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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italienische Litteratur

mischen Heldengedichten, der "Ricciardetto" des Niccolò Forteguerri das Interessanteste, daneben "La conquista di Granata" von Girolamo Graziani (gest. 1675). Manches Eigentümliche zeigen der "Adamo" von Tommaso Campailla und die "Visioni sacre e morali" von Alfonso Varano (gest. 1788). Die Novelle, früher so beliebt, ward im 17. Jahrh. sehr wenig angebaut. Bei der immer steigenden Teilnahme an der Oper konnte das Drama keine Bedeutung erlangen. Zur Zeit der Herrschaft des Marinismus wurden die komische und die tragische Bühne vorzugsweise von geschmacklosen Nachahmungen und Übersetzungen span. Stücke eingenommen. Ganz vergessen sind die Tragödien des Giovanni Delfino und des Ant. Carraccio, Verfassers des Epos "L'imperio vendicato". Gegen Ende des Jahrhunderts und im folgenden wurde der franz. Einfluß mächtiger. Der berühmteste Dramatiker seiner Zeit war Pier Jacopo Martelli (gest. 1727), der sich eines dem franz. Alexandriner nachgebildeten und nach ihm martellianisch genannten Verses bediente, den man indes bald im Tragischen gänzlich aufgab. Rühmliche Erwähnung verdient dagegen die "Merope" des Scipione Maffei. Weiter wären etwa die Römertragödien des Mathematikers Ant. Conti (gest. 1748) zu nennen; die Werke des Pietro Chiari sind längst vergessen. Noch immer ergötzte die Commedia dell' arte das Volk, und Flaminio Scala (gest. 1620) und Tiberio Fiorillo (gest. 1694), neben denen man noch Salvator Rosa nennen kann, erwarben sich großen Beifall. Mehrere begabte Dichter, wie Giambattista della Porta, Filippo Gaetano, Herzog von Sermoneta, Scipione Errico u. a. arbeiteten besonders in Neapel mit Glück für das Theater. Girolamo Gigli (gest. 1722) kopierte jedoch nur Racine und Molière. Die Oper erhielt am Ende des 17. Jahrh. ihre dramat. Ausbildung durch Apostolo Zeno (gest. 1750) und durch Trapassi, genannt Metastasio (gest. 1782), der den größten Teil seines Lebens in angesehener Stellung in Wien verbrachte und bis in die neueste Zeit eine Popularität genoß, die sich der Fremde nur mit dem süßen Wohllaut seiner Verse erklären kann.

V. Periode. Gegen die Mitte des 18. Jahrh. bereits begann sich in der ital. Nationallitteratur eine vollständige Umwälzung einzuleiten, die von einem Aufschwung des öffentlichen Lebens vorbereitet und begleitet war. Das Studium des Altertums wurde zu neuem Leben erweckt, und die Verehrung Dantes drängte die Vorliebe für Petrarca zurück. Außerdem begannen auch die engl. und die deutsche Litteratur einzuwirken. Dazu trat noch der sich entwickelnde Journalismus als mächtiges Förderungsmittel der Produktion. Der bedeutendste Name im Anfange dieser Bewegung ist Gasparo Gozzi (gest. 1786), der sowohl durch eigene Schöpfung in Prosa und Poesie wie auch als Journalist und Kritiker dort neue Bahnen brach, hier als Vorbild wirkte. Von England her empfing er die Anregung zu seinem Wochenblatt "Osservatore periodico" (1761). Neben Gozzi wirkte Baretti (gest. 1789) durch seine Zeitschrift "Frusta letteraria" (seit 1763), in der er den verkehrten Zeitgeschmack angriff, erfolgreich. Um dieselbe Zeit (1763) erschien die Übersetzung des Ossian von Melchiorre Cesarotti (gest. 1808) und "Il giorno" von Giuseppe Parini (gest. 1799), die eine weitgreifende Wirkung übten. Während Ossian der Phantasie eine neue ideale Welt eröffnete, führte Parini die Dichtung zur Natur zurück. Mit den Oden Parinis beginnt eine neue Ära für die Lyrik, die jedoch jetzt mit dem Schwinden des arkadischen Geschmackes in eine bescheidenere Stellung zurücktrat. Dagegen wurde die didaktisch-satirische und didaktisch-epische Dichtung nach dem Vorgange der "Sermoni" Gozzis und des "Giorno" Parinis in mancherlei Formen gepflegt. Auch Gian Carlo Passeronis "Cicerone" entsprang aus demselben Streben nach sittlicher Kräftigung der Nation. Aurelio Bertola (gest. 1798), der jenseit der Alpen Geßners Idyllen und auch sonst in umfassenderer Art die deutsche Litteratur einführte, zeichnete sich als Fabeldichter aus. Von Lehrgedichten sind außer Giambattista Spolverinis (gest. 1762) "Coltivazione del riso" hervorzuheben: "Stato rustico" von Vinc. Imperiali und die "Coltivazione de' monti" von Bartol. Lorenzo (gest. 1822), denen Bettis "Bachi da seta" und die didaktischen Poesien Aricis (gest. 1836) folgten.

Der Umschwung der nationalen Litteratur wurde jedoch erst durch das neue Aufblühen des Dramas, insbesondere der Tragödie vollendet. Seit den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrh. war die Bühne, ebenso wie die Sitten der höhern Gesellschaft und die ital. Sprache, ganz dem franz. Einflusse verfallen. Der Reformator der komischen Bühne wurde Carlo Goldoni, dessen Stücke zwar nicht das Ideal des Lustspiels erreichten, jedoch ein durchaus nationales Gepräge tragen. Die Märchenspiele seines Gegners Carlo Gozzi beherrschten eine Zeit lang die Bühne. Schöpfer der nationalen Tragödie wurde Vittorio Alfieri (gest. 1803), nächst Parini der bedeutendste Dichter jener Zeit. Alfieri, von Begeisterung für die untergegangene Größe seines Volks erfüllt, wußte in dem Grade das Interesse der Nation für die Tragödie zu erwecken, daß dieselbe seitdem in der I. L. eine hervorragende Dichtart geblieben ist. Ausgezeichnet durch ein reiches Formtalent war Monti (gest. 1828). Zugleich Dramatiker und Lyriker, beherrschte er die poet. Litteratur während der Revolutionszeit und des ersten franz. Kaiserreichs. Neben ihm wirkten von bedeutendern Dichtern Pindemonte (gest. 1828), Fantoni, genannt Labindo (gest. 1807), und namentlich Ugo Foscolo (gest. 1827), die besonders als Lyriker Ruhm erwarben. Zu den Männern, die Italien im vorigen Jahrhundert Ehre brachten, gehörten Filangieri (gest. 1788), der über die Wissenschaft der Gesetzgebung schrieb, Beccaria (gest. 1794), der für humanere Bestrafung der Verbrecher eintrat, die Nationalökonomen Graf Pietro Verri (gest. 1797) und Ferdinando Galvani (gest. 1789), der Philosoph Antonio Genovesi (gest. 1769) und Giandomenico Romagnosi. Alessandro Verri, der Verfasser der berühmten "Notti Romane", war Bruder des obengenannten Pietro.

Der geistige Austausch der Völker, der zugleich mit der Wiedergeburt des Nationalbewußtseins überall im Gefolge der Napoleonischen Herrschaft auftrat, machte sich auch in Italien geltend. Es bildete sich ein Kreis jüngerer Dichter, die nach Vorgang der deutschen und engl. Romantiker in das Mittelalter zurückgriffen, dessen litterar. und künstlerische Schätze mit Eifer ans Licht gezogen und bewundert wurden. Es begann bereits im zweiten Jahrzehnt auch in Italien der Kampf zwischen Klassicismus und Romanticismus, der allmählich zu Gunsten des letztern ausschlug. Bedeutendere Leistungen hat diese Schule für die Tragödie aufzu-^[folgende Seite]