Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Kanalisation'
richtig gewürdigt worden. Babylon, Karthago, Jerusalem, zahlreiche ägypt. Städte besaßen
bedeutende derartige Anlagen. In Babylon bestanden nach Layard große Straßenkanäle, in die
sich die Häuser durch kleine Seitenkanäle entwässerten. In Jerusalem wurden die Abwässer
durch ein Kanalnetz in große Teiche geleitet; der Bodensatz in denselben wurde als Dünger
verkauft und das Wasser der Teiche zur Bewässerung der Gärten im Thale Kidron verwendet.
Die bedeutendste K. des Altertums war die von Rom. Bereits Tarquinius Priscus (600 v. Chr.)
erbaute einen großen Sammelkanal, die Cloaca maxima,
der heute noch besteht und eine Höhe von 5,3 m und eine Breite
von 4,4 m besitzt. Er diente allerdings zunächst nur zur
Drainage des sumpfigen Bodens, nahm aber später alle Hauswässer auf. Infolge zu geringen
Gefälles und ungenügender Spülung mußte er 400 Jahre nach seiner Herstellung mit einem
Kostenaufwand von 1000 Talenten (fast 5 Mill. M.) gereinigt werden. Unter Kaiser Augustus
wurde eine regelmäßige Spülung der Kanäle von den Wasserleitungen aus eingerichtet.
Im Mittelalter ist wenig für K. geschehen, Regenwasser und Abwässer mit und ohne Exkremente
liefen entweder in natürlichen Rinnen oder in offenen, nicht einmal undurchlässigen Gräben ab;
vielerorts sind diese und ähnliche Zustände bis in die Neuzeit bestehen geblieben,
in manchen kleinern Städten Frankreichs existieren sie heute noch. Einige rühmliche Ausnahmen
sind jedoch zu erwähnen. So sind in Bunzlau (Schlesien) seit 1559 gemauerte Kanäle für die
Abwässer der Stadt vorhanden; in Prag wurden im 17. Jahrh. mehrere gewölbte Abzugskanäle
gebaut. Am besten waren noch die Entwässerungsverhältnisse in den engl. Städten.
Erhebliche Fortschritte in der K. überhaupt, und besonders derjenigen größerer Städte,
wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh, gemacht. Nach dem Vorgange Englands, das bereits
1852 eine Instruktion über die Ableitung des Abwassers aus Wohnungen und öffentlichen
Gebäuden, über die Anlage von Abzugskanälen und die Reinigung von Städten publizierte,
wurde endlich in den meisten Ländern mit der Anlage rationeller Kanalisationssysteme
begonnen. Paris hatte 1854 bereits 142 km gedeckter Kanäle, 1856 begann unter Leitung
Belgrands der Bau großer Sammelkanäle. Die erste regelrecht kanalisierte Stadt in
Deutschland war Hamburg, woselbst die Kanalisationsarbeiten Mitte der fünfziger Jahre ihren
Anfang nahmen. 1867 begann die K. von Frankfurt, 1869 die von Danzig, 1873 die von Berlin,
1880 die von München u. s. w. Zahlreiche größere Städte, darunter auch Wien, und die meisten
kleinen Städte sind übrigens gegenwärtig noch vollständig ungenügend kanalisiert.
Die specielle Durchführung der K. hängt von den besondern Verhältnissen der betreffenden
Stadt ab. Namentlich sind es folgende Momente, welche für das Kanalisationssystem bestimmend
sind: örtliche Lage und Terrainbeschaffenheit, Größe der Stadt und ihrer industriellen
Entwicklung, klimatische Verhältnisse, Bedürfnisse des benachbarten Flachlandes,
Art der definitiven Beseitigung der Abfallstoffe u. s. w. Am günstigsten sind die Bedingungen
für solche Städte, welche an großen Flüssen und auf stark abfallendem Boden liegen;
denn hier kann, wie z. B. in München, Wien, ein zusammenhängendes Kanalnetz, in dem vermöge
eines ganz natürlichen Gefälles der Inhalt rasch weiter befördert wird, angelegt
↔ werden. Bei diesen Anlagen kann auch am erfolgreichsten das Schwemmsystem
zur Anwendung kommen. Viel ungünstiger daran sind Städte, die auf ganz flachem Terrain erbaut
sind oder an kleinen oder zu langsam fließenden Flußläufen oder Seen liegen. Hier muß oft
die ganze K. in einzelne Abteilungen zerlegt werden, der Kanalinhalt von Zeit zu Zeit durch
Pumpstationen höher gehoben und auf weite Entfernung außerhalb der Stadt fortgepumpt werden.
Hin und wieder wird in solchen Fällen eine völlige Trennung der Entwässerungsanlagen
für Regenwasser von der für Abwässer notwendig
(Trennungssystem). Die Anlage der Kanalnetze
kann nach folgenden fünf Systemen, je nach Lage der Verhältnisse, erfolgen:
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1) Perpendikularsystem (s. Tafel:
Kanalisation, Fig. 1).
Teilung der Stadt in einzelne Bezirke, deren Kanäle in je einen Sammler
(Kollektor) s geführt werden, welcher rechtwinklig zur
Flußrichtung in den Fluß mündet. Kurze Kanäle von geringem Querschnitt, aber Überlastung der
untern Stadtteile durch Kanalwasser aus den obern und Verunreinigung des Wasserlaufs noch
innerhalb der Stadt. Beispiele: Halle, Salzburg, Wien, Ulm, Rostock, Bern, Szegedin, Ems,
Würzburg, Lübeck, Prag.
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2) Abfangsystem (s. Fig. 2). Die Sammler s des Systems 1
werden nicht direkt in den Fluß, sondern in Abfangskanäle A eingeführt, welche längs des
Flusses laufen und sich des Abwassers erst unterhalb der Stadt entledigen.
Keine Verunreinigung des Wasserlaufs in der Stadt, aber bedeutende Kosten der Abfangkanäle,
die eine starke Wassermenge bei meist kleinem Gefalle führen, daher großen Querschnitt haben
müssen. Für den Anfangsbetrieb unnötige Größe der Kanäle, auf spätere Vergrößerung der Stadt
berechnet, daher totes Kapital. Einheitlich durchgeführt in Danzig.
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3) Fächersystem (s. Fig. 3). Für die ganze Stadt wird
ein einziger Auslaßpunkt A der Abwässer angelegt, von dem die Hauptsammler s der einzelnen
Bezirke, welche die Kanalnetze aufnehmen, strahlenförmig ausgehen. Nachteil: die gleich für
die Vergrößerung übergroß angelegten Sammler wie bei System 2. Beispiele: Karlsruhe,
Wiesbaden, Emden, Breslau, Dortmund, Bremen, Reichenhall, Brüssel.
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4) Zonensystem. Bezirke von verschiedener Höhenlage,
welche unabhängig voneinander sind. Gesonderte Sammelkanäle. Unterstützung bei der Spülung.
Nur ein Auslaß in der untersten Zone. Jede einzelne Zone wird für sich entweder nach dem
Abfang- oder Fächerystem ausgebildet. Ausgeführt in Frankfurt a. M., Mainz, Düsseldorf,
Stuttgart, München, Heidelberg, Paris, London; entworfen für Köln, Mannheim, Königsberg,
Lüttich, Neapel, Basel.
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5) Radialsystem (s. Fig. 4). Zerlegung der Stadt in
Sektionen für die einzelnen Bezirke, welche jeder sein eigenes Kanalnetz und eigenen Auslaß
mit etwaiger Pumpstation haben. Zweckmäßige Erweiterung bei Vergrößerung der Stadt durch
Anlage neuer Radialsysteme ohne Änderung der bestehenden Anlagen. Beispiel: Berlin.
Außer diesen genannten Kanalisationssystemen, bei welchen der Kanalinhalt zunächst vermöge
des Gefälles der Kanäle fortbewegt wird und erst am Ende der Leitungen oder Sammelkanäle
Pumpanlagen als Hilfskräfte verwendet sind, giebt es noch zwei Systeme, bei denen die
Kanalwässer so-
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