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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Jerusalem (Stadt)

lern Höhe (jetzt 690 m), die im W. und SW. durch das Tyropöonthal, im SO. und O. durch das Kidronthal und im N. wahrscheinlich ebenfalls durch eine (jetzt verschüttete) Schlucht abgeschnitten, also schwer zugänglich war, und beherrschte ferner die einzige immer fließende Quelle J.s, den Gihon (s. d.), an ihrem Fuß im Kidronthal, aus beiden Gründen zu einer Zwingburg für die Umgegend vortrefflich geeignet. David machte die Zionsburg unter dem Namen Davidsstadt zu seiner Residenz. Die Befestigung sowohl dieser als der Stadt J. vollendete Salomo und fügte auf der Ostseite eine dritte Höhe nördlich von der Davidsstadt hinzu, indem er dort die königl. Staats- und Wohngebäude nebst dem Tempel Jahwes erbaute. Diese dritte Höhe (jetzt 744 m) wird bei den Propheten und in den Psalmen vermöge einer Erweiterung des Sprachgebrauchs auch Zion genannt. Die Anbauten im N. der alten Salomonischen Mauer, der einzigen Seite, nach der eine Vergrößerung der Stadt möglich war, umschloß Hiskias mit einer neuen, der sog. zweiten Mauer.

Die Bewahrung J.s vor der Eroberung durch den assyr. König Sanherib (701 v. Chr.), der durch eine Abteilung seines Heers die Stadt eine Zeit lang beobachten (wohl nicht belagern) ließ, hob ihr Ansehen als heilige, den Heiden unzugängliche Wohnung Jahwes bedeutend und trug mit dazu bei, daß der Tempel in J. durch die Kultusreform des Josia (s. d.) zu dem einzigen rechtmäßigen Heiligtum Jahwes im Reich Juda bestimmt wurde. Doch schon 597 v. Chr. mußte J. dem König Nebukadnezar von Babel seine Thore öffnen und seinen König Jojachin mit den angesehensten Bewohnern

in die Gefangenschaft nach Babel wandern sehen. Die Belagerung wiederholte sich 588 und endete nach 1 1/2 Jahren 586 mit der Zerstörung. Durch zwei größere aus Babel heimkehrende Züge, etwa 120000 Seelen im J. 537 und etwa 1600 Männer im J. 458, wurde die Stadt neu besiedelt. Von 520 bis 516 wurde durch Serubabel, einen Nachkommen Davids, der Tempel wiederhergestellt. In seiner Nähe ließen sich Priester und andere Beamte des Heiligtums nieder; die mit dem Salomonischen Tempel verbunden gewesenen königl. Staats- und Wohngebäude wurden jedoch nicht erneuert. Erst dem Mundschenken des Königs Artaxerxes Langhand (464-424), Nehemia mit Namen, gelang es 444 v. Chr., die Ringmauer der bis dahin zum Teil offenen Stadt neu zu bauen. Ihr Lauf entsprach der zweiten Mauer des Hiskias (s. oben) und der übrigen Ringmauer im W., S. und O. der Stadt. Zum Schutze des Tempels war nördlich davon neben der Stadtmauer die "Bira (Burg) am Tempel" (Nehem. 2, 8) gebaut worden. Wenn auch mit dieser neuen Befestigung J.s ein wichtiger Schritt zur Sicherung und Hebung der Stadt geschehen war, so konnte doch von einem neuen Aufblühen keine Rede sein. Von den weitern Schicksalen der Stadt unter der pers. (538-330) und griech. Oberhoheit ist fast nichts bekannt. Der Besuch J.s durch Alexander d. Gr. 332 ist nicht unmöglich, aber jedenfalls von Josephus (Jüd. Altertümer XI, 8, 5) kräftig ausgeschmückt. Nachdem J. im mehrfachen Wechsel bald den ptolemäischen Königen von Ägypten, bald den seleucidischen Herrschern von Syrien unterthan gewesen war, kam es 198 v. Chr. dauernd unter die Herrschaft der letztern, gegen die es im 2. Jahrh. v. Chr. unter der Führung der Makkabäer oder Hasmonäer den großartigen Kampf zur Abwehr der Hellenisierungsversuche bestand. 170 und 168 erschien Antiochus IV. Epiphanes in J., suchte durch blutige Grausamkeit jeden Widerstand einzuschüchtern, ließ die Mauern niederreißen, den großen Brandopferaltar vor dem Tempel in einen heidn. Altar umwandeln und dort dem olympischen Zeus opfern ("Greuel der Verwüstung", Dan. 11, 31; 12, 11; richtig der "entsetzliche Greuel") und die alte Davidsstadt (s. oben) zu einer starken Burg umbauen, deren syr. Besatzung seine Macht über J. für alle Fälle sichern sollte. Aber schon 165 ergriff Judas Makkabi wieder Besitz von J., reinigte den Tempel vom Götzendienst und befestigte den Tempelberg. Nach mehrfachem Wechsel des Kriegsglücks gelang es erst Simon Makkabi, 142 v. Chr. die Burg der Syrer zu erobern und damit Herr der ganzen Stadt zu werden. Über die Lage dieser Burg, Akra genannt, ist viel gestritten worden. Nach 1 Makk. 1, 33; 2, 31 u. a. war sie an Stelle der alten Davidsstadt erbaut, lag also südlich vom Tempel auf dem alten Zion (s. d.). Dafür spricht auch der Umstand, daß Josephus den Stadtteil Akra, der offenbar nach der später wahrscheinlich abgetragenen Burg Akra benannt war, zwischen dem Tempelplatz und der Quelle Siloah (s. d.) gelegen sein läßt. Johannes Hyrkanus I. baute die Burg Bira (s. oben) oder Baris zu seiner Wohnung aus; auch gab es einen Palast der Makkabäer in der Oberstadt. Pompejus mischte sich 63 v. Chr. in den Streit der makkabäischen Brüder Hyrkanus II. und Aristobul II. und leitete durch Eroberung des Tempelberges die röm. Oberherrschaft über J. ein. Durch Herodes d. Gr. gelangte J. zu neuer Blüte. Vom röm. Senat zum König von Judäa erklärt, eroberte er mit Hilfe eines röm. Heers J., das er namentlich 25-13 v. Chr. durch großartige Bauten verschönerte. Schon zur Zeit des Antonius hatte er die Burg nördlich vom Tempel umgebaut und Antonia genannt. Ein Theater und Amphitheater, vielleicht auch ein Hippodrom, zierten die Stadt, die damals in die Oberstadt (Südwesthügel, das alte J.), Unterstadt oder Akra (Südosthügel, einst Zion oder Davidsstadt), den Tempelplatz und in die Vorstadt westlich vom Tempel und nördlich von der Oberstadt zerfiel. An der Nordwestecke der Oberstadt baute Herodes einen prächtigen Palast, dessen Ringmauern und Türme (Hippikus, Phasael und Mariamme) zum Teil mit der Stadtmauer zusammenfielen. Zu besonderm Glanze erneuerte er den Tempel, dessen Bezirk auf 6 Stadien (= 1100 m) erweitert und durch mehrere Brücken mit den westl. Stadtteilen verbunden wurde. Der Umbau begann 20-19 v. Chr., wurde jedoch erst 62-64 n. Chr. vollendet. Nach der Zeit des Archelaus (4 vor bis 6 n. Chr.) entstand im N. der bisherigen Stadt ein neuer Stadtteil, die Neustadt mit dem Bezeta-(Bethzetha-)Hügel, den der König Agrippa I. (41-44 n. Chr.) mit einer neuen, der "Dritten" Mauer J.s zu umschließen begann, die jedoch erst zu Beginn des jüd. Aufstandes 66 n. Chr. vollendet wurde.

Das Zeitalter der Herodäer umfaßt die größte Blüte der Stadt, die nach einigen Angaben des Josephus damals vielleicht mehr als 200000 E. gehabt hat, bei einem Umfang von 33 Stadien = 6,3 km. Zu den aus dem Leben Jesu, der diese Stadt sah, bekannten Örtlichkeiten in oder bei J. sei Folgendes bemerkt: Das "Richthaus" (Joh. 18, 28) oder das Prätorium war die Wohnung der röm. Landpfleger in J., nämlich der ehemalige Palast