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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kollegianten - Kollektivvollmacht

torialsystem (s. d.) im Fürsten; den Übergang des Kirchenregiments auf letztern vermochte das K. nur durch eine fiktive Übertragung seitens der Gemeinde zu begründen. Dem Staate weist das K. nur die Oberaufsicht zu. Das K. wurde theoretisch im 18. Jahrh. vertreten und fand die lebhafte Unterstützung des Pietismus (Spener); eine allgemeinere Bedeutung für die Gestaltung der Kirchenverfassung hat das K. erst im 19. Jahrh. gefunden, wo es, unterstützt durch andere bedeutsame Momente, zur Gestaltung der Synodalverfassung (s. d.) in Deutschland führte. – Vgl. Pfaff, De origine juris ecclesiastici (Tüb. 1719; 4. Ausg., Ulm 1758).

Das K. in der Staatsverwaltung ist der Gegensatz zum Bureausystem (s. Bureau).

Kollegianten, Partei der Arminianer (s. d.), welche die Grundsätze der Independenten angenommen hatte. Ihre Stifter waren die drei Brüder van der Codde zu Leiden, die nach der Dordrechter Synode die zerstreuten Glaubensgenossen zu Warmond, in der Nähe von Leiden, später zu Rhynsburg (daher auch Rhynsburger genannt) sammelten. Sie verwarfen das geistliche Amt, ließen in ihren Versammlungen oder Collegia (woher der Name) Predigt und Sakrament durch Laien verwalten und tauften nur Erwachsene durch Untertauchen. Zu Ende des 18. Jahrh. erlosch diese Sekte.

Kollegiāten (lat.), Stiftsgenossen, Mitglieder eines Stifts (s. d.).

Kollegiātstift, ein Kollegium von mehrern Chorherren (Kanonikern) mit einem Propst oder Dekan als Vorsteher. Nach dem Vorbilde des Klerus an den Kathedralen vereinigte sich in größern Städten auch die bloße Pfarrgeistlichkeit zu gemeinschaftlichem Leben nach den kanonischen Regeln (vita canonica), woraus die K. hervorgingen. Sie haben in der heutigen Kirchenverfassung so gut wie gar keine Bedeutung mehr; in Preußen besteht noch ein K. in Aachen.

Kollegĭum (lat.), bei den Römern die Gesamtheit mehrerer Personen, welche gleiches Amt oder gleicher Beruf verband, wie der Konsuln, Prätoren, Tribunen; ebenso Bezeichnung für gewisse vom Staat anerkannte und beaufsichtigte Korporationen, insbesondere Kultusgemeinden, Innungen, Zünfte, Begräbnis- und Unterstützungsvereine. Gegenwärtig bezeichnet man mit K. besonders Anstalten für Schul- und Unterrichtszwecke (s. College, Collège und Collegium Germanicum), akademische Gebäude sowie die Vorlesungen auf Universitäten, die teils öffentlich oder unentgeltlich sind (collegium publicum), teils von den Zuhörern bezahlt werden (collegium privatum), teils nur, bezahlt oder unbezahlt, für einen oder wenige gehalten werden (collegium privatissimum). Im heutigen Verfassungsrechte bezeichnet K. eine aus mehrern Personen zusammengesetzte Gerichts- oder Verwaltungsstelle, deren Beschlüsse nach gemeinschaftlicher Beratung mittels Stimmenmehrheit gefaßt werden. (S. Bureau.)

Kollektanĕen (lat. collectanea), Lesefrüchte, Sammlungen von Auszügen aus Schriftstellern.

Kollekte (lat.), Sammlung, nämlich eine solche von freiwilligen Gaben zu milden Zwecken, die entweder von Haus zu Haus (Hauskollekte) oder durch die an die Kirchthüren gestellten Becken (Kirchen- oder Beckenkollekte) erfolgt. Neue K. anzuordnen, bedarf es eines Beschlusses der Gemeinde (oder auch der höhern Synodalorgane), der Genehmigung des Kirchenregiments und allgemein auch der polizeilichen Genehmigung der kompetenten Staatsorgane. Ferner heißt schon in der alten Kirche das Altargebet, das der Bischof am Schlusse der von dem Diakon und der Gemeinde verrichteten Gebete sprach, gleichsam als deren Sammlung oder Zusammenfassung, K. Noch gegenwärtig bezeichnet K. in der kath. und prot. Kirche ein kurzes Gebet, das der Priester bei der Liturgie am Altar vor der Schriftverlesung spricht oder absingt.

Kollekteur, s. Collecteur.

Kollektieren (frz.), (milde Gaben) sammeln, eine Kollekte (s. d.) veranstalten.

Kollektion (lat.), Sammlung.

Kollektīv (lat.), zusammenfassend, gemeinschaftlich, unter einem Begriff vereinigend.

Kollektīvadresse, s. Adresse.

Kollektīvgesellschaft (frz. société en nom collectif). Eine K. ist nach dem Schweizer Obligationenrecht vorhanden, wenn zwei oder mehrere Personen, ohne ihre Haftbarkeit zu beschränken (wie die Kommanditgesellschaft, die Aktiengesellschaft, die Genossenschaft), unter einer gemeinsamen Firma ein Handels-, Fabrikationsgeschäft oder ein anderes nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreiben. Sie entspricht der Offenen Handelsgesellschaft (s. d.) des Deutschen Handelsgesetzbuches, die zuweilen auch als K. bezeichnet wird, namentlich da, wo früher die franz. Gesetzgebung galt.

Kollektīvglas, Kollektivlinse, soviel wie Sammellinse (s. Linse, optisch).

Kollektivismus, eine in neuerer Zeit üblich gewordene Bezeichnung für dasjenige socialistische System, welches die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, d. h. an Boden und Kapital, anstrebt; die produzierende Gemeinschaft soll an Stelle einzelner Privater das Eigentum an den Produktionsmitteln haben, und der Produktionsertrag wird an die Mitglieder der Gemeinschaft verteilt. (S. Socialismus.)

Kollektīvkonten, s. Hauptbuch und Kontokorrentbuch.

Kollektīvnote, s. Noten (diplomatische).

Kollektīvprokura, s. Kollektivvollmacht.

Kollektīvreisender, s. Handlungsreisender.

Kollektīvstimme, s. Kuriatstimme.

Kollektīvum (lat. nomen collectivum), s. Nomen.

Kollektīvvollmacht, Kollektivprokura, eine mehrern Personen zusammen erteilte Vollmacht oder Prokura. Sie hat die Wirkung, daß die Bevollmächtigten oder Prokuristen den Geschäftsherrn nur gemeinsam zu vertreten befugt sind, sodaß der einzelne Bevollmächtigte (Prokurist), wenn er für sich allein handelt, den Geschäftsherrn nicht verpflichtet. Nach Art. 44 des Deutschen Handelsgesetzbuches hat bei einer Kollektivprokura jeder Prokurist der mit dem die Prokura andeutenden Zusatz versehenen Firmenzeichnung seinen Namen beizufügen. Doch ist dies nur Ordnungsvorschrift, deren Außerachtlassung den thatsächlich von den Kollektivprokuristen gemeinsam vorgenommenen Akt nicht ungültig macht. Auch bleibt die Handlung wirksam, wenn die Kollektivvertreter nacheinander die sachlich übereinstimmende Erklärung abgegeben, oder wenn einer derselben stillschweigend zugestimmt hat, sofern nicht schriftliche Erklärung für den Akt gesetzlich erforderlich ist. Ähnlich kann den mehrern geschäftsführenden Gesellschaftern einer Offenen Handelsgesellschaft (s. d.) die Kollektivvertretung auferlegt und dies durch Eintrag in das Handelsregister Dritten gegenüber wirksam gemacht sein. Bei einer

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