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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Lothringen

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Lothringen (Bezirk)

könig von Neapel, vermählt war. Wiewohl ein Neffe Karls Ⅱ., Anton Graf von Vaudemont, die weibliche Nachfolge anfocht, verlieh doch Kaiser Sigismund das Herzogtum an die Nachkommenschaft Isabellas, und Anton wurde endlich zufrieden gestellt, indem sein Sohn Friedrich die Tochter Isabellas und Anjous, Jolantha, heiratete. Anjou (gest. 1480) überlebte noch seinen und Isabellas Sohn, den Herzog Johann Ⅱ. (gest. 1471), und auch dessen Sohn Nikolaus, mit welchem 1473 das Geschlecht Anjou erlosch.

Oberlothringen kam nun wieder an die eigentliche Dynastie, an Renatus Ⅱ. (René), den Sohn Friedrichs von Vaudemont und Jolanthas, der darum als der Stifter des neuern lothring. Geschlechts angesehen wird. Unter ihm wurde das Land von Karl dem Kühnen von Burgund schrecklich verheert und Nancy 1475 erobert. Renatus mußte nach Lyon entfliehen, verband sich aber von dort aus mit den Schweizern, eroberte sein Land wieder und schlug 1477 Karl den Kühnen vor Nancy, wo derselbe blieb. Während auf Renatus dessen ältester Sohn, Anton der Gute, 1508 in Oberlothringen folgte, erhielt der zweite, Claudius, die Besitzungen in der Normandie, Picardie, Flandern und dem Hennegau und wurde der Ahnherr der franz. Nebenlinie, der Herzöge von Guise (s. d.). Herzog Anton suchte die Ausbreitung der Reformation auf die drei Bistümer einzuschränken und vernichtete 1525 bei Zabern das große Bauernheer, das vom Elsaß ins Land drang. Ihm folgte 1544 sein Sohn Franz Ⅰ., der schon 1546 das Land seinem zweijährigen Sohne, Karl Ⅲ. (s. d.), hinterließ. Während des letztern Minderjährigkeit riß Heinrich Ⅱ. von Frankreich die Bistümer Metz, Toul und Verdun an sich. Der Sohn Karls Ⅲ., Heinrich Ⅱ., folgte dem Vater 1608. Er vermählte seine Tochter Nicola mit seinem Neffen, der ihm 1624 in der Regierung als Karl Ⅳ. (s. d.) folgte. Unter diesem schwachen Fürsten wurde das Land von den Franzosen furchtbar heimgesucht und kam 1670 ganz an Frankreich. Karls Sohn Karl Heinrich wurde, als aus einer vom Papste ungültig erklärten Ehe entsprossen, von der Nachfolge ausgeschlossen; sein Neffe und Erbe Karl Ⅴ. Leopold (s. d.) wurde als kaiserl. General durch seine Thaten gegen die Türken berühmt. Erst im Frieden zu Ryswijk 1697 erhielt Karls Ⅴ. ältester Sohn, Leopold, das Land wieder zurück; doch mußte er die Festungswerke von Nancy und Bitsch schleifen und andere drückende Bedingungen eingehen, auch blieben noch längere Zeit franz. Truppen im Lande. 1729 folgte Leopolds Sohn Franz Stephan (s. Franz Ⅰ., röm.-deutscher Kaiser), dessen Mutter, Charlotte von Orléans, die Bevölkerung als Vormünderin hart bedrückte. Im poln. Erbfolgekrieg nahm Frankreich 1733 das Land nochmals in Beschlag und behielt es mit dem Herzogtum Bar, doch mit Ausnahme der Grafschaft Falkenstein, zufolge des Wiener Friedens von 1735, einstweilen für den König Stanislaus von Polen, der seine Regierung 1737 antrat. Nach Stanislaus’

Tode, 22. Febr. 1766, wurde Oberlothringen Frankreich einverleibt. Doch war den Großen Sitz und Stimme auf den deutschen Reichs- und Kreistage vorbehalten, welches Verhältnis erst der Friede von Lunéville 1801 aufhob. Im Frankfurter Frieden 1871 wurde Deutschlothringen mit Metz wieder an Deutschland abgetreten. Vgl. Historische Karten von Deutschland Ⅰ, Ⅱ (Bd. 5, S. 170 u. 180).

Vgl. d’Haussonville, Histoire de la réunion de la Lorraine à la France (2. Aufl., 4 Bde., Par. 1860); Hutzelmann, Angriffe Frankreichs auf Elsaß und L. (Nürnb. 1872); Jacquet, Histoire de Lorraine (Metz 1874); Huhn, Geschichte Lothringens («Bibliothek für Wissenschaft und Litteratur», Bd. 24, Berl. 1877); Digot, Histoire de Lorraine (2. Aufl., 6 Bde., Nancy 1879‒80); Jahrbuch der Gesellschaft für lothr. Geschichte und Altertumskunde (Metz 1890 fg.); Fitte, Das staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums L. zum Deutschen Reich seit 1542 (Straßb. 1891); Bonvalot, Histoire du droit et des institutions de la Lorraine et des trois évêchés 843‒1789 (Par. 1895).

Lothringen, Teil des deutschen Reichslandes Elsaß-Lothringen (s. d.) und einen Bezirk desselben bildend, grenzt im N. an das Großherzogtum Luxemburg, im NO. an die preuß. Rheinprovinz und bayr. Rheinpfalz, im O. an den Bezirk Unterelsaß und im S. und W. an Frankreich (Depart. Meurthe-et-Moselle), hat 6222,28 qkm und 1890: 510392 (267575 männl., 242817 weibl.) E., darunter 37967 Militärpersonen, 1895: 525182 E. Von der Bevölkerung waren (1890) 449311 Katholiken, 52897 Evangelische, 1028 andere Christen und 7075 Israeliten; 20447 Ausländer, darunter 3581 Nationalfranzosen, 3927 Optanten und Emigranten, 12939 Luxemburger, Belgier, Italiener, Schweizer u.s. w. (S. Karte: Elsaß-Lothringen und Bayrische Rheinpfalz, Bd. 6, S. 45.)

Von der Gesamtfläche des Bezirks sind (1893) 348807 ha Acker- und Gartenländereien, 68972 ha Wiesen, 4968 ha Weiden und Hutungen, 6208 ha Weinberge, 164125 ha Forsten und Holzungen, 2678 ha Haus- und Hofräume, 4466 ha Öd- und Unland, 21619 ha Wege und Gewässer. 5665 ha Weinberge lieferten 257665 hl im Werte von 8692139 M. In Fabrikbetrieben und diesen gleichstehenden Anlagen waren (Dez. 1894) beschäftigt 21683 Arbeiter und 5241 Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter. Die Berg- und Hüttenwerke beschäftigten 16344 Arbeiter und lieferten 6054235 t im Werte von 70347700 M. Es standen im Betrieb: 28 Eisenerzbergwerke (3706 Arbeiter) und 8 Eisenerztagebaue (3922000 t Eisenerze im Werte von 7749000 M.), 2 Steinkohlenbergwerke (4509 Arbeiter, 969880 t im Werte von 78002500 M.), 9 Salinen (52500 t Siedesalz, 1207000 M.), 8 Eisenwerke mit 25 Hochöfen (803889 t Roheisen, 26177000 M.), 14 Eisengießereien, 7 Schweißeisenwerke und 3 Flußeisenwerke (14854 t Gußwaren, 2092581 M.; 144202 t Stabeisen, 10531520 M.; 176857 t Stahl, 14787071 M.). Ferner gab es (1893) 5 Glashütten mit 5083 Arbeitern, 3 Porzellan- und Steingutfabriken (3071), chem. Fabriken (1090), 1 Fabrik lackierter Ölpappwaren (943), 3 Plüsch- und Seidenfabriken (595 Arbeiter), Ziegeleien, Brauereien, Schuh-, Hut- und Konservenfabriken. In den Steingruben waren 2241 Arbeiter und in der Hausindustrie (Strohhutflechterei, Weißzeugstickerei, Seidenweberei, Perlkranzfabrikation und Perlstickerei) 6600 Menschen beschäftigt. (S. Elsaß-Lothringen, Industrie, Bd. 6, S. 49 b.)

Der Haushaltsvoranschlag des Bezirks für 1896/97 schließt in Einnahme und Ausgabe mit 1553600 M.

Über Verwaltung, Unterricht, Verkehr u. s. w. s. Elsaß-Lothringen.

Fast allgemein ist die deutsche Sprache in den Kreisen Saargemünd, Forbach und Bolchen, die französische in Château-Salins und Landkreis Metz.