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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kanalisation

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Kanalisation'

fort durch Druck- oder Saugpumpen weiter befördert werden, die sog. pneumatischen Systeme von Liernur und Shone. Bei letzterm kann der gesamte flüssige Unrat einer Stadt einschließlich der Fäkalien in einer Rohrleitung abgeführt werden, bei ersterm System ist eine getrennte Ableitung von Haus- und Regenwasser einerseits und der Fäkalien andererseits vorgesehen. Fast überall, wo das Liernursche Differenziersystem zur Anwendung gekommen ist (Amsterdam, Leiden, Prag, Hanau, Dordrecht), ist nur der zweite Teil, die Entfernung der Fäkalien, zur Durchführung gelangt. Das dabei verfolgte Princip ist: Absauguug der Fäkalien aus den Abtritten eines größern Häuserkomplexes in auf Rädern bewegliche Behälter aus Blech (sog. Tender) oder größere Reservoirs. Dies geschieht mittels eines luftdichten eisernen Röhrennetzes, indem die Luft in diesem Netz durch bewegliche Luftpumpen oder Centralpumpstationen verdünnt wird. System Shone ist nur da einzurichten, wo Druckluftanlagen bestehen. Bei demselben werden die Abwässer einschließlich der Fäkalien zunächst in Reservoirs (Ejektoren) gesammelt; bei einer gewissen Füllung dieser wird durch Vermittelung eines Schwimmers auf automatischem Wege Druckluft eingeleitet und dadurch der Inhalt in die eisernen Rohrleitungen gedrückt, von wo er weiter befördert werden kann. Das System ist angewendet in Rangun.

Soll in einer Stadt eine K. eingerichtet werden, so muß die Menge Regen- und Brauchwasser genau festgestellt werden, um hiernach die Querschnitte der Kanäle bemessen zu können.

Annahmen über Brauchwassermengen:
_
_
_Einwohner auf
Stadt1 haLiter
_LiterHektar
_pro Kopfund
__u. Tag___jetzt__künftig___Sekunde__
_
_
Berlin127200–5008001,54
Danzig904805300,83
Dortmund13570950,22
Königsberg__1505507602,00
Mannheim1603004001,00
München15055–47080–700_0,2–1,8_
Wiesbaden1004000,65
Wien0,70

Die oft bedeutenden Unterschiede haben ihren Grund in den besondern, namentlich den gewerblichen Verhältnissen der Städte.

Annahmen über Regenwassermengen
(Liter pro Hektar und Sekunde):
_
___
Stadt RegenmengeAbflußmenge
__
_
Berlin6421,2
Braunschweig5829
Chemnitz7017–50
Danzig3618
In England7035
Karlsruhe3618
München459–22
Paris12542
Wien7027

Die Kanäle müssen für das Maximum des Brauchwassers berechnet werden. Am Tage des ↔ stärksten Verbrauchs hebt sich natürlich der Tagesdurchschnitt, ebenso während der 24 Stunden des Tages der Stundendurchschnitt. Amerik. Ingenieure nehmen als Höchstwerte den 1 1/2 fachen Tages- und den 1 1/3 fachen Stundendurchschnitt an. In der Tabelle für die Regenwassermenge ist der Unterschied zwischen Regenmenge und Abflußmenge angegeben; einerseits wird ein Teil des Regens durch Verdunstung und Versickerung beseitigt, andererseits braucht auch das Maximalwasser, welches ein Wolkenbruck liefert, nicht sofort abgeführt zu werden, da die Kanäle meist nicht voll laufen und auf kurze Zeit als Reservoire dienen können.

In Anbetracht der gegenwärtigen Neigung in technischen und hygieinischen Kreisen, alle Kanalisationsanlagen so zu bauen, daß jederzeit das Schwemmsystem eingeführt werden kann, haben in konstruktiver Beziehung nur die Details der Schwemmkanalisation allgemeineres Interesse, die in Folgendem erläutert sind. Für die Entwässerung eines Grundstückes (s. Fig. 11 u. 12) sind folgende Anlagen erforderlich: Das Abfallrohr der Hausleitung nimmt die Abgänge aus den Koch- und Waschküchen, Klosetts, Badeeinrichtungen u. s. w. auf. Alle diese Anlagen müssen mit Wasserverschlüssen (s. d.) und nötigenfalls mit Fetttöpfen versehen sein, damit einerseits die übelriechende Luft im Rohr nicht in die Wohnräume, andererseits Fettabgänge nicht in die Leitungen gelangen können. Die Fetttöpfe sind gewöhnlich in die Leitung eingeschaltete größere Behälter aus Gußeisen (s. Fig.13) oder Steingut (s. Fig. 14, amerik. Fetttopf), welche mittels Ruhe und Abkühlung das Fett absondern. Eingehängte Eimer (s. Fig. 13) erleichtern das Herausnehmen des Fettes und der übrigen sich dort sammelnden Stoffe. Die Fetttöpfe sind gleichzeitig Schlammfänge für schwerere Stoffe. Um der in das Rohr eintretenden Luft das Entweichen zu gestatten, muß das Abfallrohr bis über das Dach geführt werden. Für die Abwässer aus Hof und Garten ist ein besonderer Schlammfang oder Gully (s. d.) anzulegen. Die Regenrohre sind an ihren Enden mit Siphons (s. d.) zu versehen, welche Unreinigkeiten, wie Sand, von dem Eintritt in die Leitung abhalten. Alle diese Anlagen münden in die Hausleitung von 10 bis 16 cm Durchmesser, welche in die Inspektionsgrube führt; in dieser befindet sich der Rückstaukasten (s. d.) zur Verhütung eines Rückstaues des Leitungswassers in die Hausleitungen. Sobald das Hauswasser die Inspektionsgrube verlassen hat, tritt es in die Straßenleitung. Entweder liegt ein einziger Kanal in der Mitte der Straße (Hamburg, s. Fig. 18 u. 19) oder zwei zu beiden Seiten (Berlin [s. Fig. 20 u. 21], Düsseldorf, Mannheim, Pest, Innsbruck, Paris). Ein einziger Kanal hat den Vorzug geringerer Kosten und leichterer Reinhaltung des größern Profils, zwei Kanäle gewähren die Möglichkeit geringerer Längen und günstigerer Gefälle für die Hausanschlüsse und Straßeneinläufe, sind jedoch erst bei Straßen von über 30 m Breite anzuwenden. Das Regenwasser der Straßen, welche dementsprechend mit Quer- und Längsgefälle versehen sein müssen, wird durch Einläufe (s. Gully) aufgenommen und in die Leitungen geführt. Für die kleinern Leitungen von 21 bis 48 cm Durchmesser werden kreisrunde, gebrannte und glasierte Thonröbren (s. Fig. 15: gerades Rohr, Fig. 16: Gabelrohr, Fig. 17: Krümmling) angewendet, für

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 86.

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