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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kartenprojektion
Fig. ^
Neben zahlreichen andern Kartenentwurfsarten,
die nur durch streng mathem. Entwicklungen ab-
geleitet werden können, ist weiterhin eine Gruppe
von ganz besonderer Bedeutung, nämlich diejenige
der Karten auf abwickelbaren Flächen. Denkt
man sich an einen beliebigen Kugelkreis einen Ve-
rührungskegel (auf beistehender Fig. 3 von o aus)
angelegt, auf dessen Mantel das Bild der Kugel
irgendwie projiziert wird, dann die Mantelstäche
längs einer Mantellinie aufgeschnitten und in die
Ebene ausgebreitet, was ohne Verzerrung möglich
ist, so hat das auf diese Weise gewonnene Karten-
bild mit der Kugel den ursprünglichen Berührungs-
kreis völlig gemein, die genaue Übereinstimmung
zwischen Karte und Urbild erstreckt sich also über
einen viel größern Raum als bei den perspektivischen
Abbildungen. Als Berührungskreis wählt man zu-
meist einen Breitenkreis (kk in 50° nördl. Br. in
beistehender Fig. 3). Es
giebt eine größere An-
zahl solcher Kegelpro-
jektionen, die in un-
lern Atlanten für nicht
zu ausgedehnte Länder-
karten gern benutzt wer-
den; die Meridiane ver-
laufen bei ihnen als ra-
diale Grade, von deren
Schnittpunkt aus die
Breitenkreise als konzen-
trische Kreise gezogen
sind (Fig.4: Gewöhnliche
IwahresK., und Fig. 5:
Konforme K., durch Projektion auf einen Schnitt-
kegel, der zwei Breitenkreise mit der Kugel gemein-
sam hat). Wird der Verührungskreis ein Kugel-
hauptkreis bez. der Äquator, so geht der Verührungs-
kegel in einen Cylinder über, und man erhält
Plattkarten oder Cylinderprojektionen
mit einem geradlinigen und rechtwinkligen Gradnetz
(Fig. 6). Die bekannteste Cylinderprojektion ist die
von Mercator 1569 gegebene winkeltreue Projek-
tion, die viel zu Physik. Erdkarten verwendet wird
und in der Schiffahrt zu hohem Ansehen und all-
gemeiner Benutzung gelangt ist, weil sie gestattet, den
Schiffskurs zwischen zwei Orten einfach als gerade
Linie (s. Lorodromische Linie) einzuzeichnen (Fig. 7).
Von sonstigen Projektionen mögen noch er-
wähnt werden die für Planigloben geeignete äqua-
toriale Globularprojektion (Fig. 9), bei der
Äquator, Mittelmeridian und Umfangskreis in
gleiche Teile geteilt und die Gradnetzlinien als
Kreise durch je drei dieser Teilpunkte gezogen sind;
dann die neuerdings sür Asien vorgeschlagene Lam-
bertsche slächentreue Azimutalprojektion,
die die Azimute, d. h. die Winkel der Nordsüdlinie
mit den Strahlen vom Kartenmittelpunkt nach allen
Richtungen unverändert wiedergiebt; die zunächst
sür Afrika verwendete Sanson-Flamsteedsche
Projektion (Fig. 10) mit geradlinigen parallelen
Breitenkreisen in richtigem Abstand und Meridia-
nen, die alle Vreitenlinien ebenfalls in richtigen
Abständen schneiden, sodaß die Karte äquivalent
wird; Babinets homalographische oder die
Mollweidesche äquivalente (Fig. 11), bei der
die Parallelkreise in der Höhe der Kugelzonen ent-
sprechenden Entfernungen als Gerade gezogen und
in gleiche Teile geteilt sind, wodurch die Meridiau-
ellipsen bestimmt werden; ferner die unsere Atlanten
für Erdteil- und Länderkarten nnt Unrecht fast ganz
beherrschende Vonnesche Projektion (Fig. 8),
die sich von den Sansonschen nur dadurch unter-
scheidet, daß die Breitenlinien konzentrische Kreise
sind. Endlich soll noch derPolyedcrprojektion
gedacht sein, die darauf verzichtet, große Gebiete
in eine Ebene abzubilden, die dagegen einzelne
Gradtrapeze der Kugeloberfläche oder Teile der-
selben derart wiedergiebt, daß jedes derselben in
den Längen seiner Umfangslinien mit den Origi-
nallängen übereinstimmt. An Stelle der Kugel
tritt hiernach ein polyedrischer Körper, dessen
Flächen in eine Ebene ausgebreitet nicht ohne
Zwischenräume aneinander gelegt werden können.
Diese Art des Entwurss von Gradtrapezkarten ist
neuerdings für die Meßtischblätter und topogr. Kar-
ten zahlreicher Staaten zur Verwendung gelangt
und giebt bei Maßstäben von 1:25000 bis 1:100000
nur ein Minimum von Verzerrung, wobei Längen-,
Winkel- und Flächenänderungen als verschwindend
klein angesehen werden können, sodaß solche Karten
als zuverlässigste Mittel für alle geogr. Messungen
verwendbar sind.
Wie schon ausgeführt wurde, sind Winkel-, Flä-
chen- und Mittelabstandstreue unvereinbar. Diese
Erkenntnis hat Tissot zum Studium der Frage
geführt, bei welcher flächentreuen Projektion eines
gegebenen Gebietes die größte auf der Karte vor-
kommende Winkelverzerrung möglichst klein sei, und
welches überhaupt für einen gegebenen Landumrih
die Karten mit denkbar geringsten Verzerrungen
seien. Die mathem. Untersuchung dieser Frage
führte zu folgenden Sätzen: Auf der Kugelober-
fläche sind an "jedem Punkte zwei aufeinander senk-
rechte Richtungen vorhanden, die auch auf der Ab-
bildung senkrecht zueinander bleiben; die Verzerrung
bei der Abbildung besteht nun darin, daß ein auf
der Kugel um jeden Punkt gelegter kleiner Kreis
auf der Karte als Ellipse, Indikatrir, abgebildet
wird, deren Hauptachsen die verlängerten oder ver-
kürzten Abbildungen jener unverändert senkrechten
Durchmesser sind. Die Größe des Verhältnisses
dieser Ellipsenachsen bestimmt die Art und Größe
der Verzerrung, und hiernach war Tissot im stände,
für jede Aufgabe der Kartographie die möglichst
zweckmäßige Entwurssart anzugeben. Er lenkte da-
durch die K. in ganz neue Bahnen.
Litteratur. Über die Geschichte der K. giebt
trefflich Auskunft: D'Avezac, Oonp ä'wii Ki3to-
riqu6 8ur 1a. pi-o^sction äs3 cartsZ äs Fso^i'kpliis
(im "VuNstin ä6 1a. socists äs (^soZi-ap^is äs
?in'i8", 1883, auch feparat erschienen). Neuere
Hand- und Lehrbücher zur K. sind das ganz elemen-
tare von A. Steinhauser, Grundzüge der mathem.
Geographie und Landkartenprojektion (3. Aufl.,
Wien 1887); ferner Gretschel, Lehrbuch derK. (Weim.
1873); Fiorini, I^s pro^ioni äsUs eai-ts 360-
^ratieks (Bologna 1881); Tissot, Nsiuoirs 8nr 1a
r6pr636Qt3.ti0n äs8 8urtÄC68 6t Is8 pr0^scti0N8 ä68
03,I't68 Z603lHp1ii<1U68 ^gr Ißgi - deutsch von E.
Kammer, Stuttg. 1887); Iöppritz, Leitsaden der
Kartenentwurfslehre (Lpz. 1884); Herz, Lehrbuch
der Landkartenprojektionen (ebd. 1885); Hammer,
Die geographisch wichtigsten K. (Stuttg. 1889);
Breusing, Das Verebnen der Kugeloberfläche sür
Gradnetzentwürfe (Lpz. 1892). - Vgl. auch Gün-
thers Berichte über die Fortschritte der Kartenpro-
jektionslehre im "Geographischen Jahrbuch" (Gotha
1882 fg.).
Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.