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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italienische Litteratur

weisen, weniger in der lyrischen und epischen Poesie und in den Mischformen beider, die man nach deutschen und engl. Vorbildern behandelte. Dagegen wurde die I. L. durch die Romantiker mit einer ganz neuen Gattung, dem vaterländisch-geschichtlichen Roman, bereichert. Das Vorbild für diesen wurde "I promessi sposi" (1827) des Alessandro Manzoni, des Hauptes der neuen Schule, der sich als Lyriker und Dramatiker schon vorher ausgezeichnet und in der That bereits 1818 die Aufmerksamkeit Goethes erregt hatte. Manzonis Bedeutung, auch als Meister histor. und litterar. Kritik, ist noch immer im Steigen begriffen. Zwischen 1883-89 sind 4 Bände seiner "Opere inedite o rare" erschienen. Etwas später trat Giacomo Leopardi auf, der in Dichtung und Prosa dem Weltschmerze klassische Gestaltung gab.

Weitaus den größten Teil ihres Erfolges verdanken die Dichter und Schriftsteller, die kurz vor oder nach Manzoni und Leopardi schrieben, der Kraft, mit der sie den Tendenzen der nach Unabhängigkeit und Einheit ringenden Nation Ausdruck gaben. Giovanni Battista Niccolini (gest. 1861) wurde durch Trauerspiele voll patriotischen Geistes berühmt, als deren vorzüglichstes "Arnaldo da Brescia" angesehen wird. Silvio Pellico (gest. 1854), der Verfasser mehrerer Trauerspiele und der in alle Sprachen übersetzten "Le mie prigioni", hatte durch die heute noch auf dem Spielplan stehende "Francesca da Rimini" seinen Namen populär gemacht. Paolo Giacometti (gest. 1882) hatte das Glück, daß Stücke von ihm durch die große Heldenspielerin Ristori gegeben wurden. Als Theaterdichter der Zeit vor 1870 sind zu nennen: Carlo Marenco, der Duca di Ventignano, Gualteri, Fortis, der als Lyriker bekannte Giuseppe Revere und der Dichter politisch gefärbter stornelli Dall'Ongaro (gest. 1873).

Histor. Romane patriotischer Tendenz schrieben namentlich Tommaso Grossi, der spätere toscan. Triumvir Domenico Guerrazzi, Giulio Carcano, der spätere Ministerpräsident Massimo d'Azeglio, nunmehr als der Verfasser der "I miei ricordi" einer der gelesensten Autoren Italiens, Novani u. a. m. Giuseppe Giusti (gest. 1850), gleich Leopardi, Belli und andern Italienern von Heyse musterhaft übersetzt, schrieb polit. und satir. Gedichte, die auch heute noch unter sehr veränderten polit. Verhältnissen großen Anklang finden. Schon zu ihren Zeiten wurden als patriotische Sänger gerühmt: Berchet, Arnaldo Fusinato, Gabr. Rossetti, der bei der Belagerung Roms gefallene Goffredo Mameli, Alessandro Poerio, der bei Mestre den Heldentod erlitt. Ippolito Nievo, der bald nach der sicil. Expedition Garibaldis auf dem Meere sein Leben verlor, dürfte am besten wohl hier zu nennen sein.

Von den Verstorbenen muß außer Pietro Giordani, dem Freunde Leopardis, der vielseitige N. Tommaseo, von den Lebenden der Polyhistor Cesare Cantù, der die erste allgemeine Weltgeschichte in ital. Sprache verfaßte, unter denen genannt werden, die mit ihren Bestrebungen und Leistungen in die Zeit zurückgehen, als Manzoni patriarchalisch des Herrscheramtes in der Litteratur waltete. Verfasser einflußreicher histor.-polit. Schriften waren Cesare Balbo, Gioberti, Massimo d'Azeglio, Mazzini, Correnti. Als Dichter von Operntexten trug Felice Romani viel zu den Erfolgen bei, welche die Komponisten Bellini und Donizetti errangen. Auch Pepoli, Cammarano und Ferreti verdienen Erwähnung.

Als legitimer Nachfolger Goldonis galt Giraud, außer ihm machten sich durch Lustspiele bekannt Alberto Nota, Gherardi del Testa, Paolo Ferrari, der in den achtziger Jahren die erste Stelle auf der ital. Bühne erlangt hatte, und Paolo Fambri (geb. 1827).

Als Lyriker waren gefeiert Giovanni Prati, Aleardo Aleardi, Giuseppe Revere, Giacomo Zanella, bis nach und nach Giosuè Carducci als der originellste Lyriker des gegenwärtigen Italien anerkannt wurde. Auch seine aggressive Prosa erregt bei vielen Bewunderung. Neben ihm gelten als Lyriker Stecchetti (Pseudonym für Olindo Guerrini), Mario Rapisardi, der excentrische Arrigo Boito, Panzacchi, Brunamonti-Alinda ("die männlichste unter allen Dichterinnen der Gegenwart"), Aurelio Costanzo und von den jüngern Guido Mazzoni und Gabriele d'Annunzio, der auch bemerkenswerte Romane geschrieben hat.

Nachdem in den siebziger und achtziger Jahren das Theater hauptsächlich von den ins Italienische übertragenen Stücken der franz. Bühne gelebt hatte, hat man neuerdings angefangen, Stücke von Ibsen, Sudermann und andern fremden Autoren aufzuführen. Nach dem in bester Manneskraft 1881 verstorbenen Römer Pietro Cossa, in dessen Theaterstücken lyrische Kraft unverkennbar ist, haben größere Erfolge auf der Bühne erzielt: Torelli, Felice Cavallotti, Ferdinando Martini, Giacosa, Rovetta, Marco Praga, Antona-Traversi, V. Carrera, der einige Volksstücke geschaffen hat. Unter den Lustspieldichtern dürfen nicht übersehen werden V. Bersezio, der sich der piemont., Gallina, der sich der venet. Mundart bedient.

Als Dialektdichter verdienen Erwähnung der Römer Gioacchino Belli, von dem Heyse 60 Sonette übersetzt hat, der Mailänder Porta, der Piemontese Brofferio, der Sicilianer Meli (von Gregorovius übersetzt). Von den lebenden Dialektdichtern schaffen Erfreuliches die Römer Marini und Pascarella, der Toscaner Neri Tanfucio (dessen wahrer Name Renato Fucini). Dieser hat sich durch Skizzen aus dem toscan. Leben ("Le veglie") in weitern Kreisen bekannt gemacht. Es ist im Grunde dasselbe Genre, in dem der farbenprächtige Edmondo de Amicis, der viele Reisebeschreibungen, Novellen u. s. w. veröffentlicht hat, sich auszeichnet. Noch immer ist sein Erstlingswerk "La vita militare" (Flor. 1869), später umgearbeitet, sein gelesenstes und bestes.

Von den lebenden Romanschriftstellern sind in erster Linie Verga, Fogazzaro, Barrili, Matilde Serao und der vielfach ins Deutsche übersetzte Salvatore Farina zu nennen. Als Übersetzer von Dichterwerken haben sich, außer den drei Verstorbenen Andrea Maffei, Anselmo Guerrieri-Gonzaga und Zendrini, Italo Pizzi (Firdusi und die Nibelungen), Gnoli (Goethe), Chiarini (Heine), Gorresio und Flecchia (Sanskritwerke) und manche andere Verdienste erworben. Ruggero Bonghi, der wohl als der erste Publizist Italiens anzusehen ist, hat Plato übertragen, Valbusa Werke von Burkhardt, Voigt und L. Geiger übersetzt. Die Ergebnisse der neuern Naturwissenschaften haben dem großen Publikum näher gebracht Mantegazza, Mosso, Lessona, Paolo Lioy. Der verstorbene Gabelli schrieb in fesselnder Weise über philosophische, nationalökonomische und pädagogische Gegenstände. Als Philosophen von Fach sind anzuführen Ardigò, Barzellotti, Ferri, Mariano, Morselli, Tocco neben den verstorbenen Fiorentino, Terenzio Mamiani, den Hegelianern