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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kleidung
ben diesem Hauptzweck kommen bei der K. auch noch
gewisse sittliche und ästhetische Interessen in Betracht
(s. Kostüm). Die Hauptaufgabe der K. besteht darin,
daß sie die von unserer Körperoberfläche abgegebene
Wärme aufnimmt, an ihrer Oberfläche sortleitet
und hier durch Strahlung oder Verdunstung an die
kühlere Umgebung abgiebt.
Das Vermögen der K., die Körperwärme zurück-
zuhalten, wird im wesentlichen durch die Form und
die Beschaffenheit der einzelnen Kleidungsstoffe, aus
welchen sie sich zusammensetzt, bestimmt. Was zu-
nächst das Ausstrahlungsvermögen der Klei-
dungsstoffe anlangt, so haben die Versuche von
Krieger das Resultat ergeben, daß Wolle, Wasch-
leder, Seide, Baumwolle und Leinwand für dunkle
Wärmestrahlen sich hinsichtlich ihres Ausstrahlungs-
vermögens nicht wesentlich unterscheiden und auch sür
leuchtende Wärmestrahlen nur unerhebliche Unter-
schiede darbieten, vorausgesetzt, daß die betreffenden
Kleidungsstoffe von gleicher Farbe sind. Für weiße
oder überhaupt gleichfarbige Zeuge gelten nämlich
bezüglich ihres Äusstrahlungsvermögens folgende
Verhältniszahlen: Baumwolle 100, Leinen 98,' Fla-
nell 102, Seidenzeug 108. Verschieden gefärbte
Feuge reagieren im Gegensatz hierzu gegen leuch-
tende Wärmestrahlen sehr verschieden; so ergaben
die Versuche mit verschieden gefärbtem Schirting
folgende Verhältniszahlen: Weiß 100, Blahgelb
102, Dunkelgelb 140, Hellgrün 155, Türkischrot 165,
Dunkelgrün 168, Hellblau 198, Schwarz 208. Be-
merkenswert erscheint hierbei, daß leuchtende Wärme-
strahlen von jeder Farbe um vieles besser als von
Weiß ausgenommen werden, und daß Hellblau dem
Schwarz fast gleichwertig ist. Der Wärmeverlust
durch Strahlung eines Kleidungsstoffs steht in
engster Beziehung zum Wärmeleitungsver-
mögen des letztern; ^e schlechter ein Stoff die
Wärme leitet, desto weniger kann auch von letzterer
an der Oberfläche durch Strahlung verloren gehen.
Eingehende Versuche haben nun aber gelehrt, daß
auch das Leitungsvermögen der einzelnen Kleidungs-
stosse an und für sich keine erheblichen Verschieden-
heiten darbietet: so beträgt die Behinderung der
Wänneleitung nach Krieger bei dünnem Seiden-
zeug 3, bei Guttapercha 4, bei Schirting und seiner
Leinwand 5, bei dickerm Seidenzeug 6, bei stärkerer
Leinwand 9, bei Waschleder 10-12, bei Flanell 14,
bei Sommerbuckskin 12, bei Winterbuckskin 12-26,
bei Doppelstoff 25-31 Proz. Es hat sich hierbei
herausgestellt, daß es hinsichtlich dsr Wärmeleitung
nicht sowohl auf die Substanz und das Gewicht,
als vielmehr auf die Form und das Volumen (die
Dicke) des betreffenden Stoffs ankommt. Je größer
das letztere ist, je mehr Luft der Kleidungsstoff in
sich einschließt, desto mehr wird die Leitung der
Wärme gehemmt, desto wärmer kleidet der Stoff.
Hinsichtlich der Durch gängigkeit der Zeuge
sür Luft ergaben die Versuche, daß, wenn die Durch-
gängigkeit des luftigsten, nämlich des Flanells, gleich
100 gesetzt wird, dieselbe unter sonst gleichen Ver-
hältnissen für mittelfeine Leinwand 58, für Seiden-
zeug 40, für Buckfkin 58, für Sämifches Leder 51,
für Glaceleder nur 1 beträgt. Für unser Wohl-
befinden ist ein gewisser Luftwechsel in unsern
Unterkleidern von großem Belang; luftdichte Klei-
der, wie Gummi-Regenmäntel, können uns zwar
für Ausnahmefälle, bei Nässe, Kälte und heftigem
Wind, gute Dienste leisten, werden uns aber unter
gewöhnlichen Verhältnissen durch die Unterdrückung
Artifcl, die man unter K verm
der Ventilation und der Ausdünstung bald uner-
träglich. Aufgabe der K. ist es, die Luftbewegung
an unferer Hautoberfläche derart zu mähigen und
zu regeln, daß unfere Hautnerven keine Empfindung
mehr von derselben erlangen, was schon bei einer Ge-
schwindigkeit von 1^/2 bis 2 Fuß in der Sekunde der
Fall ist, und daß die Luft bei ihrem Vorbeiziehen
an der Körperoberfläche genügend Zeit findet, sich
gehörig zu erwärmen, sodcch auch keine Frostempfin-
dung aufkommen kann. Bei zweckmäßiger Bekleidung
erreicht die Luft innerhalb unserer Kleider trotz der
vorhandenen Lustbewegung eme Temperatur von
24 bis 30° 0., einen Wärmegrad, bei welchem wir
uns wohl und behaglich fühlen.
Einen großen Einfluß auf die Wärmeabgabe von
der Haut besitzt das hygroskopische Verhalten
der Kleidungsstoffe, ihre Fähigkeit, Wasser aus der
Luft oder aus der wässerigen Hautausdünstung auf-
zunehmen und zurückzuhalten. Auch in dieser Be-
ziehung bieten die einzelnen Stoffe bemerkenswerte
Verschiedenheiten dar. Beim Maximum hat Schaf-
wolle (Flanell) 175, Leinwand nur 110, beim Mi-
nimum erstere 75, letztere 41 Promille Wasser hy-
groskopisch gebunden. Noch wichtiger ist, daß die
Leinwand unter sonst gleichen Verhältnissen ihr
hygroskopisch aufgesaugtes Wasser sehr viel rascher
wieder verliert als der Flanell. Die Leinwand
giebt allen Veränderungen der Feuchtigkeit schneller
nach als die Wolle, und der Trocknungsprozeh ist
bei der letztern ein viel gleichmäßigerer als bei der
erstem. Dieses verschiedene Verhalten ist nun aber
von sehr großer hygieinischer Bedeutung. Bekannt-
lich wird bei der Verdunstung von Wasser der feuch-
ten Fläche, an welcher sie stattfindet, also im vor-
liegenden Falle unserer Haut, eine beträchtliche
Wärmemenge entzogen. Es ist aber zur Verhütung
von Erkältungskrankheiten wesentlich, daß dieser
Wärmeverlust der Haut bei dem Trocknen von feuch-
ten Kleidungsstücken sich langsam vollziehe. Dazu
kommt, daß die verschiedenen Kleiderstoffe bei ihrer
Durchnässung sich sehr verschieden hinsichtlich ihrer
Durchlässigkeit für Luft verhalten; denn während
Leinwand, Baumwolle und Seide sehr bald durch
Benetzen luftdicht werden und dadurch die für
unser Wohlbefinden so nötige Ventilation und Aus-
dünstung hindern, verliert die Schafwolle dabei
ihren Luftgchalt fast niemals ganz oder doch erst
nach sehr langer Einwirkung beständiger Venetzung.
Auch die Farbe der Aleidungsstoffe ist nicht
ohne Einfluß auf unfer körperliches Wohlbefinden,
insofern dunkle, zumal schwarze Stoffe Lichtstrahlen
besser absorbieren und deshalb wärmer halten als
hellfarbige. Schwarze Stoffe absorbieren mehr als
das Doppelte an Lichtstrahlen als weiße, welche
einen großen Teil der Lichtstrahlen wieder zurück-
werfen; deshalb empfinden wir die Sonnenstrahlen
viel intensiver auf unferer Haut, wenn wir schwarz,
als wenn wir weih gekleidet sind. Ebenso übt die
Farbe einen gewissen Einfluß in betreff der Ab-
sorptionsfähigkeit der K. für Gafe und Riechstoffe
aus, indem schwarze und dunkle Stoffe am reich-
lichsten flüchtige riechende Substanzen aufsaugen
und auch am hartnäckigsten festhalten, weiße Stoffe
dagegen am schwächsten absorbieren.
Die K. kann aber auch unter gewissen Umständen
nachteilig wirken und Anlaß zu mancherlei Ge-
sundheitsstörungengeben. Zunächst kann durch
eine unzweckmäßige Wahl der Stosse geschadet wer-
den, insofern dadurch der Körper im ganzen oder
ißt, sind nnter C anfznsuchcn.