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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kunstgeschichte
fern. Erst nach und nach, mit dem Wachsen des
Individualismus in der Kunst und mit dem Stu-
dium der Antike begann die K. sich zu entwickeln.
Zunächst ist sie Erklärung der alten Kunstschriftsteller,
namentlich des Vitruvius (s. d.); nebenherging das
Aufmessen alter Bauwerke, besonders in Rom.
Den Anfang einer modernen K. machte Vasari
(s. d.) mit seinen Künstlerbiographien: "Vit6 än'
piü eccLNenti pitwri, kroliitetti 6 Zcultori itaiiani
äa Oilliadus Lino ai tempi noätri", welches Wert
in Florenz 1550 zuerst gedruckt wurde und dem sich
später, bis in das 18. Jahrh., eine Reihe ähnlicher
biographisch geordneter Schriften anreihten. Am
nächsten steht dem Vasari Karel van Mander mit
U518) und Arnold Houbracken mit seiner "(^i-oote
3c1il)udul8ii)) O Bde., Amsterd. 1718), welche für die
Niederlande die Grundlagen der K. lieferten, und
Joachim von Sandrart, der in seiner "Deutschen
Akademie der Bau-, Bildhauer- und Malerkunst"
(Nürnb. 1675-79; 2. Aufl., ebd. 1768-75) die deut-
schen Künstler seiner Zeit darzustellen bestrebt war.
Im wesentlichen blieb die wissenschaftliche K.
ader noch auf das Altertum beschränkt; ja zu Ende
des 17. Jahrh, gewann die Erforschung der Antike
neue Kraft. Die Zahl der die alte Kunst behandeln-
den Kupferwerke wuchs immer mehr. Besonders
das große Wert von Bernard de Montfaucon "I^an-
U<1ui^6 6Xp1iciU66 6t.r6I)1'686Nt66 6niiFUr63vsi5Bde.,
Par. l 719-'24) gab zum erstenmal einen umfassen-
den überblick über die Kunst der Alten und wurde
erweitert durch des Grafen Caylus' (s. d.) Arbeiten,
namentlich seinen "Rkcneil ä'aMihuit63" (7 Bde.,
Par. 1752-67). Die gleichzeitigen deutschen Ver-
öffentlichungen, besonders jene von Lorenz Veger
(gest. 1705), kamen hiergegen nicht inBetracht. Durch
(5aylus war man zu einer in modernem Sinne wirk-
samen, sachlich nüchternen und alle damals erschlosse-
nen Hilfsmittel benutzenden, kritischen Betrachtung
der antiken Kunstwerke gekommen.
Die Behandlung der modernen K. machte nicht
gleiche Fortschritte. Zwar erschienen zahlreiche
Kupferstiche nach modernen Kunstwerken, nament-
lich nach Architekturen; jedoch begann erst I. F. Fe"-
libien (gest. 1733) mit seinem Buche "Kecueil Ki8-
turi^UE ä6 1a V16 6t 668 OUVI-IHOL li68 plus C6i6dl'68
ardiit6ct68" (Par. 1687) und Andrö Fölibien mit
dem Werk "NntretitML 8nr 168 vi68 6t sur 163
0UV1'Ä363 6.63 plu3 6XC6ii6Nt8 P6inti'63" (4 Bde.,
Loud. 1705) die kritische Behandlung der moder-
nen Kunst aufzunehmen. Das erstere Werk setzte
P. I. Marperger für Deutschland fort in "Historie
und Leben der europ. Baumeister" (Hamb. 1711).
Auch in diesen Büchern erhob sich die Darstel-
lung nicht über ein wenig kritisches Aneinander-
reihen von Lebensgeschichten. In Deutschland be-
reiteten erst Joh. Friedr. Christ (s. d.) und I. M.
Gesner (s. d.) in der Mitte des 18. Jahrh, ein tieje-
res Studium der Kunst der Alten vor. An sie schloß
sich der Dresdener Gelehrtenkreis, der, auf die Vor-
arbeiten der Franzosen gestützt, diese bald übertraf.
An ihrer Spitze stand Joh. Joachim Winckelmann
(s. d.), welcher der nüchtern prüfenden Art des Cay-
lus eine begeisterte und daher auch einseitige Vor-
liebe für die Alten entgegensetzte und somit auf fast
ein Jahrhundert Deutschland zur unbedingten Ver-
ehrung der klassischen Formen fortriß. Neben ihm
sind Chr. G. Heyne und Lippert, ferner als Männer,
wclche auch die moderne K. im Auge behielten,
Chr. L. von Hagedorn, Heinecken und PH. von
Stosch (s. die betreffenden Artikel) zu nennen.
Anregend auf die ganze Welt wirkten die gegen
Ende des 18. Jahrh, beginnenden Ausgrabungen
von Pompeji und Herculanum, ferner der Tempel
von Pästum, endlich die engl. Ausmessungen m
Athen durch Stuart und Rewet, welche der Hin-
neigung zur röm. Kunst nun die hellenische Kunst-
auffassung entgegensetzten. Diese fand zu Anfang
des 19. Jahrh, in Berlin ihren stärksten Rückhalt in
Friedr. Aug. Wolf, K. PH. Moritz und Schinkel.
Die Nationen begannen wetteifernd zu sammeln,
und wenn auch Napoleon I. auf einige Zeit
Paris zum Mittelpunkt der Kunstschätze Europas
machte, so traten doch bald London durch die Er-
werbung der NlFili Narbig (s. d.), München durch
die Äginetische Giebelgruppe <s. Aginetische Kunst)
und Berlin in Wettbewerb. Durch die Gründung
des Archäologischen Instituts (s. d.) in Rom (1829)
wurde der dortigen franz. Akademie (seit 1666) eine
deutsche Anstalt zur Seite gestellt, die nun bald den
eigentlichen Mittelpunkt der archäol. Forschung
bildete. Während die Archäologie schon eine nicht
unbeträchtliche Vertiefung erhalten hatte, machte sich
in der Geschichte der christl. Kunst meist noch ein
trocknes Notizenwesen geltend. Aus diesen gingen
zunächst die Künstlerlexika hervor, deren erstes be-
deutendes jenes von Hans Rud. Fueßli war ("All-
gemeines Künstlerlexiton", Zür. 1771-79; neue
Aufl. 1811-19). Diesem schloß sich das Naglersche
"Neue allgemeine Künstlerlexikon" (22 Bde., Münch.
1835-52; neu bearbeitet von I. Meyer u. a., Lpz.
1870 fg.; unvollendet geblieben) und das "Allge-
meine Künstlerlexikon" (3 Bde., Stuttg. 1878-79)
von Seubert an. Zur Erklärung der von den Künst-
lern gewählten Zeichen gab Nagler mit Andresen
die "Monogrammisten" (Münch. 1858-73) heraus,
während Vartsch ("1.6 pLintrs-ßravOur", Wien
1803-21), Andresen ("Die deutschen Maler-
radierer", Lpz. 1866-70), Lehrs, Wessely, Schmidt
u. a. die Geschichte der Kupserstechkunst wissen-
schaftlich bearbeiteten. Zu der Durchforschung der
mittelalterlichen Kunstwerke, namentlich jener der
Baukunst, ging die Anregung von England und
der dort zuerst auftretenden sentimentalen Gefühls-
weise aus; zu Ende des 18. und bis in die vier-
ziger Jahre des 19. Jahrh, entstanden dort zahl-
reiche Werke über Kirchen und Schlösser des Landes.
In Deutschland nahmen diese Studien, die sich hier
alsbald auch auf altdeutsche Malerei erstreckten, die
Brüder Boissertie, I. G. von Quandt, Franz Kugler,
Ernst Förster, Heidelosf u. a. auf und weckten somit
auch die Teilnahme der Künstler für die nun zu
mächtigem Einfluß gelangende mittelalterlich-ro-
mantische Kunst. Ahnliche Bestrebungen leiteten
den trefflichen Viollet le Duc, ferner Laborde, Cha-
puy, Du Somiirard, Daly, Palustre in Frankreich,
Caveda in Spanien, Street, Pugin, Iones, Fer-
gusson in England, sodaß sich die Geschichte der
mittelalterlichen Kunst mehr und mehr zum ein-
heitlichen Bilde zusammenschloß.
Die Geschichte der Kunst der ital. Renaissance
hatte schon früh eine besondere Pflege gefunden.
Im Gebiete der Architektur traten zunächst die
Franzosen Gauthier, Percier und Fontaine, Leta-
rouilly als Forscher hervor. Hinsichtlich der allge-
meinen kritischen Würdigung gab Rumohr durch
seine "Ital. Forschungen" (3 Bde., Verl. 1827-31)
die weitgehendstell Anregungen. In seinen Bahner
Artikel, die man unter K vermißt, sind unter E aufzusuchen.
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