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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Jordan; Jordānes; Jordansfest; Jörg

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Jordan (Wilh.) - Jörg (Joh. Christian Gottfr.)

zu Kassation und fünfjähriger Festungsstrafe machten den Prozeß berühmt. Im Mai 1845 ward er gegen Kaution zunächst aus dem Gefängnis entlassen und im Okt. 1845 in oberster Instanz freigesprochen. 1848 nahm J. teil an dem Frankfurter Vorparlament und ward mit dem Titel eines Geh. Legationsrats als Bevollmächtigter Kurhessens an den Bundestag gesandt. Auch saß er als Abgeordneter eines kurhess. Wahlbezirks in der Deutschen Nationalversammlung, wo er im gemäßigten Sinne zu wirken suchte. Später lebte J. zu Frankfurt, dann zurückgezogen in Cassel, wo er 15. April 1861 starb. Vgl. außer seiner «Selbstverteidigung in der wider ihn geführten Kriminaluntersuchung» (Mannh. 1844) die drei Verteidigungsschriften J.s von A. Boden (Frankf. 1843–44). Ferner schrieb er: «Versuche über allgemeines Staatsrecht» (Marburg 1828) und «Lehrbuch des allgemeinen und deutschen Staatsrechts» (Abteil. 1, Cass. 1831). – Vgl. Trinks und Julius, S. J.s Leben und Leiden (Lpz. 1845).

Jordan, Wilh., Dichter und Ästhetiker, geb. 8. Febr. 1819 zu Insterburg in Ostpreußen, studierte 1838–42 in Königsberg und widmete sich erst in Berlin, seit 1844 in Leipzig der schriftstellerischen Thätigkeit. Wie seine ersten poet. Arbeiten, darunter «Irdische Phantasien» (Königsb. 1842) und «Schaum» (Lpz. 1846), bekunden, huldigte er dem ostpreuß. Liberalismus und der junghegelschen Philosophie. Gründliche Studien verrät seine «Geschichte der Insel Haïti» (2 Bde., Lpz. 1846–49). In seiner Monatsschrift «Die begriffene Welt» (ebd. 1844–45) suchte er als einer der ersten die volkstümliche Darstellung der Naturwissenschaften in die Unterhaltungslitteratur einzuführen. Im Herbst 1846 wegen eines angeblich atheistischen Toastes aus Leipzig und Sachsen verwiesen, wandte sich J. zunächst nach Bremen, im Frühjahr 1848 nach Paris und dann nach Berlin, wo ihn der oberbarnimsche Kreis in die Deutsche Nationalversammlung wählte. Hier gehörte er erst zur Linken, bis seine Rede zur Posener Frage den Bruch mit ihr herbeiführte und er sich der Gagernschen Partei anschloß. Schon im Mai 1848 war er in den Flottenausschuß und von diesem zum Sekretär erwählt worden. Im Herbst 1848 berief ihn hierauf Duckwitz als Marinerat in das Reichsministerium des Handels. Vom Reichsverweser durch definitives Patent als Ministerialrat bestätigt, blieb J. in dieser Stellung bis zur Auflösung der deutschen Flotte. Von der Bundesversammlung pensioniert, lebt er seitdem zu Frankfurt a. M.

J.s erste größere poet. Arbeit ist «Demiurgos. Ein Mysterium» (3 Bde., Lpz. 1852–54), eine umfängliche, episch-dramatisch-metaphysische Dichtung voll tiefer Gedanken. Von seinen dramat. Arbeiten sind die Tragödie «Die Witwe des Agis» (Frankf. 1858), sowie die Schauspiele « Der falsche Fürst» (1856), «Graf Dronte» (1856), «Arthur Arden» (Frankf. 1872) und «Liebe, was du lieben darfst» (ebd. 1892) zu nennen; seine liebenswürdigen und geistreichen Lustspiele «Die Liebesleugner» (ebd. 1855), «Tausch enttäuscht» (ebd. 1856; 2. Aufl. 1884) und namentlich «Durchs Ohr» (1885; 6. Aufl. 1889) haben nachhaltige Bühnenerfolge gehabt. Übertragungen lieferte J. von Sophokles (2 Bde., Berl. 1862), von den «Gedichten» Shakespeares (ebd. 1861) und mehrern Schauspielen desselben: «Macbeth», «König Lear», «Richard Ⅲ.», «Romeo und Julie», «Othello», «Cymbeline» (Hildburgh. 1865 fg.), von der «Odyssee» (Frankf. 1875; 2. Aufl. 1889), der «Ilias» (ebd. 1881; 2. Aufl. 1892) und der «Edda» (2. Aufl., ebd. 1890). Sein Hauptwerk aber ist das Doppel-Epos «Die Nibelunge» (erstes Lied: «Sigfridsage», Frankf. 1868; 13. Aufl. 1889; zweites Lied: «Hildebrants Heimkehr», ebd. 1874; 9. Aufl. 1891), ein Meisterstück epischer Komposition und sprachlicher Formung. J. hat diese in allitterierenden Stabreimen abgefaßte Dichtung schon mehrere Jahre vor ihrem Erscheinen als reisender Rhapsode mit großem Erfolg in der Alten und der Neuen Welt frei vorgetragen. Der Geschichte und Technik des Epos gewidmet sind seine Schriften: «Der epische Vers der Germanen und sein Stabreim» (Frankf. 1868), «Das Kunstgesetz Homers und die Rhapsodik» (ebd. 1869), «Epische Briefe» (ebd. 1876). Ferner sind zu nennen: die Gedichte «Andachten» (ebd. 1877), «Erfüllung des Christentums» (ebd. 1879), «Strophen und Stäbe», eine Sammlung kleinerer Gedichte (ebd. 1871); die Romane «Die Sebalds» (2 Bde., Stuttg. 1885; 2. Aufl. 1886) und «Zwei Wiegen» (2 Bde., Berl. 1887; 7. Tausend 1891), die Novelle «Feli Dora» (Frankf. 1890), «Episteln und Vorträge» (ebd. 1891), eine poet. Streitschrift gegen die Naturalisten «Deutsche Hiebe» (ebd. 1891) und «Letzte Lieder» (ebd. 1892). – Vgl. Schiffner, W. J. (Frankf. 1889).

Jordan, Wilh., Geodät, geb. 1. März 1842 zu Ellwangen in Württemberg, studierte an der Polytechnischen Schule zu Stuttgart und wurde 1868 Professor der Geodäsie am Polytechnikum zu Karlsruhe. 1873–74 nahm er teil an der Expedition von Gerhard Rohlfs in die Libysche Wüste. 1881 wurde er Professor an der Technischen Hochschule zu Hannover. Er schrieb u. a.: «Physische Geographie und Meteorologie der Libyschen Wüste» (Cass. 1876); «Handbuch der Vermessungskunde» (4. Aufl., Stuttg. 1893 fg.), «Das deutsche Vermessungswesen» (mit Steppes, ebd. 1880); «Grundzüge der astron. Zeit- und Ortsbestimmung» (Berl. 1885); außerdem zahlreiche Aufsätze in der «Zeitschrift für Vermessungswesen», deren fachwissenschaftlicher Redacteur er seit 1873 ist.

Jordānes, Geschichtschreiber des 6. Jahrh., fälschlich auch Jornandes genannt, von Geburt ein Alane, der sich aber selbst zu den Goten rechnet, war in seinen jüngern Jahren Notar, später Geistlicher, vermutlich Bischof von Croton. Er schrieb 551 zwei noch erhaltene Werke; das erste, einem Vigilius, vielleicht dem damaligen röm. Papste gewidmete: «De origine actibusque Romanorum» oder «De summa temporum», ein Abriß der Weltgeschichte bis auf seinen Zeitgenossen Justinian, hat nur noch mittelbare Bedeutung. Dagegen ersetzt das andere: «De origine actibusque Getarum», eine Geschichte der Goten von ihrem Ursprunge bis gegen den Sturz der Ostgotenherrschaft in Italien, den Verlust mehrerer bedeutender Quellenwerke, namentlich der got. Geschichte des Cassiodorius, dessen Werk J. gelesen und dann aus dem Gedächtnis verwertet hat. Unter den vielen Ausgaben des J. ist die beste die von Theod. Mommsen, «Jordanis Romana et Getica», in den «Monumenta Germaniae historica», Auctores antiquissimi, Bd. 5, 1 (Berl. 1882), mit litterar. Einleitung.

Jordansfest, soviel wie Wasserweihe (s. d.).

Jörg, Joh. Christian Gottfr., Mediziner, geb. 24. Dez. 1779 zu Predel bei Zeitz, studierte zu Leipzig, wo er sich 1805 als Privatdocent habilitierte.