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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lübeck

19 597 621 M., einschließlich der dreiprozentigen Anleihe von 1895 im Betrage von 10 Mill. M. 2) Die Stadt L. liegt 53° 52' nördl. Br. und 10° 41' östl. L. von Greenwich, 15 km von der Ostsee, auf einer von Süden nach Norden gestreckten Anhöhe, deren westl. Seite von der schiffbaren Trave bespült wird, während an der Ostseite die Wakenitz, der Abfluß des Ratzeburger Sees, hinfließt, an den Linien Hamburg-L. (63,2 km), L.-Büchen (47,6 km) und der Nebenlinie L.-Travemünde (19,8 km) der L.-Büchener Eisenbahn, der Linie L.-Strasburg (235,1 km) der Mecklenb. Friedrich-Franz-Bahn und an der Eutin-Lübecker Eisenbahn und ist Sitz eines Landgerichts (Oberlandesgericht Hamburg) mit einer Kammer für Handelssachen, eines Amtsgerichts, Hauptzollamtes und der Hanseatischen Versicherungsanstalt für Invaliditäts- und Altersversicherung. Die Stadt hat (1890) 63 590, 1895: 69 874 (33 527 männl., 36 347 weibl.) E., von denen 35 464 auf die innere Stadt und 34 410 auf die Vorstädte entfallen. 1890 gab es 1068 Katholiken und 640 Israeliten, ferner 14 792 Haushaltungen und 7306 Wohngebäude, in Garnison das 3. Bataillon des 2. hanseatischen Infanterieregiments Nr. 76, ein Postamt erster Klasse mit Zweigstelle, eine Postagentur, ein Telegraphenamt mit Zweigstelle, eine Fernsprechstelle und elektrische Straßenbahn in der Stadt und nach den Vororten. (Hierzu ein Plan mit dem Verzeichnis der Straßen und öffentlichen Gebäude.)

Anlage, Denkmäler. Die Häuser der innern Stadt zeigen zum großen Teil altertümliche Bauart. Kirchen, öffentliche und viele Privatgebäude sind schöne Denkmäler des mittelalterlichen Baustils. Das alte Holstenthor am Bahnhof, ein Überrest früherer Befestigungen, ist ein 1478 vollendeter, 1870 restaurierter Ziegelbau (s. Tafel: Thore I, Fig. 4). Am Burgthor im Norden der Stadt, einem Backsteinbau von 1444, fiel 6. Nov. 1806 im Kampfe Blüchers gegen die Franzosen die Entscheidung. Auf dem Markt steht ein 1873 errichteter got. Brunnen mit Statuen (s. Tafel: Brunnen I, Fig. 8), auf dem Geibelplatz das Denkmal Emanuel Geibels (1889), auf dem Klingenberg der Siegesbrunnen.

Gebäude. L. hat 6 evang.-luth. Hauptkirchen, eine reform., eine kath. Kirche und 1 Synagoge. Die Marienkirche, 1280-1304 gebaut (102 m lang, 57 m breit, 49 m hoch), mit drei Schiffen, Chorumgang, Kapellenkranz und zwei Türmen (123 m), ist eins der vorzüglichsten Denkmäler des niederdeutschen Backsteinbaues und enthält viele Kunstschätze der Malerei (Totentanz, Abschied vom Leichnam Christi von Overbeck) sowie Bildwerke in Holz, Metall und Stein. Der Dom, der 1173 von Heinrich dem Löwen als gewölbte roman. Basilika gegründet und im 13. Jahrh. erweitert wurde, ist die älteste Kirche und besitzt ein berühmtes Altargemälde von Hans Memling (1491), einen hohen Chor (1335), got. Langhaus (1335) und zwei Türme (120 m). Die gotische, jetzt nur zu Ausstellungen und Versammlungen dienende Katharinenkirche (14. Jahrh.) gehörte zu dem ehemaligen, 1225 gegründeten Minoritenkloster, in dessen Gebäuden sich jetzt das Katharineum und die 1620 gegründete Stadtbibliothek (Ende 1894: 96 169 Bände, 890 Inkunabeln, 937 Handschriften, 9145 Universitätsschriften, 19 503 Schulprogramme und 3294 Musikalien) befinden. Das Rathaus am Markt, in seinen ältesten Teilen um 1250 erbaut, 1442 vollendet, neuerdings vollständig restauriert, ist ein got. Backsteinbau mit Giebeln, einer Halle im Renaissancestil, 1570 begonnen, und einem Treppenhaus aus Sandstein (1594), der Kriegsstube (Intarsien 1595-1608), dem Audienz- und Bürgerschaftssaal und dem Ratskeller. Ferner sind zu erwähnen die Häuser der Schiffergesellschaft und der Kaufleutecompagnie (Handelskammer), letzteres mit dem Fredenhagenschen Zimmer (1573-85), das Hospital zum Heiligen Geist mit frühgot. Kapelle und das ehemalige Burgkloster, 1229 von den Dominikanern besetzt. Hervorragende Neubauten, sämtlich in Ziegelrohbau fertiggestellt, sind das Reichspostgebäude am Markt (1885), die Turnhalle (1891), das Gebäude der Hanseatischen Versicherungsanstalt (1893), das unter teilweiser Benutzung von Kreuzgängen des Domes darangebaute Museum (1892), welches 6 Abteilungen enthält: 1) Naturhistorisches Museum, 2) Museum lübeckischer Kunst- und Kulturgeschichte, 3) Gewerbemuseum, 4) Handelsmuseum, 5) Museum für Völkerkunde, 6) Sammlung von Gemälden, Kupferstichen und Gipsabgüssen und das Gerichtsgebäude mit Untersuchungsgefängnis auf dem Platze des frühern Dominikaner-(Burg-) Klosters.

Unterrichts- und Wohlthätigkeitsanstalten. L. hat ein Gymnasium (Katharineum), 1531 gegründet, mit Realgymnasium und Vorschule, eine staatliche Realschule mit Vorschule, von Großheimsche Realschule, ein Privatprogymnasium, Handelsinstitut, eine Gewerbe-, Navigationsschule, mehrere höhere Mädchenschulen, reich dotierte Wohlthätigkeitsanstalten, darunter die städtische Armenanstalt, das St. Johannis-Jungfrauenkloster, 1177 gegründet, seit der Reformation Versorgungsanstalt für unbemittelte Bürgerstöchter, und das Heilige-Geist-Hospital für schuldlos verarmte Bürger und Bürgersfrauen mit großem Besitz an Gütern und Waldungen. Zu erwähnen sind endlich die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit (1789) mit zahlreichen Instituten (Museum, Bibliothek u. a.), die Vereine für Geschichte und der Kunstfreunde, der Geographische Verein, die Volksbibliothek und die Spar- und Anleihekasse.

Industrie und Handel. Die Industrie erstreckt sich auf Maschinen- und Eisenblechwarenfabriken, Schiffswerft für eiserne Schiffe mit Schwimmdock, chemische, Dünger- und Leimfabriken, Hobel- und Sägewerke, Brauereien, Fischräuchereien, Möbel-, Pflanzenkübel-, Faß-, Bürsten-, Piassava-, Wäsche-, Konserven- und Cigarrenfabriken, Kunst- und Handelsgärtnereien. Die Interessen von Industrie und Gewerbe werden durch eine Gewerbekammer und einen Industrieverein vertreten. L. ist Sitz der Privatbahn-Berufsgenossenschaft, der 2. Sektion der Hamburgischen Baugewerks- und der 8. Sektion der Ziegelei-Berufsgenossenschaft. Bedeutend ist der Handel, besonders mit Schweden, Finland, Rußland und Dänemark, und die Schiffahrt. Der Seehafen L.s Travemünde ist als solcher von geringer Bedeutung, da infolge der Regulierung der Trave Seeschiffe von 5 m Tiefgang jetzt nach der Stadt selbst gelangen können. Eine 1878 vollendete feste Brücke über die Elbe bei Lauenburg gestattet einen unmittelbaren Eisenbahnbetrieb nach Lüneburg. Dampfschiffe unterhalten regelmäßige Verbindung mit deutschen, schwed., russ., finn. und dän. Häfen. Seit Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals hat der Schiffverkehr schwer mit dem Mitbewerb Hamburgs zu kämpfen; eine Besserung ist mit der Her-^[folgende Seite]