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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lokomotive

(1824 in Newcastle gegründet) hervorgegangenen L. haben horizontale Cylinder und zeigen im wesentlichen bereits alle Vollkommenheiten der heutigen L., als Siederöhren, Blasrohr, Umsteuerung (s. unten). Von Stephensohn rührt auch die L. "Adler" (s. Taf. I, Fig. 5) der Linie Nürnberg-Fürth her, die erste, die auf deutschem Boden fuhr. Sie wog etwa 6 t, kostete 13 930 Fl. und wurde 1835 in Betrieb gesetzt. Da sie die Spurweite der engl. Bahnen besaß, wurde die engl. Spurweite zur Normalspur für die deutschen Eisenbahnen. Den Stephensonschen Typus trug auch die erste in Deutschland (in Übigau bei Dresden) für die Leipzig-Dresdener Bahn 1838 gebaute L. "Saxonia" (Taf. I, Fig. 6). Erst später trennten sich die deutschen Konstruktionen von den englischen. In Amerika erhielt der Lokomotivbau die erste Anregung durch die weltbekannt gewordene, 1829 auf der Linie Manchester-Liverpool veranstaltete Konkurrenzfahrt zwischen vier engl. Lokomotiven, bei welcher Gelegenheit die amerik. Ingenieure Allen und Miller zugegen waren. Die amerikanischen L., deren erste (abgesehen von frühern Modellversuchen) von Cooper 1829 konstruiert wurde, wiesen eine durchaus selbständige, oft kuriose Bauart auf, wie die 1832 von Davis & Gärtner in York (Pennsylvanien) gebaute sog. Grashoppermaschine "Atlantic" (Taf. I, Fig. 4), die mehrere Jahre auf der Baltimore-Ohio-Bahn in Betrieb war. Die Steuerung geschah durch Hebedaumen, die Anfachung des Feuers durch einen Ventilator. In Amerika fand auch das für das Fahren enger Krümmungen wichtige, schon von Stephenson erfundene, aber in England damals nur vereinzelt verwertete Drehgestell (s. unten) frühzeitig allgemeine Anwendung, welches auf europ. Bahnen bis in die neueste Zeit fast unbeachtet blieb. Während bei der nun rasch fortschreitenden Entwicklung der L. auf den europ. Bahnen Hunderte von abweichenden Typen entstanden und fast jede Bahn noch jetzt an der von ihr beliebten Normalkonstruktion festhalten zu müssen glaubt, kennt man in Nordamerika nur 5-6 Typen für die verschiedenen Zwecke (Schnellzug, Personenzug, Güterzug, starke Steigungen u. s. w.).

Die heutigen Lokomotiven. Als Beispiel der innern Einrichtung und der Hauptabmessungen einer heutigen L. ist auf Taf. II eine preuß. Normalgüterzuglokomotive abgebildet (Fig. 1 Längsschnitt, Fig. 2 Querschnitt durch Rauchkammer und Dampfcylinder, Fig. 3 Ansicht des Führerstandes, Fig. 4 Grundriß). In der Feuerbüchse a brennt auf dem Rost b das mit Steinkohle oder Koks, in einzelnen Gegenden auch mit Holz, Torf oder Braunkohle, in Rußland vielfach mit Naphtharückständen genährte Feuer. Der cylindrische Kessel c ist der Länge nach mit vielen Heizröhren d durchzogen (sog. Heizröhrenkessel, s. Dampfkessel, Bd. 4, S. 725 a). Während der Fahrt wird der Luftzug der Feuerung künstlich gesteigert. Der Dampf bläst nämlich, nachdem er in der Maschine gewirkt hat, durch das Rohr e, das sog. Blasrohr, mit großer Geschwindigkeit aus. Der Dampfstrahl reißt die im Schornsteinraum befindliche Luft mit sich fort, so daß in der Rauchkammer f eine Luftverdünnung entsteht, welche zur Folge hat, daß die äußere Luft mit großer Kraft durch die Rostspalten, Feuerbüchse und Siederöhren in die Rauchkammer nachströmt. Der Kessel, welcher wie jeder andere Dampfkessel mit den erforderlichen Armaturen (die Sicherheitsventile in Fig. 1 mit g bezeichnet) versehen ist, wird bis etwa 120 mm über der Decke der Feuerbüchse und ungefähr 150 bis 200 mm über der obersten Röhrenreihe mit Wasser gefüllt. Der Dampf, welcher eine Spannung von 10 bis 12 Atmosphären hat, sammelt sich in dem Raum über dem Wasser und steigt in den Dampfdom h, von wo aus er durch das Rohr i nach den zu beiden Seiten des Lokomotivkessels angebrachten Cylindern k gelangt, sobald der durch einen Hebel l vom Stande des Lokomotivführers aus zu regulierende Schieber m, der fog.Regulator, geöffnet wird. Dadurch, daß der Dampf, durch die aus Fig. 4 ersichtlichen Kanäle strömend, bald von der einen, bald von der andern Seite auf den Kolben wirkt, wird letzterer hin und her bewegt (in derselben Weise, wie dies unter Dampfmaschine Bd. 4, S. 739 durch Fig. 5 u. 6 erläutert ist). Die Kolbenstange überträgt diese Bewegung auf die Pleuelstange n, welche das Triebrad o mittels eines Kurbelzapfens p bewegt. Die Schieberbewegung und die Umsteuerung für Vor- und Rückwärtsgang der Maschine erfolgt durch eine hier innenliegende, bei andern Konstruktionen auch außenliegende Coulissensteuerung (s. Umsteuerungen), die durch mehrfache Hebelübertragung vom Führerstande aus bedient wird. Um das im Kessel verdampfte Wasser zu ersetzen, waren bei den ältern L. meist zwei starke Saug- und Druckpumpen angebracht, welche teils durch excentrische Scheiben, teils direkt durch die Maschine bewegt wurden und durch hierzu angebrachte Röhren das Wasser aus einem Behälter, der entweder auf besondern Wagen (dem Tender) der L. angehängt oder mit der Maschine verbunden ist, saugten und in den Kessel drückten. An allen neuern Maschinen werden statt der Pumpen Injektoren (s. d.) angewandt. Die Räder der L., deren Naben und Speichen aus bestem Schmiedeeisen, und deren Laufkränze aus Stahl hergestellt sind, werden als Triebräder, Kuppelräder und Laufräder unterschieden. Die Triebräder sind solche, auf welche (oder auf deren Achse) die Pleuelstange der Maschine direkt einwirkt. Je nachdem daher die Maschine zwischen den Rädern oder außerhalb der Räder liegende Cylinder hat, sind die jetzt meist aus Gußstahl gefertigten Achsen gekröpft oder gerade, in welch letzterm Falle die Kurbelzapfen an den Außenseiten der Räder selbst angebracht sind. Der Durchmesser der Triebräder ist bei Güterzuglokomotiven kleiner als bei Schnellzuglokomotiven. Die meisten L. haben Triebräder von 1,3 bis 2,0 m Durchmesser. Kuppelräder (mit q bezeichnet) sind solche, welche mittels Kurbeln und Kuppelstangen r mit den Triebrädern so in Verbindung gebracht sind, daß sie alle Bewegungen dieser letztern mitmachen müssen und daher durch das auf ihnen ruhende Gewicht die Adhäsion der L. auf den Schienen und somit die Zugkraft vermehren. Bei Schnellzuglokomotiven fehlen sie oft. Die Laufräder sind meist kleiner als die Triebräder und rollen nur auf den Schienen mit, indem sie mit ihren Achsen einen Teil des Lokomotivgewichts tragen. Die Achsen dieser Räder erhalten die entsprechenden Namen Triebachsen, Kuppelachsen und Laufachsen. Räder und Achsen stehen mit der übrigen Maschine durch den sog. Rahmen in Verbindung. Derselbe besteht aus starken Stücken flachen Eisens, die an der Hinter- und Vorderseite des Kessels befestigt sind und nach unten gabelartige Vorsprünge haben, in denen die Achsbüchsen auf- und abbeweglich gelagert sind. Um die durch die Unebenheiten der Bahn entstehenden Erschütterungen zu mildern und das