83
Kanal (Großer) – Kanalisation
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Kanal'
sich die engl. Seeküste fast durchaus als ein steiler, oft felsiger Abfall, überall mit scharf
eingeschnittenen Buchten und geräumigen Flußmündungen und einer Menge Häfen, die durch
Landzungen und Vorgebirge geschützt sind. Die Tiefe nimmt wie in der Nordsee mit der
Entfernung vom Pas de Calais, wo sie an der tiefsten Stelle nur 55 m beträgt, zu. Bänke
sind zahlreich vorhanden, z. B. die Goodwin-Sands (s. d.) bei Deal.
Hinsichtlich der Gezeiten findet sich die eigentümliche Erscheinung, daß die Flut an beiden
Enden vom Atlantischen Ocean und aus der Nordsee gleichzeitig eintritt, wodurch ihr Niveau
an beiden Küsten außerordentlich erhöht wird. Am South-Foreland in England beträgt die
Fluthöhe bei Springzeit 4–7, gegenüber bei Calais 7 m. Infolge der Erdrotation ist die
Fluthöhe am östlichen franz. Ufer immer beträchtlich höher als am englischen.
Besonders übt diese Erscheinung mächtigen Einfluß auf die Küste der Bretagne, wo z. b. bei
St. Malo der Flutstrom in den Syzygien sich bis 14 m erhebt, während er in den Quadraturen
nur 5 m steigt. Granville ist der Ort der ganzen europ. Küste, an dem die Flut den größten
Hub, nämlich mehr als 14 m zur Äquinoktialspringzeit hat. Diese Eigentümlichkeit des K. bringt
dem Hafen von London den Vorteil, daß die von N. und von S. kommenden Schiffe gleichzeitig
mit derselben Flut einfahren können. Dagegen ist die Ausfahrt aus dem K. bei starken
Westwinden beschwerlich.
Der K. ist die wichtigste Schiffahrtsstraße der Erde, aber da sehr häufig Nebel herrscht und
die Strömungen sehr verschiedenartig und stellenweise mit großer Geschwindigkeit
(z. B. beim Kap la Hague mit 6 Seemeilen in der Stunde) laufen, da man ferner fortwährend
andern Schiffen in der engen Fahrstraße ausweichen muß, auch eine der gefährlichsten
Gegenden für die Schiffahrt, überdies wird er, besonders im Frühling und Herbst von heftigen
Südweststürmen oft betroffen. Am gefährlichsten ist die Fahrstraße in der Doverstraße,
die durch die Sandbänke Varne und Colbart noch in ihrer Längsrichtung geteilt wird.
Für die Schiffahrt bei Nacht ist der K. an beiden Küsten durch 200 Leuchtfeuer beleuchtet,
deren größtes das auf dem Kap la Hève ist. Dort ist seit dem 18. Juni 1893 ein elektrisches
Funkelfeuer von 2 1/2 Mill. Kerzenstärke errichtet, dessen Blinke 52 Seemeilen weit sichtbar
sind. Bei Nebel kann der Seemann nur mit Hilfe des Lots die Durchfahrt durch den K. ausführen.
Die Haupthäfen sind an der engl. Küste:
Dover, Portsmouth (Kriegshafen), Southampton, Portland, Exmouth, Plymouth (Kriegshafen)
und Falmouth; an der franz. Küste: Dünkirchen, Calais, Boulogne, Dieppe, Fécamp, Havre,
Rouen, Honfleur, Trouville, Cherbourg (Kriegshafen), Granville, St. Malo (alter Kriegshafen),
Morlaix und Brest (Hauptkriegshafen).
Eine franz. Gesellschaft beabsichtigt zwischen South-Foreland und dem Kap Blanc Nez
eine Eisenbahnhochbrücke zu bauen.
Vgl. The Channel Pilot (2 Tle., Lond. 1889);
Segelhandbuch des englischen K., hg. von der Deutschen Seewarte, Teil 1: Engl. Küste,
Teil 2: Franz. Küste, Teil 3: Kanalinseln (Hamb. 1893).
Kanäle, künstlich hergestellte Wasserläufe für Wasserzufuhr
oder Entwässerung oder für Herstellung ↔ von Wasserwegen. K. für Wasserzufuhr
sind die Bewässerungskanäle zur Förderung landwirtschaftlicher Zwecke oder Wasserversorgung
von Städten; erstere meistens offene Gräben mit Erdböschungen, letztere meistens geschlossen,
unterirdisch oder auf Viadukten liegend. (S. Bewässerung,
Wasserversorgung, Aquädukt.)
Die Entwässerungskanäle werden angelegt für Zwecke der Landwirtschaft, um überflüssige
Feuchtigkeit dem Boden zu entziehen (s. Drainierung), für Entwässerung
und Urbarmachung versumpfter Landstrecken (s. Melioration sowie
Fehn- und Moorkolonien) und für Abführung der Abwässer
(s. d.) von Städten. (S. Kanalisation, Siel,
Städtereinigung.) K. zur Herstellung von Wasserwegen werden zur Förderung
der Schiffahrt gebaut. (S. Schiffahrtskanäle.)
Kanalgase, durch Beimengung flüchtiger Stoffe meist übelriechende
Ausdünstungen aus Kanälen, die viel Ursache zu Klagen über Kanalisationseinrichtungen geben.
Die Luft in den Kanälen nimmt ebenso wie die Luft der Aborte und Küchenausgüsse flüchtige
Stoffe, welche sich aus den Abwässern, den Exkrementen, aus Küchenabfällen entwickeln,
auf und erhält dadurch übeln Geruch, ohne eigentlich schädlich zu wirken. Nur bei Stagnation
solcher Abfallstoffe in den Leitungen eines Kanalnetzes können sich durch Fäulnis derselben
wirklich gesundheitsschädliche Gase, wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Kohlensäure, bilden.
Um das Eindringen der K. in Wohn- und Wirtschaftsräume und städtische Straßen zu verhüten,
werden Wasserverschlüsse (s. d.),
Ventilationsschächte und Dunstrohre angebracht. Vor Entdeckung der Bakterien als Erreger
von Infektionskrankheiten, und in England zum Teil jetzt noch, hielt man fälschlicherweise
die K. für die Ursachen von Krankheiten, wie Typhus, Diphtherie u. a.
Kanalheizung, s. Heizung (Bd. 8, S. 1009b).
Kanalisation, Beschleusung,
die Anlage eines unterirdischen Netzes von Röhrenleitungen oder Kanälen (Schleusen)
zum Zweck der Entwässerung menschlicher Wohnstätten, namentlich größerer Ortschaften
und Städte. Vermöge der K. kann nicht nur das Wasser der meteorischen
Niederschäge (Anmerkung des Editors: Niederschläge), das in Städten wegen der
Bebauung der Bodenfläche und der Straßenanlage zu einem viel geringern Teil in den Boden
eindringen kann als auf dem Lande, sondern auch die sog. Abwässer (s. d.)
und, je nach dem System der K., auch die menschlichen Exkremente bequem fortgeschafft
werden. Da das meteorische Wasser und die Abwässer weitaus die größte Quantität alles
dessen, was durch die Kanäle überhaupt abgeführt werden kann, darstellen, so muß bereits
deshalb jede größere Stadt ein regelrechtes Kanalnetz besitzen. Ein Mensch produziert
durchschnittlich im Jahre 462 kg Exkremente; der Abfall an Kehricht und aus der Küche
beträgt etwa 90 kg, die jährliche Aschemenge 10 kg und die Abwässermenge
(Spül-, Wasch-, Badewasscr, unverbrauchtes Trinkwasser, Fabrikwasser u. s. w.)
rund 7300 kg, sodaß von insgesamt 7862 kg Unrat aus dem Haushalt eines Menschen allein
7300 Kg oder etwa 93 Proz. auf Abwässer entfallen. Welche Unratmenge diese 7300 kg Abwässer
repräsentieren, stellt man durch Untersuchung des Inhalts der Kanäle ohne
Fäkalieneinleitung fest. (S. Kanalwasser.)
Im Altertum ist die Notwendigkeit einer raschen Beseitigung des Unrates in vielen
großen Städten
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 84.
Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.