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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Leibniz

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Leibniz

männl., 32277 weibl.) meist deutsche E., 84 Gemeinden mit 208 Ortschaften und umfaßt die Gerichtsbezirke Arnfels, L. und Wildon. – 2) Markt und Sitz der Bezirkshauptmannschaft sowie eine Bezirksgerichts (298,02 qkm, 30542 E.), am Zusammenfluß der Laßnitz und Sulm, an der Linie Wien-Triest der Österr. Südbahn, seit dem Brande 1829 neu gebaut, hat (1890) 2216, als Gemeinde 2597 E., Post, Telegraph; Fabrikation von landwirtschaftlichen Maschinen und Zündwaren, Baumwollspinnerei sowie regen Handel. Auf der Halbinsel zwischen Sulm und Mur, dem Leibnitzer Feld, stand einst das röm. Flavium Solvense (auch Flavia Solva).

Leibniz, Gottfried Wilhelm von, Gelehrter und Philosoph, geb. 6. Juli 1646 zu Leipzig, wo sein Vater Professor der Rechte war, bezog im 15. Jahre die Universität, um Jurisprudenz zu studieren, wandte sich aber bald der Philosophie zu. Bereits 1663, noch vor seinem Abgange auf die Universität zu Jena, schrieb er die von einer genauen Kenntnis der scholastischen Philosophie zeugende Abhandlung «De principio individui» (wieder hg. von Guhrauer, Berl. 1837), worin er sich für den Nominalismus erklärte. Obwohl er nach der Rückkehr in seine Vaterstadt durch die Abhandlungen «Specimen difficultatis in jure»(1664), «De conditionibus» (1665) und «De arte combinatoria» (1666) glänzende Proben seines Scharfsinns und seiner Kenntnisse gab, wurde ihm doch unter dem Vorwand seiner Jugend die jurist. Doktorwürde verweigert. Er verließ deshalb seine Vaterstadt und promovierte in Altdorf mit der Abhandlung «De casibus perplexis in jure» (1666). 1667 lernte er in Nürnberg den Baron J. Chr. von Boyneburg kennen, den ehemaligen Minister des Kurfürsten von Mainz. Mit diesem ging er nach Frankfurt und Mainz, wo er sich dem Kurfürsten Joh. Philipp von Schönborn durch die ihm gewidmete reformatorische Abhandlung «Methodus nova discendae docendaeque jurisprudentiae» (1668) empfahl. Gleichzeitig beschäftigte ihn die Herausgabe von Nizolius’ Schrift «De veris principiis» (Frankf. 1670). Auch arbeitete L. für Boyneburg mehrere publizistische Schriften aus. So 1669 bei Boyneburgs Gesandtschaft nach Polen das «Specimen demonstrationium politicarum pro eligendo rege Polonorum» und ebenso, als die ehrgeizigen Pläne Ludwigs ⅩⅣ. Deutschland immer mehr bedrohten, das «Bedenken, welchergestalt securitas publica interna et externa und status praesens im Reiche auf festen Fuß zu stellen». Namentlich gehört ihm das Projekt, Ludwigs ⅩⅣ. Ehrgeiz von Deutschland auf Ägypten abzulenken. Er wurde 1672, obgleich Protestant, zum Rat beim höchsten Gericht des Kurfürsten ernannt und ging dann, angeblich als Führer des jungen Boyneburg, nach Paris, wo er für Ludwig ⅩⅣ. das «Concilium Aegyptiacum» schrieb. Jener polit. Plan L.’ in Bezug auf Ägypten scheiterte zwar, doch blieb sein Aufenthalt in Paris, von wo aus er auch London besuchte, von großem Einfluß auf seine wissenschaftliche Ausbildung. Durch die persönliche Bekanntschaft mit Arnauld, Tschirnhausen, Huyghens, Boyle, Oldenburg und Newton, seinem nachherigen Nebenbuhler, wurde er namentlich auf tiefere mathem. Studien geführt, deren glänzendes Resultat die Erfindung der Differentialrechnung (s. d.) war. Das Anerbieten, der Pariser Akademie als Pensionär beizutreten, schlug er aus, weil es an die Bedingung des Übertritts zum Katholicismus geknüpft war. (Vgl. Kirchner, L.’ Stellung zur kath. Kirche, Berl. 1874.) Dagegen erhielt er von dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg eine Ratsstelle mit Pension und der Erlaubnis willkürlicher Verlängerung seines Aufenthalts im Auslande. 1676 folgte er dem Ruf als Bibliothekar und Rat des Herzogs von Hannover.

In Hannover, wo er nun bis an das Ende seines Lebens blieb, eröffnete sich ihm ein überaus vielseitiger und umfassender Geschäftskreis. So nahm er z. B. an den Verhandlungen des Nimwegener Friedens durch die Schrift «Caesarini Furstenerii de jure suprematus ac legationis principum Germaniae» (1677) teil. Später wurde er beauftragt, die Geschichte des Hauses Braunschweig zu schreiben, und reiste, um die nötigen Urkunden zu sammeln, 1687 nach Wien und Italien. Die Früchte dieser histor. Arbeiten waren der «Codex juris gentium diplomaticus» (2 Bde., Hannov.1693‒1700), die «Scriptores rerum Brunsvicensium illustrationi inservientes» (3 Bde., ebd. 1707‒11), die «Accessiones historicae» (2 Bde., Lpz. und Hannov. 1698‒1700) und endlich die «Annales imperii occidentis Brunsvicenses», die erst Pertz aus L.’ Handschrift herausgegeben hat (3 Bde., Hannov. 1843‒46). Damit verband er etymolog. Forschungen («Collectanea etymologica», Hannov. 1717), für die er seine durch die Jesuiten bis nach China reichenden Verbindungen benutzte. Sein durch die Verwandtschaft der Häuser Hannover und Brandenburg unterstützter Einfluß machte es ihm möglich, in Berlin durch Friedrich Ⅰ. 1700 eine Akademie der Wissenschaften zu stiften, deren erster Präsident er war. Etwas Ähnliches versuchte er ohne Erfolg in Dresden, ebenso in Wien; seine Bemühungen, durch seinen Einfluß auf Peter d. Gr., in Petersburg eine Akademie zu gründen, führten erst nach seinem Tode zum Erfolg. Auch beschäftigte er sich eifrig mit dem durch die damaligen Verhältnisse begünstigten Plane einer Vereinigung der prot. und kath. Kirche, für welche sich der Herzog von Hannover, Ernst August, sehr interessierte. Er korrespondierte darüber bis 1694 mit Pelisson und Bossuet und entwarf ein konziliatorisches «Systema theologicum» (zuerst gedruckt Par. 1819; deutsch von Räs und Weis, Mainz 1820; 3. Aufl. 1825; französisch von Broglie, Par. 1846). In den letzten Jahren seines Lebens wurde L. mit Ehren und äußern Vorteilen überhäuft, in Hannover zum Geh. Justizrat und Historiographen, von Wien aus zum Freiherrn und Reichshofrat mit 2000 Fl. Pension ernannt. Peter d. Gr., mit dem er 1711 eine Zusammenkunft in Torgau hatte, gab ihm den Titel eines Geheimrats und einen Jahrgehalt von 1000 Rubeln. (Vgl. Guerrier, L. in seinen Beziehungen zu Rußland und Peter d. Gr., Petersb. 1873.) Nur die Streitigkeiten mit Newtons Anhängern über die Priorität der Erfindung der Differentialrechnung, über welche die königl. Societät zu London ein keineswegs unparteiisches Urteil sprach, trübten sein höheres Alter. (Vgl. Commercium epistolicum Dr. J. Collins et aliorum de analysi promota jussu regiae societatis in lucem editum, Lond. 1712.) L. starb 14. Nov. 1716 zu Hannover. Sein Denkmal am Waterlooplatze in Hannover trägt am Fries der Kuppel die Inschrift: «Genio Leibnitii». In seiner Vaterstadt Leipzig wurde seine Bronzestatue, mo-^[folgende Seite]