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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Karl VI. (König von Frankreich) - Karl VII. (König von Frankreich)
ein, konnte aber auf die Tauer nickt viel ansrick-
ten. Es vollzog sich im nächsten Jahrzehnt ein
vMgn Umschwung der Dinge; die tüchtigen Feld'
lierren K.s vertrieben die Engländer wieder aus säst
allen eroberten Gebieten. Auch sonst erholte sich
Frankreich von seiner Not durch weise Maßregeln K.s.
Er war ein großer Freund der Wissenschaften und der
Gelehrten, gründete Büchersammlungen, darunter
die erste in Paris, und baute das Louvre aus; er hielt
den Landfrieden ausrecht und begünstigte Handel
und Gewerbe. Doch drückte er auch das Volk durch
seine finanziellen Maßregeln und die Erhöhung
der Abgaben, sodaß wiederholt Empörungen aus-
brachen. K. starb 16. Sept. 1380. Von seiner Ge-
mahlin Iobanna von Vourbon hatte er zwei ^öhne,
seinen Nachfolger Karl VI. und Ludwig von Orleans.
- Vgl. Barthelcmy de Veauregard, Iliätoii-L äü
(^i^68 V (Par. 1843): Delisle, ^IllmIementZ äe
l'nlN'103 V (ebd. 1874); von Vojanowski, Etienne
Marcel und die Pariser Commune (in den "Preuß.
Jahrbüchern", 1880).
Karl VI., der Wahnsinnige, König von
Frankreich (1380-1422), wurde 3. Dez. 1368
zu Paris geboren. Seine Oheime, die Herzöge
Ludwig von Anjou, Johann von Verry und Phi-
lipp von Burgund, gerieten beim Tode Karls V.
sogleich in Streit über die Regentschast. Ludwig
von Anjou behauptete die Gewalt und bereicherte
sich durch Erpressungen, sodaß zu Paris, Rouen und
Ccnnpiegne 1382 furchtbare Aufstäude ausbrachen.
Nach Herstellung der Ruhe zog der junge König
an der Spitze des franz. Adels gegen die mächtigen
flandr. Städte, die das Joch ihres Grafen Lud-
wig II. abgeschüttelt und den Genter Pbilipp van
Artevelde (s. d.)zum Oberhaupt gewählt batten. Der
Sieg K.s bei Noosenbeeke Z7. Nov. 1382 gab dem
Hofe Mut, die demokratifche Bewegung in Frank-
reich vollends zu unterdrücken. Während Ludwig
von Anjou nach Neapel zog, wo ihn die Königin
Johanna zu ihren: Nachfolger erwählt hatte, rin
Philipp vcn Burgund in Paris die Gewalt an sicb
und begann einen sruchtlosen Krieg gegen England.
K., seit 1385 vermählt mit Isabeau ls. d.) von
Bayern, ermannte sich aber und erklärte der schlim-
men Herrschaft des hohen Adels gegenüber seine
Selbständigkeit (Reims 1388). Aber der neue Geist
hielt nicht lange vor; bald gelangte Ludwig von
Orleans, der Bruder K.s, zu Einfluß; er umgab
den König mit einer Menge von Kreaturen l^lÄi'-
iii0U3Lt3) und stürzte die burguud. Partei. 1393
aber brach bei K. der Wahnsinn aus. Da landete
Heinrich V. von England an der Seinemündung
und schlug 1415 das sranz. Nitterheer bei Azincourt
is. d.). Da der Herzog von Orleans gefangen war,
übernahm der Dauphin, der spätere Karl VII., die
Negierung, konnte es aber nicht hindern, daß Hein-
rich im Bunde mit der Königin Isabeau und dem
Herzog von Burgund das ganze nördl. Frankreich
eroberte. (S. Frankreich, Bd. 7, S. 86 d.) Hein-
rich V. starb im Sommer 1422, sieben Wochen nach
ihn: auch der wahnsinnige K., 21. Okt. 1422. -
Vgl. Duval-Pineu, Hi8t0ii'6 äo Isi-anco 5ou3 1e
röFN6 ä6 ciiln'163 VI (2 Bde., Par. 1842); Tu
Fresne de Veaucourt, Histoii-6 66 ^^ai^ez VII
(Bd. 1:1403-22, ebd. 1881).
Karl VII., der Siegreiche, König von
Frankreich (1422 - 61), geb. 22. Febr. 1403 zu
Paris als '^ohn Karls VI. und der Isabeau, mußie
ichon in den letzten Negicrungsjahren seines Vaters
Artikel, dir man unter K vcrm
sein Recht auf die Thronfolge mit den Waffen ver-
treten. (S.Frankreich, Bd. 7,'S. 87 a.) Nach Karls VI.
Tode stellten die Engländer den Sohn Heinrichs V.
von England, Heinrich VI., als König auf, während
sich K. zu Melun zum König erklärte, obschon er
nur die südl. Provinzen innehatte. In dem wieder-
begonnenen Kriege mit England kämpste K. ohne
Glück; 1423 bei Crevant, 1424 beiVerneuil besiegt,
mußte er die Champagne und Maine räumen und
sich hinter die Loire zurückziehen, weshalb er spöt-
tisch "König von Bourges" hieß. Erst 1426 schlug
der Graf von Dunois die Engländer bei Montargis,
allein der Feind drang 1427 bis zur Loire vor und
schloß Orleans ein. ^chon schickte sich K. an, diesen
wichtigen Platz preiszugeben und nach der Dau-
phine zurückzuweichen, als Jeanne d'Arc (s. d.) als
Retterin erschien. Auf ihren Antrieb befreite Du-
nois im Mai 1429 Orleans, dann wurde Neims ge-
nommen und K. dort 17. Juli zum König gekrönt.
Nach einem mißlungenen Versuch gegen Paris zog
er sich aber wieder unthätig nach Chinon zurück.
Jeanne d'Arc warf sich nach Compiögne und wurde
hier bei einem Ausfall gefangen. Mit Recht kann
man K. vorwerfen, daß er weder etwas zu ihrer Be-
freiung uuternahm noch ihre Errettung vom Feuer-
tode vcrfuchte. Nach der Einnahme von Chartres
iI432) bracbte der Connetablc Richemont eine Aus-
söhnung K.s mit Philipp dem Gütigen von Bur-
guud zu stände, die durch den Frieden von Arras
im Sept. 1435 besiegelt wurde. Durch den Tod
Bedfords erlitten die Engländer einen schweren
Verlust, während K., wie man berichtet, von seiner
Geliebten Agnes Sorel (s. d.) angefeuert, größere
Energie zeigte. Er nahm persönlich Montereau^uno
hielt 12. Nov. 1437 seinen Einzug in Paris. Seit-
dem wurde der Krieg von den erschöpften Gegnern
nur lässig geführt. Die Franzosen nahmen allmäh-
lich alle Festungen außer Calais; im Juli 1452
wurden die Engländer bei Castillon besiegt. Ohne
förmlichen Friedensschluß war der 100jährige Krieg
hiermit beendigt. Auch die innere Lage Frankreichs
erfuhr in den letzten Jahrzehnten K.s eine durch-
greifende und wohlthätige Veränderung. Durch die
Ordonnanzen vom 2. Nov. 1439 legte er den Grund
zu einer modernen Neuordnuug der Verwaltung,
durcb die eine bessere Art der Besteuerung erreicht
und für die Besoldung eines stehenden Heers nutz-
dar gemacbt wurde ls. Ordonnanzcompagnien). Es
war das Verdienst des finanziellen Beraters K.s,
Jacques Coeur (s. d.), daß nnn an Stelle willkür-
licher Vrandschatzungen der Söldnerführer eine all-
gemeine Steuer ^iiie) von den königl. Beamten
erhoben wurde; dadurch wurde auch die verderbliche
Feudalmacht der Vasallen beschränkt. Auch von der
furchtbaren Plage der Söldnerbandcn (öcoi-cliLui-?)
wurde das Land befreit, indem K. die sog. Ar-
magnaken (s^d.) dem deutschen Kaiser Friedrich III.
gegen die schweizer zu Hilfe schickte, wobei sie
großenteils ausgcrieben wurden. Die Rechtspflege
wnrde durch K. besser geordnet; die alten Freiheiten
der Gallikanischen Kirche wurden durch die "Prag-
matische Sanktion^ von 1433 auss neue dein päpstl.
Stuhle gegenüber gewahrt. Den Lebensabend K.s
trübten die Anschläge seines Sohnes, des spätern
Ludwig XI., von dem er vergiftet zu werden fürchtete.
Er enthielt sich, wie man behauptete, darum längere
Zeit des Essens und soll so seinen Tod (22. Juli
1461) herbeigeführt haben. - Vgl. Vallet de Viri-
ville, Ilistoiie <1ü cd^oä VII (3 Bde., Par. 1802
ißt, find unter (5 aufzusuchen.