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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Linie (weiße) - Liniensystem

bestimmte Geländestrecke durch fortlaufende Verschanzungen. Solche befestigte L. fanden im Feld- und Festungskriege Verwendung, um das Schlachtfeld oder einen strategischen Stützpunkt künstlich zu verstärken, eine Belagerungsarmee gegen den Angriff von Ersatzheeren zu sichern u. dgl. Die oft sehr scharfsinnig erdachte Gestaltung der Fronten dieser befestigten L., z. B. nach dem System des Generals Vauban (s. Französische Befestigungsmanier), bildeten früher einen wichtigen Gegenstand des militär. Studiums. - Die neuere Befestigungskunst hat von einer Anlage fortlaufender Verschanzungen zur Verstärkung eines Geländeabschnitts Abstand genommen. Man erreicht die Verteidigung einer L., besonders bei der gewaltigen Feuerwirkung der neuern Waffen, besser durch Anlage einzelner, auf wirksame Schußweite voneinander entfernter kleinerer geschlossener Stützpunkte (Schanzen, Forts), zwischen, hinter oder vor denen dann, je nach dem Gelände, Schützengräben oder Batterien gelegt werden können.

3) Die vordersten, thätig am Feuergefecht teilnehmenden Truppen werden als in der Feuerlinie liegend bezeichnet.

4) L. als taktische Form bezeichnet diejenige Aufstellung einer Truppe, bei der die einzelnen Leute oder Abteilungen nebeneinander stehen. An Stelle der frühern drei-, ja viergliederigen L. finden in der geschlossenen Formation der Infanterie und Kavallerie aller Heere jetzt nur noch zweigliederige Aufstellungen statt, da nur so in geschlossener L. sofort alle Gewehre ins Feuer treten können und der sofortige Übergang zur zerstreuten Fechtart (geöffneten L.) möglich ist.

Die Taktik früherer Jahrhunderte suchte die Entscheidung eines Kampfes mit der blanken Waffe (Pike) in dem Angriffsstoß tiefer Kolonnen, die vermöge ihrer quadratischen Form den Vorteil der Beweglichkeit und leichten Frontveränderung hatten (Kolonnentaktik, s. d.). Erst als mit der allgemeinen Bewaffnung der Infanterie mit Feuergewehren mehr und mehr Gewicht auf eine ausgiebige Ausnutzung aller Gewehre gelegt werden mußte, trat die geschlossene L. als Hauptgefechtsform in die Erscheinung. Es war dies die Zeit der Lineartaktik (s. d.).

In der Neuzeit ist die eigentliche Gefechtsformation der Infanterie die eingliederige geöffnete Schützenlinie, der Schützenschwarm. Diese Kampfform allein gewährt die Möglichkeit vollkommenster Geländebenutzung zur Ausnutzung der Feuerkraft der Gewehre und zur Vermeidung übergroßer Verluste.

Die Truppen werden im allgemeinen nur in den hintern Abteilungen, wo man sie dem feindlichen Feuer mehr entziehen kann, geschlossen gehalten, wobei sie in Kolonne oder geschlossener L. auftreten können. Letztere Formation vermindert in freiem Gelände die Verluste, ist aber der Übersicht und Aufrechterhaltung der Ordnung nachteilig.

Die Kavallerie, bei der es ebenso auf die Wucht des Stoßes wie darauf ankommt, daß beim Angriff möglichst alle Waffen in Thätigkeit kommen und der Feind durch die längere Front überflügelt wird, attackiert jetzt grundsätzlich in geschlossener L. zu zwei Gliedern, gegen Artillerie in der Front zuweilen in geöffneter L. (zur Verminderung der Verluste). Die L. wird aber, um die Beweglichkeit der Truppe nach allen Seiten bis zum letzten Moment zu gewährleisten, erst dann aus der Kolonne formiert, wenn die Attacke wirklich beginnt. Die naturgemäße Gefechtsformation der Artillerie ist die geöffnete L. (S. Fechtart, Feuergefecht.)

5) Über L. in der Heeresorganisation s. Linieninfanterie, Linienkavallerie und Linienregimenter.

6) In Rußland früher die gegen die Einfälle der Bergvölker durch Forts und Kosakenansiedelungen gesicherte Grenze im kaukas. Gebiet; die auf derselben angesiedelten Kosaken, die jetzigen Kuban- und Terekregimenter, hießen früher Linienkosaken im Gegensatz zu den Donkosaken.

Linie, weiße, s. Linea, Bauch und Huf.

Linienbiegeapparat, s. Buckdruckerkunst.

Linienblitze, s. Blitz (Bd. 3, S. 131 b).

Linieninfanterie, die Infanterie des stehenden Heers in Deutschland, im Gegensatz zu derjenigen der Landwehr und des Landsturms.

Linieninseln, s. Gilbertinseln.

Linienkavallerie, die Kavallerie des stehenden Heers in Deutschland, im Gegensatz zu derjenigen der Landwehr und des Landsturms.

Linienkommissar, s. Linienkommissionen.

Linienkommissionen, Eisenbahnlinienkommissionen, diejenigen Behörden, denen die Regelung der Militärtransporte im Frieden und Kriege obliegt. Sie sind Organe der Eisenbahnabteilung (s. d.) des Großen Generalstabes und bestehen je aus einem Stabsoffizier (Linienkommissar) und einem Eisenbahnbeamten, werden jedoch im Kriege verstärkt.

Linienkosaken, s. Linie (militär., 6).

Linienmanier, s. Kupferstechkunst (Bd. 10, S. 819 b).

Linienregimenter, die nicht zur Garde gehörigen Regimenter in den Armeen, in welchen Garden (s. d.) bestehen.

Linienschiffe, Name der ehemaligen Schlachtschiffe. Ein Linienschiff mußte gut segeln, steuern und wenden, namentlich aber die schweren Kanonen der untersten Batterie auch noch bei stürmischem Wetter gebrauchen können. Zu Nelsons Zeiten war die Taktik der L. am meisten ausgebildet. Man hatte L. von 60 bis 100 Kanonen. Sie hatten entweder zwei oder drei volle Batterien unter Deck, während das oberste Deck nur vorn und hinten mit Geschützen besetzt war, und man nannte sie nach diesen Einrichtungen Zwei- und Dreidecker. Ihre Besatzung betrug 600-1000 Mann, indem man damals für jede Kanone 10 Mann rechnete. Einzelne L. führten auch 130 Kanonen mit 1300 Mann Besatzung. Mit Einführung des Dampfes baute man Schraubenlinienschiffe, die aber bald verschwanden. Durch die Panzerschiffe wurden die L. verdrängt; bei den schweren Geschützen der Neuzeit fiel das Bedürfnis, mehrere Batterien übereinander zu bauen, weg.

Linienschiffsfähnrich, Charge in der österr. Marine, dem Unterlieutenant zur See (s. d.) der deutschen Marine entsprechend.

Linienschiffskapitän, Charge in der österr. Marine, dem Kapitän zur See (s.d.) der deutschen Marine entsprechend.

Linienschiffslieutenant erster und zweiter Klasse, Chargen in der österr. Marine, dem Kapitänlieutenant (s. d.) und Lieutenant zur See (s. d.) der deutschen Marine entsprechend.

Linienschneidelade, Linienschneider, s. Buchdruckerkunst (Bd. 3, S. 662 b).

Linienspektrum, s. Spektralanalyse.

Liniensystem, Fünfliniensystem, in der Musik die Verbindung der zusammengehörenden Linien, in welche die Noten geschrieben werden. Die