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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Johanniterorden
Abschluß der Rheinbundsakte (1806) seine letzten Be-
sitzungen verlor. Mit Ausnahme des ebenfalls der
deutschen Zunge angehörenden Großpriorates von
Il?^men, weleyes nie in seinem Besitzstande gestört
wurde, waren schließlich den auf die Französische
Nevolution folgenden polit. Umwälzungen alle zu
Anfang des Jahrhunderts noch vorhandenen Güter
des Ordens zum Opfer gefallen. Alle Restaurations-
bemühungen blieben so gut wie erfolglos. Zurück-
erstattet wurde nach und nach nur ein kleiner Teil der
italienischen, sodaß gegenwärtig noch vier Priorate
bestehen: die von Rom, Lombardei-Venetien und von
beiden Sicilien, sowie das genannte böhmische. Aus
ihren Vertretern ist das Conseil des Großmeisters
gebildet. Der Malteserorden bewahrt noch seine
alte, oben erwähnte Einteilung seiner Mitglieder.
Der infolge der Verminderung der Priorate einge-
tretenen Abnahme von Justiz- und Profeßrittern
(welch letztere allein zu leitenden Ordensämtern Zu-
tritt haben) steht eine bedeutende Zunahme der
Ehrenritter gegenüber, die in Rheinland-Westfalen,
Schlesien, England, Frankreich, Spanien (wo seit
1885 die Krone dem Großmeistertum das seit 1802
entzogene Recht, den Malteserorden zu verleihen,
wieder zurückerstattet hat) sich in Associationen kon-
stituiert haben.
Dem Bestreben des Ordens, sich auf dem Ge-
biete, welches ihm allein offen blieb, dem der
Wohlthätigkeit und Krankenpflege, der Menschheit
nutzbar zu machen, sind eine Reihe von Anstalten
und Organisationen entsprossen. Im Heiligen Lande
wird auf dem Hügel Tantur bei Bethlehem vom
Gesamtorden ein Hospiz unterhalten. In Mai-
land und Neapel bestehen Ordensspitäler und hält
serner die Association der ital. Ritter Material und
Bedienungsmannschaft für drei Eisenbahn-Sani-
tätszüge und zwei Feldspitäler für den Kriegsfall
bereit. Das böhm. Priorat hat sechs solcher Züge
zur Verfügung und ihre Thätigkeit im serb.-bulgar.
Kriege und bei der Occupation von Bosnien bereits
wohl erprobt. Die deutfchen Associationen, welche
in den Feldzügen 1866 und 1870 sich durch Füh-
rung von Sanitätskolonnen, Ausnahme und Pflege
Verwundeter u. s. w. anerkannte Verdienste erwar-
ben, besitzen für den gleichen Dienst vorbereitete
Organisationen. Auch sind ihnen speciell für die
freiwillige Krankenpflege im Kriegsfalle die gesam-
ten kath. Pflegerorden in Preußen zur Verfügung
und Leitung unterstellt. Die schles. Genossenschaft,
welcher auf Grund ihres Statuts als Verein der
Schlesischen Malteserritter 1867 die Rechte
einer jurist. Person verliehen wurden und welche zur
Zeit über 100 Mitglieder zählt, besitzt ein Nittergnt
(Kunzendorf in Niederschlesien) und unterhält auch
im Frieden sechs von ihr eigens gegründete Krankon-
häuser in Breslau, Trebnitz, Kunzcndorf, Rybnik,
Friedland und Schurgast. In Frankreich und Spa-
nien sind ähnliche Einrichtungen im Werke.
Die ursprüngliche Ordenstracht ist der schwarze
Mantel mit dem achtspitzigen Leinenkreuz. Er wird
noch von den Justiz- und Profeßrittern getragen.
Aus der roten Sopraweste (cotta. ä'3.ruii) mit dem
weißen Valkenkreuz, welche im Felde den Panzer zu
bedecken hatte, entwickelte sich die spätere rote Uni-
form in allen ihren Modifikationen. Ausschließliches
Abzeichen der Profeßritter ist das achtspitzige weihe
Brustkreuz, während das weißemaillierte goldene
Kreuz durch verschiedene Ausstattung die Distinktion
der einzelnen Grade bildet. Ordenswappen ist das
weihe Balkenkreuz auf rotem Felde. - Vgl. G.Bosio,
iZwria äeiig. 3. Religion? 6ä iiwLti-6 milbig, äi 3.
(sjovimni tt6r080iiinitÄQ0 (Rom 1594 -1604); R.
A. de Vertöt, llistoirs ä68 (^evaiiei-Z kospitaiisi-g
äk 8g.int ^63.n äs "I6ru83,l6iii etc. (4 Bde., Par.
1726); A. von Reumont, Die letzten Zeiten des I.
(Lpz. 1844); Winterfeld, Geschichte des ritterlichen
Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem
(Berl. 1859); Spencer-Northcote, Geschichte des I.
(aus dem Englischen von Studemund, Münster
1874); I. Delaville Le Roulx, ve prima orißius
lloZpilHlarioi'iiiQ llisl^ol^mitÄnorum (Par. 1885);
ders., 1^63 8t3.tut8 ä6 i'Orärk ä6 1'IIopitai ä6 8t. ^6km
ä6 <I6I-U8ai6iii (ebd. 1887); Finck, Übersicht der Ge-
schichte des souveränen ritterlichen Ordens St. Io-
hannis vom Spital zu Jerusalem und der Valley
Brandenburg (Lpz. 1890). über die gesamte Littera-
tur giebt Ferd. von Hellwald in der "LidlioZi-apIiiO
iu6t>doäi(iii6 äs i'Orärs "ouver^iu äe 3t. ^6I.Q äs
<l6ru83.i6ui" (Rom 1885) erschöpfenden Aufschluß.
Nachdem die protestantische Ballei Bran-
denburg des I. durch das preuß. Säkularisations-
edikt vom 30. Okt. 1810 und die Urkunde über Auf-
lösung derselben vom 23. Jan. 1811 als erloschen
erklärt und an ihrer Stelle 23. Mai 1812 derKönig -
lich Preußische I. gestiftet worden war, wurde
15. Okt. 1852 die Ballei Brandenburg, jedoch ohne
Rückerstattung der 1810 eingezogenen Güter, zum
Zweck der Krankenpflege wieder aufgerichtet. Auf-
nahmebedingungen sind adlige Geburt, ein Lebens-
alter von 30 Jahren, eine der Würde des Ordens
entsprechende sociale Stellung sowie evang. Be-
kenntnis. Der preußische I. zählte 1. Nov. 1893:
1 Herrenmeister (den Prinzen Albrecht von Preußen),
17 Kommendatoren, 4 Ehrenkommendatoren, 1 Or-
denshauptmann, 726 Rechtsritter, 3 Ehrenmit-
glieder und 1629 Ehrenritter. Der Orden gliedert
sich in 15 Genossenschaften sowohl in den 10preuh.
Provinzen als auch in Sachsen, Württemberg,
Mecklenburg, Hessen und Bayern. Die Zahl der
vom Orden bisher gegründeten- Kranken- und
Siechenhäuser in Deutschland beträgt 42, außerdem
1 Krankenhaus zu Beirut in Syrien und 1 Hospiz
in Jerusalem. In diesen 43 Häusern wurden 1892
10945 Personen, ohne Unterschied des Glaubens,
438513 Tage ärztlich behandelt und zum Teil ganz
frei oder für einen Minimalbetrag verpflegt. Wäh-
rend der Kriege von 1864 in Schleswig-Holstein,
1866 im Deutschen Kriege und 1870/71 im Deutsch-
Französischen Kriege widmete der Orden sich der
Fürsorge sür die kranken und verwundeten Krieger.
Ordenszeichen der Kommendatoren und Rechtsritter
ist ein goldenes, achtspitziges, weiß emailliertes
Kreuz, von vier goldenen Adlern bewinkelt und von
goldener Krone überhöht. Das der Kommendatoren
ist größer als das der Rechtsritter. Die Ehrenritter
tragen ein weiß emailliertes Kreuz, in dessen vier
Ecken sich schwarze Adler befinden, ohne Krone über
dem Kreuze. Es wird am schwarzseidenen moirier-
ten Bande um den Hals getragen und außerdem
auf der linken Brust ein den Grundformen des
Ordenstreuzes entsprechendes weißes LinnenkreuZ.
Ordenskleidung ist ein roter Leibrock mit weißem
Kragen, weihen Aufschlägen und gleichfarbigem
Vorstoß, mit goldenen Knöpfen und goldenen Epau-
letten, weißem Beinkleide mit goldener Tresse, drei-
eckigem Hut mit weißen Federn bei den Rechts-
rittern, die außerdem, ebenso die Kommendatoren,
einen schwarzseidenen Mantel mit großem weißen