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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Konsul (in der Neuzeit)
ihrer Freunde aufs Kapitol, brachten ein feierliches
Opfer und leisteten dann den Amtseid. Starb einK.
während feiner Amtszeit oder dankte er ab, fo ward
ein neuer erwählt (c0Q8u1 8uis6ctu8, 8udroZktu8).
Die Machtbefugnisse jedes der beiden K. waren
ursprünglich, abgesehen von manchen religiösen
Rechten und Obliegenheiten, die der alten Könige.
Beschränkt wurde aber ihre Gewalt, von der Iährig-
keit ihres Amtes und der Verantwortlichkeit nach
dem Ablauf abgesehen, von vornherein durch den
aus der absoluten Gleichstellung hervorgehenden
Nechtssatz, daß das Gebot des einen K. nur galt,
wenn der andere nicht sein Verbot dagegen setzte,
bald auch durch die bei wichtigern Beschlüssen (auch
bei Todesurteilen) erforderliche Zustimmung des
Senats oder Volks und durch die Intercessions-
bcfugnis der Tribunen (s. d.). Ferner wurde 443 den
K. durch Einsetzung der Censoren (s. d.) die Ober-
leitung der Finanzen und die Sittenaufsicht, 366
v. Chr. durch Errichtung der Prä'tur (s. oben) das
ständige Oberrichteramt im Civilprozeh entzogen;
es vervlieb ihnen indessen die Vertretung des röm.
Volks nach innen und außen, die Berufung und
oberste Leitung des Senats und der Volksversamm-
lungen, die Oberaufsicht und die Exekutivgewalt.
Kraft des militär. Imperiums hatten sie die Aus-
hebung des Heers vorzunehmen, den Oberbefehl zu
führen und die Militärgerichtsbarkeit zu handhaben.
Um unnötige Konflikte zu vermeiden, teilten die K.
in der Regel ihre Geschäfte. Waren sie zusammen,
so wechselte die Oberleitung in der Stadt gewöhnlich
monatlich, im Felde täglich. Gegen das Ende des
Freistaates wurde außerdem jedem K., nachdem sie
ihr Jahr in Rom regiert hatten, meist eine Provinz
zugewiesen, in der sie als Statthalter (Prokonsuln,
s. d.) in ihrem Amte weiter fungierten.
Als Ehrenvorrechte derK. sind zu erwähnen: die
Bezeichnung der Jahre mit ihrem Namen (sodaß
die röm. Zeitrechnung an die ?a.8ti c0N8u1ai-68,
d. h. das chronol. Verzeichnis der K., geknüpft ist),
der kurulische Sessel und die to^a. praetßxta, die
Begleitung von 12 Liktoren und die Ehrfurchtsbe-
zeigungen durch Ausweichen des Volks, Absteigen
der entgegenkommenden Reiter, Senken der Ruten-
bündel liH8c68), wenn ihnen andere Magistrate mit
ihren Liktorcn begegneten. Doch gingen in älterer
Zeit und wieder unter den Kaisern immer nur einem
K. die Liktoren mit den Fasces voraus, und zwar
demjenigen, der gerade den Vorrang hatte (con8n1
in^'oi-). In Zeiten höchster Gefahr wurden den K.
zuweilen durch einen außerordentlichen Senatsbe-
schluß: Viäeant c0N8ui68) H6 huiä r68pud1ic^ äktri-
in6ini cHpikt (die K. mögen zufehen, daß der Staat
keinen Schaden leide), die uneingeschränkteste Ne-
gierungsgewalt übertragen. Die K. führten, nach-
dem sie von ihrem Amte zurückgetreten waren, für
immer den Titel Consulares und hatten einen
entsprechenden Platz im Senat.
In der Kaiserzeit dauerte das Konsulat fort
und galt äußerlich als höchste amtliche Würde, ob-
wohl bei Beschränkung der Geschäfte auf den Vor-
sitz im Senat, auf Jurisdiktion und Veranstaltung
von Spielen nur ein Schatten der alten Macht
übrigblieb. Es ward nun üblich, daß der Senat
nach den zwei ersten K. (ordinarii) regelmäßig noch
andere (8un"6cti) wählte, sodaß in einem Jahre
nunmehr gewöhnlich zuerst zwei, später drei, ja
sechs Konsulpaare fungierten. Auch die bloßen In-
signien der K. wurden von den Kaisern an Titu-
Vrockhaus' Konversations-Lexikon. 14. Aufl. X.
larkonsuln (konoi-cn-ii) erteilt. Noch mehr verfiel
das Amt seit der Teilung des Reichs. Im West-
römischen Reich erlosch das Konsulat 534 n. Chr.,
im Oströmischen hob es Iustinian, der sich "tüou3ul
Z)6i-ii6tuu8)) nannte, 541 auf.
K. war auch der Titel der höchsten Staats-
beamten in Frankreich während der Konstitution
vom I. VIII. Bonaparte führte den Titel Erster
K. (S. Frankreich, Bd. 7, S. 96.)
Konsul, in der heutigen Bedeutung ein zur
Vertretung der Handels- und Verkehrsintercssen
der Staatsangehörigen im Auslande bestimmter
Beamter, welchem in besondern Fällen eine ge-
wisse Gerichtsbarkeit (s. d.) oder diplomat. Funktion
übertragen werden kann. Die Anfänge des Kon-
sularwesens fallen mit dem Beginn eines Han-
delsverkehrs der europ. Völker zusammen. Zuerst
war es den handeltreibenden Städten der verschie-
denen Nationen überlassen, für ihre im Auslande
begründeten Niederlassungen bei der territorialen
Staatsgewalt Schutz und Begünstigungen zu er-
wirken. Zu diesen gehörte besonders eine durch die
eigenen Vorsteher auszuübende Gerichtsbarkeit und
Polizei, und so erhielten jene den in den ital. und
südfranz. Städten für die Gerichtsobrigkeit üblichen
Namen der K. Die zur Zeit der Kreuzzüge mit dem
griech. Kaisertum und mit den in Syrien begrün-
deten christl. Neichen angeknüpften Verbindungen
wurden später mit den moslemischen Negierungen
durch neue Konsular- oder Iurisdiktionsverträge
fortgesetzt oder wieder aufgenommen. Mit der Aus-
bildung des modernen Staates und des darauf ge-
gründeten Völkerrechtssystems mußte eine solche
fremde Jurisdiktion um fo mehr als unzulässig er-
scheinen, je mehr man schon früher durch besondere
Handelsgerichte (deren Richter z. V. in Frankreich
ebenfalls K. hießen) auch den fremden Kaufmann
zu schützen bereit war und als durch ständige Ge-
sandtschaften an den auswärtigen Höfen ein wirk-
samer Schutz für alle Angehörigen eines Staates
und deren Interessen im fremden Lande geübt wer-
den konnte. So wurden die K. in den europ. Län-
dern durchweg auf Vcrwaltungsfunktionen be-
schränkt; gleichwohl steigerte sich ihre Bedeutung
stetig durch den Aufschwung des internationalen
Verkehrs unter dem Schutze von Handelsverträgen,
die jetzt regelmäßig von Staat zu Staat geschlossen
wurden. Hiervon war die Folge die Konzentrierung
der Konsularvertretung und die Ernennung der K.
durch die Negierung des Heimatstaates.
Erhalten hat sich die Konsulargerichtsbarkeit nur
im türk. Neiche auf Grund der sog. Kapitulationen,
das sind Verträge in Gestalt einseitiger Erlasse des
Sultans, welche durch neuere Staatsverträge be-
stätigt sind. Während sie von hierdurch die im Laufe
der letzten Jahrzehnte geschlossenen Handelsverträge
über Persien, China, Japan, Siam, Korea, Samoa
und Sansibar ausgedehnt worden ist, wurde sie auf-
gehoben in den unter europ. Verwaltung getretenen
türk. Gebietsteilen, in Bosnien und der Herzego-
wina feit 1881, in Tunis seit 1883 (aber bis jetzt
nicht, trotz der diesen Ländern zugestandenen voll-
ständigen oder tcilweisen Unabhängigkeit, in Nu-
mänien, Serbien und Bulgarien, auch'nicht auf der
von England besetzten Insel Cypern); wesentlich
eingeschränkt in Ägypten infolge der Einführung von
Internationalen Gerichten (s. d.), zuerst auf 5 Jahre
1875, dann dauernd 1880. Einzelne Iurisdiktions-
befugnisse, besonders der sog. freiwilligen Gerichts-
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