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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kaulbars

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Kaulbars (Alexander, Baron von)

Düsseldorf, wo er unter der Leitung von Cornelius seine Studien begann. In diese Zeit fallen vorzugsweise gezeichnete Kompositionen, deren bedeutendste, das Irrenhaus und die Blätter zum «Verbrecher aus verlorener Ehre», erst in München zur Vollendung kamen. 1826 folgte er, in den ärmlichsten Verhältnissen lebend, seinem schon 1825 nach München übergesiedelten Meister nach und sah sich in der Hoffnung nicht getäuscht, dort leichter als in Düsseldorf Aufträge Zu erhalten. Er bewies auch sofort seine unter den Mitschülern hervorragende Stellung durch die allegorischen Figuren der Bavaria, der Donau und Isar, des Rhein und Main in den Arkaden des Hofgartens und durch eins der drei Deckengemälde im Odeon, Apollo unter den Musen darstellend. Wie diese, so zeigten auch die bald darauf gemalten 16 Wandbilder zur Fabel von Amor und Psyche im Palast des Herzogs Max in München wie die Scenen aus Klopstocks, Goethes und Wielands Gedichten im neuen Königsbau der Residenz einen Schönheitssinn, der sich zu der herben Weise seines Meisters in Gegensatz stellte. Inzwischen entwarf er eine Hunnenschlacht, die Graf Raczynski 1837 bestellte und, nachdem das Bild erst braun in braun untermalt war, unter Verzicht auf die farbige Ausführung seiner Berliner Galerie einverleibte.

Die allgemeine Anerkennung des schwungvollen Werkes veranlaßte den Künstler zur sofortigen Inangriffnahme eines zweiten, ähnlichen Umfanges, der Zerstörung Jerusalems. Die Ausführung desselben zog sich jedoch von 1837 an fast ein Jahrzehnt hin. Denn inzwischen (1839) war der Künstler nach Italien gegangen, hauptsächlich um koloristische Studien zu machen, und hatte nach seiner Rückkehr die Arbeit durch eine Anzahl kleinerer Werke unterbrochen. Von diesen ragen hervor: Anakreon mit der Geliebten (Villa Rosenstein bei Stuttgart), Goethes fünfte röm. Elegie (Museum zu Budapest), Bildnisse des Königs Ludwig I. und der im Kostüm eines Münchener Künstlermaskenfestes dargestellten Maler Monten und Heinlein (Neue Pinakothek in München). Seine höchste Leistung dieser Zeit aber sind die Zeichnungen zu «Reineke Fuchs» nach Goethe, in welcher er seinem satir. Humor in der reizendsten Form die Zügel schießen ließ.

Die Zerstörung Jerusalems, für die Fürstin Radziwill begonnen, aber für König Ludwig I. vollendet (1846; Neue Pinakothek; gestochen von Merz), hatte zu einem Cyklus von sechs großen Wandgemälden für das Treppenhaus des Neuen Museums zu Berlin die Anregung gegeben, deren Gegenstand die wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte sein sollten. So entstand 1847–63 die berühmte Folge, welche unter Einfügung der beiden schon bestehenden Kompositionen den Turmbau von Babel, die Blüte Griechenlands, die Zerstörung Jerusalems (Detail s. Tafel: Deutsche Kunst VIII, Fig. 1), die Hunnenschlacht, den Einzug der Kreuzfahrer in Jerusalem und das Zeitalter der Reformation zum Gegenstande haben. Diese großen Gemälde werden durch breite, pilasterartige Flächen voneinander getrennt, welche in ihrer obern Hälfte allegorische Figuren der Hauptkulturländer, in ihrer untern aber vier Gesetzgeber (Moses, Solon, Karl d. Gr. und Friedrich d. Gr.) darstellen und deren Inhalt sich in dem beiderseitigen Grisaillenrahmen entsprechend ergänzt. Besonders geschätzt nach Form und Inhalt ist sodann der Fries oberhalb der Wandflächen, welcher in laufendem Arabeskenzuge Kindergestalten zeigt, in deren Spiel sich die ganze Weltgeschichte heiter-parodistisch abspiegelt. Zum Abschluß des Ganzen gehören außerdem acht allegorische Figuren der Wissenschaften und Künste. Bei der Riesenarbeit wurde der Meister von M. Echter und J. Muhr unterstützt.

Für München hatte K. während dieser Zeit ebenfalls eine bedeutende monumentale Arbeit übernommen: einen Cyklus von Freskogemälden an den Außenwänden der Neuen Pinakothek, darstellend die Entwicklung der neuern Kunst seit dem Wiederaufblühen zu Anfang des 19. Jahrh. K. hat hier nicht unterlassen können, in diesen Darstellungen, in denen er selbst mitspielt, den ihm fast zur andern Natur gewordenen Sarkasmus walten zu lassen. Für das Maximilianeum malte K. in kolossaler Ausdehnung in Öl die Seeschlacht bei Salamis nach einem 1890 für die Nationalgalerie zu Berlin angekauften Kartongemälde und einer jetzt in der Stuttgarter Galerie befindlichen Farbenskizze. Aus dem J. 1859 stammt dann das Wandgemälde Kaiser Otto III. in der Gruft Karls d. Gr. zu Aachen, in der Kartäuserkirche des Germanischen Museums zu Nürnberg.

Das letzte Jahrzehnt seines unermüdlichen Lebens ließ nur einige Gemälde entstehen. So die schöne Caritas (bei Mr. Probasco in Boston), das Tandaradei nach Walter von der Vogelweide, die Grisaille Peter Arbues, mit welcher er die Heiligsprechung des blinden Inquisitors beantwortete, und endlich das große Kartongemälde Nero. Mit entschiedener Vorliebe arbeitete er damals an Kohlezeichnungen, von welchen er die Illustrationen zu Shakespeare (gestochen von C. Eichens, A. Hoffmann, L. Jacoby, E. E. Schäfer und K. von Gonzenbach) schon 1850 begonnen hatte und welchen er die von einem seltenen Erfolg gekrönten Frauengestalten Goethes und die Schiller-Galerie folgen ließ. Aus seinen letzten Jahren stammen die Kohlezeichnungen des heil. deutschen Michael und des Totentanzes, bei welchem letztern einmal Napoleon I., dann Alex. von Humboldt, der Papst die Hauptfigur bilden. – Von Haus aus mit starkem Sinn für das Charakteristische und zugleich für das gefällig Schöne ausgestattet, schwankt K.s Stil zwischen beiden Elementen. Er verliert sich dabei in das Extrem des einen, die Karikatur, und zugleich in das entgegengesetzte, die leere Grazie; selten nur hat er eine Einheit beider Richtungen erzielt. In seinen großen histor. Kompositionen verfällt er zu sehr ins Symbolisieren; andererseits beobachtet man bei ihm eine allmähliche Erschlaffung des Formgefühls, welche den spätern Werken im Vergleich zu den bedeutend charakteristischern der frühern Zeit etwas Konventionelles giebt. K., seit 1837 königlich bayr. Hofmaler, seit 1849 Direktor der Münchener Akademie, war Mitglied aller bedeutenden Kunstanstalten, wurde geadelt und mit Anerkennung und Ehren überhäuft. Er starb 7. April 1874 in München an der Cholera. – Vgl. seine Biographie von H. Müller (Bd. 1, Berl. 1893); über sein Verhältnis zur modernen Kunst: Muther, Geschichte der Malerei im 19. Jahrh. (Münch. 1893).

Kaulbars, Alexander, Baron von, russ. Reisender, geb. 1844 in Petersburg, Bruder von Nikolaj K., machte 1869–72 Aufnahmen im Thianschan, wurde als Stabsoffizier nach Kaschgar abgesandt, um mit Jakub Beg in Unterhandlungen zu treten,

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