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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Krankenversicherungsgesetz

Marineverwaltungen beschäftigt sind, ferner das Personal der Anwälte, Notare und Gerichtsvollzieher, der Krankenkassen,Berufsgenossenschaften und Versicherungsanstalten. Zur zweiten Kategorie gehören namentlich die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter und die Hausgewerbetreibenden sowie die im Reichs-, Staats- und Kommunaldienst und in Kommunalbetrieben beschäftigten Personen. Der gesetzliche Zwang tritt ferner nur bei dauernden Arbeitsverhältnissen ein, der statutarische ist dagegen auch bei vorübergehender Beschäftigung zulässig, d. h. solcher, die durch die Natur ihres Gegenstandes oder im voraus durch den Arbeitsvertrag auf höchstens sechs Tage beschränkt ist. Über die Stellung der Handlungsgehilfen und -Lehrlinge zum K. s. Handlungsdiener. Dieselben sind ebenso wie die Vetriebsbeamten, Werkmeister und Techniker, Staats- und Kommunalbeamten überhaupt nur dann versicherungspflichtig, wenn ihr Arbeitsverdienst an Lohn oder Gehalt 6 2/3 M. für den Arbeitstag, bez. 2000 M. für das Jahr nicht übersteigt. Bei andern Arbeitern ist die Höhe des Lohns ohne Belang. Gewisse Kategorien sind von der Versicherungspflicht kraft Gesetzes befreit (3. B. Seeleute, Apothekergehilfen und -Lehrlinge, Personen des Soldatenstandes), andere sind auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht zu befreien, z. B. Halbinvaliden sowie Personen, denen für den Erkrankungsfall eine der gesetzlichen Mindestleistung der Krankenkassen gleichwertige Unterstützung seitens des Arbeitgebers rechtlich und thatsächlich gesichert ist; noch andere endlich können auf Antrag des Arbeitgebers befreit werden. Alter, Geschlecht, Personenstand und Staatsangehörigkeit begründen für die Versicherungspflicht keinen Unterschied. Familienangehörige, z. B. Kinder eines Unternehmers, sind versicherungspflichtig, sofern sie von demselben auf Grund eines Arbeitsvertrags beschäftigt werden, andernfalls unterliegen sie nur dem statutarischen Versicherungszwange.

Neben der Versicherungspflicht besteht in gewissem Umfang auch ein Recht zur Teilnahme an der Versicherung, nämlich für die ohne Lohn und Gehalt Beschäftigten und für diejenigen, auf welche die statutarische Versicherungspflicht erstreckt werden darf, aber nicht erstreckt worden ist, jedoch nur sofern ihr jährliches Gesamteinkommen 2000 M. nicht übersteigt, endlich für Dienstboten (s. Gesinde). Durch Gemeindebeschluß oder Kassenstatut kann aber auch andern Personenklassen ohne jegliche Beschränkung das Beitrittsrecht eingeräumt werden. Die Aufnahme der Beitrittsberechtigten kann von der Einbringung eines Gesundheitsattestes abhängig gemacht, auch kann ihnen ein Eintrittsgeld und eine besondere Wartezeit (s. d.) auferlegt werden.

Über die zur Durchführung des Versicherungszwanges geschaffenen Organisationen und die Leistungen derselben s. Krankenkassen, Gemeindeversicherung, Ortskrankenkassen, Fabrikkassen, Hilfskassen und Knappschaftskassen.

Die Leistungen der Krankenkassen sind keine Armenunterstützung, ihr Empfang bewirkt also auch keine Schmälerung der bürgerlichen Rechte; vielmehr hat jeder Versicherte kraft seiner Kassenmitgliedschaft einen Rechtsanspruch auf die gesetzlichen und statutenmäßigen Unterstützungen. Zur Verfolgung dieser Ansprüche ist ein besonderer Instanzengang geschaffen. Die Unterstützungsansprüche verjähren in zwei Jahren vom Tage ihrer Entstehung. Sie können rechtswirksam weder gepfändet noch verpfändet oder sonst übertragen werden und dürfen nur auf rückständige Beiträge und Eintrittsgelder sowie Ordnungsstrafen aufgerechnet werden.

Voraussetzung des Unterstützungsanspruchs ist in der Regel die Kassenmitgliedschaft. Dieselbe dauert während des Bezugs der Krankenunterstützung fort, mag auch inzwischen das Beschäftigungsverhältnis, durch das sie begründet war, aufgelöst worden sein. Ausnahmsweise bestehen auch nach dem Erlöschen der Mitgliedschaft noch Ansprüche.

Dem Unterstützungsanspruch steht die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen und Eintrittsgeldern gegenüber, doch ist die Geltendmachung jenes Anspruchs von der Erfüllung dieser Pflichten ganz unabhängig. Die Beiträge sind in der Regel bei der Gemeinde-Krankenversicherung auf 1 1/2 Proz. des ortsüblichen, bei den andern Kassen auf 3 Proz. des durchschnittlichen bez. individuellen Tagelohns, der der Bemessung des Krankengeldes zu Grunde liegt, zu bemessen, sie können aber bis zu 2 Proz. bez. 4 1/2 Proz. und unter Umständen sogar noch weiter erhöht, andererseits unter Umständen auch unter den Normalsatz herabgemindert werden. Die Beiträge sind von den freiwilligen Mitgliedern direkt und aus eigenen Mitteln zu entrichten, für die versicherungspflichtigen Mitglieder dagegen vom Arbeitgeber einzuzahlen. Von dem Beitrag entfallen auf den Arbeitgeber 1/3, auf den Arbeitnehmer 2/3, die jener durch entsprechenden Abzug vom Arbeitslohn wieder einziehen darf. Eintrittsgelder sind ebenfalls vom Arbeitgeber vorzuschießen, belasten aber nur den Versicherten, sind also voll zu erstatten. Durch statutarische Bestimmung dürfen kleine Handwerker von der Verpflichtung zur Beitragsleistung aus eigenen Mitteln befreit werden, sodaß alsdann die Arbeitnehmer den ganzen Beitrag allein aufzubringen haben. Für die Unterstützung der Familienangehörigen sind unter Umständen besondere Zusatzbeiträge, und zwar von den Kassenmitgliedern allein und direkt zu entrichten. Die Beitragspflicht ruht für Erwerbsunfähige während der Dauer der Krankenunterstützung. Die Ansprüche auf Eintrittsgeld und Beiträge verjähren in einem Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Rückständige Beiträge und Eintrittsgelder haben ein Vorrecht im Konkurs und werden wie Gemeindeabgaben im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben.

Zwischen den Leistungen der Kassen und den Beiträgen der Versicherten muß stets ein gewisses Gleichgewicht bewahrt bleiben, und es sind vom Gesetz Vorkehrungen getroffen, welche sowohl auf Beseitigung etwaiger Deficite durch entsprechende Erhöhung der Beiträge oder Herabsetzung der Leistungen abzielen, als auch andererseits die Ansammlung übermäßig hoher Kapitalien verhüten sollen.

Über die Meldepflicht der Arbeitgeber s. Anzeige.

Litteratur. Größere Kommentare zum deutschen K. von Eger (2. Aufl., Bresl. 1892), J. Hahn (Berl. 1892), Köhne (2. Aufl., Stuttg. 1892), Petersen (Hamb. 1892), Rasp (Münch. 1893), Reger (5. Aufl., besorgt von Henle, Ansbach 1892), von Schicker l2. Aufl., Stuttg. 1894), von Woedtke (4. Aufl., Berl. 1893); kleinere Ausgaben von Götze, Gresbeck, Hallbauer, Höinghaus, Piloty, Rumpelt, Stenglein, Zeller. Systematische Darstellungen: Balck, Die Krankenversicherung der Arbeiter (Wismar 1885); Bornhak, Deutsche Socialgesetzgebung

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