollte, wie Chiabrera, der Nation einen Pindar schaffen. Eine neue Geschmacksrichtung entstand ferner in Rom, das besonders durch Christine von Schweden ein Mittelpunkt litterar. Thätigkeit geworden war, verbreitete sich rasch über ganz Italien und ebenso, wie bisher der Marinismus, auch nach Frankreich und Deutschland. Getragen wurde dieselbe durch die 1690 von Crescimbeni und Gravina gestiftete Akademie der Arcadier, die, im Gegensatze zum Marinismus und dem hohlen Pindarismus, eine größere Natürlichkeit anstrebte, aber nur eine fade Modepoesie in idyllischem Gewande schuf, die sechs Jahrzehnte hindurch die Belletristik, mit Ausnahme des Dramas, beherrschte. Die Arcadier stellten auch eine Theorie des Geschmacks auf, und zwar entwarf Menzini eine Poetik, während Muratori die Grundzüge der Ästhetik entwarf. Die namhaftesten unter den Arcadiern sind Frugoni aus Genua, Eustachio Manfredi (gest. 1738), der die Petrarkische Canzone in voller Reinheit wiederherstellte, Giambattista Zappi (gest. 1719) und Francesco Lemene aus Lodi (gest. 1704), der besonders das Madrigal nach Tassos Vorbilde pflegte. Ein eigentümliches Streben als Lyriker zeigte gegen Ende des Zeitraums Paolo Rolli (gest. 1767), der die Italiener mit der engl. Litteratur (Milton) bekannt machte, Horaz, die röm. Elegiker und Anakreon anmutig nachahmte.

Gegenüber der Lyrik traten in dieser Periode die andern Gattungen der Poesie in den Hintergrund. Am epischem Gebiet ist, außer den erwähnten ko-^[folgende Seite]