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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Japan (Geschichte)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Japan (Geschichte)'

des Shogunats und Wiederherstellung der Kaisermacht abgeschlossenen Verträge mit Korea (1876), Mexiko und Nicaragua (1892) enthalten wesentlich andere, für J. günstige Bestimmungen.

Mit dem Abschluß schon der ersten dieser Handels- und Freundschaftsverträge hörte auch das von dem dritten Shogun der letzten Dynastie, Jemits, für die Japaner erlassene Verbot, ihr Vaterland zu verlassen, auf. Seit dieser Zeit befinden sich viele Japaner im Ausland, um fremde Einrichtungen und ausländische Wissenschaft kennen zu lernen. J.s Arbeiter und Kaufleute befinden sich jetzt in größerer Anzahl in Hawaii, Amerika, China, Korea u.s.w. Schon 1860 besuchte eine Gesandtschaft des Shogun Nordamerika und eine zweite mehrere europ. Höfe. Die Folge dieses gänzlich veränderten Verhältnisses des Japanischen Reichs zu dem Auslande war aber der Sturz des Shogunats. Sehr bald machte sich eine der Regierung zu Jedo feindliche Partei geltend, an deren Spitze die mächtigern der Daimio des Südens, z. B. von Choshu (Nagato), Satsuma, Hizen und Tosa standen. Sie näherten sich mehr und mehr dem Kaiser als ihrem ursprünglichen Lehnsherrn, indem sie die Eröffnung des Reichs durch die Regierung in Jedo für einen willkürlichen Eingriff in die Rechte des Kaisers erklärten, wodurch das Shogunat sich selbst seiner Rechtsstellung beraubt habe. Sie hofften zugleich durch den Sturz des Shogunats zu ihrer frühern Selbständigkeit zurückzugelangen. Der Fremdenhaß, von diesen Daimio geschürt, fand seinen Ausdruck in einer Reihe von Mordthaten, deren Opfer verschiedene Fremde waren. Am Abend des 15. Jan. 1861 wurde Heusken, Sekretär und Dolmetscher der nordamerik. Gesandtschaft, in einer Straße von Jedo erschlagen, und 6. Juli 1861 fand ein nächtlicher Angriff auf die Wohnung des engl. Gesandten statt, wobei 23 Personen, darunter zwei Engländer, verwundet wurden. Am 14. Sept. 1862 wurden die Engländer Lenox Richardson, Clarke, Marshall und Mrs. Borodaile auf einem Spazierritte zwischen Kanagawa und Kawasaki in der Nähe von Jokohama von dem Gefolge des Fürsten von Satsuma angegriffen und Richardson erschlagen.

Die Stellung der Europäer wurde immer unsicherer und bedenklicher. Hierzu trug wesentlich die zunehmende Schwäche der zwischen den Parteien schwankenden Regierung des Shogun bei. Die von ihr zum Schutze der Ausländer erlassenen Befehle wurden nicht nur von den den Fremden feindlichen Daimio wenig beachtet, sondern aus ihrer eigenen Haltung ging auch unzweideutig hervor, daß sie es mit den Handels- und Freundschaftsverträgen keineswegs aufrichtig meine. Im März 1863 verlangte Lord Russell, daß der engl. Gesandte bei dem Shogun darauf dringen solle, daß die Regierung wegen des Angriffs auf die engl. Gesandtschaftswohnung Abbitte und zugleich einen Schadenersatz leiste, den Erben von Lenox Richardson wegen dessen Ermordung aber eine größere Summe auszahle und zugleich den Daimio Shimasu, der die Veranlassung dazu gegeben, bestrafe. Der ersten Hälfte der Forderung des engl. Ministeriums entsprach die Regierung, allerdings erst, nachdem die Mächte eine drohende Haltung angenommen hatten; die Bestrafung des Shimasu aber widerstrebte ihr und war unmöglich, da er sich bei seinem mächtigen Pflegesohn und Verwandten in Satsuma aufhielt und dieser die Auslieferung seines Verwandten ↔ verweigerte. Am 24. Juni 1863 zeigte der Reichsrat den europ. Gesandten und Konsuln an, der Shogun habe von dem Kaiser, dem eigentlichen Gebieter über J., die Weisung erhalten, die den fremden Mächten geöffneten Häfen wieder zu schließen. Die Vertreter des Auslandes gaben aber nicht nach und erhoben formellen Protest gegen eine Schließung. Der engl. Admiral Kuper rückte im August desselben Jahres vor Kagoshima, die stark befestigte und gut verteidigte Hauptstadt des Fürsten von Satsuma, um die Bestrafung des Shimasu Saburo selbst durchzusetzen, mußte aber bald wieder abziehen. Die Auslieferung des Shimasu unterblieb, dagegen bezahlte Satsuma später die verlangte Summe. Im folgenden Jahre wurden von dem Daimio von Nagato in der Straße von Shimonoseki, zwischen Kiushu und der Hauptinsel, Feindseligkeiten gegen europ. Schiffe verübt. Infolgedessen rückte im Sept. 1864 ein aus engl., franz., holländ, und nordamerik. Schiffen bestehendes Geschwader unter dem engl. Admiral Kuper vor Shimonoseki, zerstörte die Festungswerke, führte sämtliche Kanonen weg und zwang den Fürsten von Nagato, die Straße von Shimonoseki für alle Zeiten offen zu halten und mehrere Millionen Dollar Kriegsentschädigung zu zahlen. Hierauf begaben sich die Repräsentanten der vier Mächte mit der Flotte vor Jedo, wo sie nach einer Konferenz mit dem Reichsrate (5. und 6. Okt.) erwirkten, daß die Regierung des Shogun die Garantie für die von dem Fürsten von Nagato zu zahlende Kontribution übernahm, ihn seiner Würden entsetzte, den fremden Gesandten das Recht zugestand, sich in Jedo aufzuhalten, und sich zugleich verpflichtete, den Kaiser zur Anerkennung der von dem Shogun geschlossenen Verträge zu bewegen. Die feste Haltung der fremden Diplomaten sowie die Berichte der aus Europa heimgekehrten Mitglieder der erwähnten Gesandtschaft, die die Überlegenheit der europ. Civilisation darthaten, hatten bei der Mehrzahl der Daimio eine Sinnesänderung zur Folge und bewogen den Kaiser, gegen Ende 1865 im allgemeinen seine Zustimmung zu geben.

Die Machtlosigkeit der Regierung zu Jedo wurde von Tag zu Tag deutlicher, besonders als sie 1866 in einer kriegerischen Expedition gegen Nagato den kürzern zog; in gleichem Maße aber erstarkte das Ansehen und die Macht des Kaisers dadurch, daß sich die mächtigern Daimio des Südens immer fester an ihn anschlossen. Mitten in dieser Zeit der äußersten Verwirrung starb der damalige Shogun (19. Sept. 1866), und Prinz Hitotsbashi, ein kluger, freisinniger und für den Verkehr mit dem Ausland gestimmter Mann, wurde Haupt der Tokugawa-Familie und bald darauf Shogun. Es wurde ein Gesandter nach Petersburg geschickt, um mit der russ. Regierung ein Übereinkommen über die Rußland und J. gemeinschaftlich gehörende Insel Sachalin zu treffen. Es kam zu einem vorläufigen Vertrag, der 1875 dadurch, daß J. seine Ansprüche auf Sachalin aufgab und dafür die russ. Kurilen erhielt, seinen festen Abschluß bekam. Alsdann trachtete der Shogun die mit den fremden Mächten geschlossenen Verträge vollständig zur Ausführung zu bringen und namentlich den Kaiser zu bewegen, endlich 1. Jan. 1868 den Hafen Hiogo und die Stadt Osaka dem fremden Verkehr zu öffnen. Dies fand, zugleich mit der Öffnung des Hafens von Jedo, 29. Jan. 1868 statt. Inzwischen war 3. Febr. 1867 zu Kioto der Kaiser Komei tenno gestorben

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 867.