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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ludwig XIV. (König von Frankreich)

Turenne in die Niederlande (s. d.) ein und eroberte binnen sechs Wochen die Hälfte der Provinzen; der Durchstich der Deiche, das Emporkommen Wilhelms III. von Oranien, das Eingreifen der europ. Mächte retteten das Land; 1673 belagerte L. Maastricht; die Generalstaaten verbanden sich indes mit Spanien, Brandenburg und dem Kaiser, und auch das Reich trat endlich bei, nachdem eine franz. Armee am Rhein das Erzstift Trier überfallen und die zehn, schon halb mit Frankreich verbundenen Reichsstädte des Elsaß ganz in ihre Gewalt gebracht hatte. L. stellte seinen Feinden im Frühjahr 1674 drei große Armeen entgegen. Mit der einen besetzte er selbst die Franche-Comté. Die andere unter Condé machte die Niederlande zum Schauplatz des Krieges und siegte bei Senef. Eine dritte unter Turenne verheerte die Pfalz und begegnete den Kaiserlichen und dem Großen Kurfürsten mit Glück im Elsaß. Nach einer kurzen Pause, die der Tod Turennes und der Abgang Condés verursachte, erschien L. zu Anfang 1676 mit Verstärkungen in den Niederlanden und eroberte viele Plätze, während Luxembourg den Breisgau verheerte und den Prinzen von Oranien bei Mont-Cassel schlug. Alles Land zwischen Saar, Mosel und Rhein war auf Louvois' und des Königs Befehl zur Wüste gemacht worden. Im Mittelmeere gewann Duquesne die Oberhand über de Ruyter; den Brandenburger hatte Schweden, den Kaiser eine östl. Koalition abgezogen. Erst infolge des feindlichen Auftretens von England schloß L. 1678 den Frieden zu Nimwegen (s. d.) und erhielt von den Generalstaaten eine Menge Plätze, von Spanien die ganze Franche-Comté. Dem Kaiser gab er Philippsburg zurück, erhielt aber dafür Freiburg und blieb in dem Besitz aller Eroberungen im Elsaß. Dieser Friede bezeichnet den Höhepunkt von L.s Macht, er und Louvois gedachten ihn auszubeuten. Nachdem er die zehn Reichsstädte und die Reichsritterschaft zur Huldigung gezwungen hatte, errichtete er zu Metz, Breisach, Besançon die berüchtigten Réunionskammern (s. d.) und ließ sich alle Ortschaften, Distrikte, Grafschaften zusprechen, die nur jemals zu den von Frankreich gemachten Eroberungen gehört hatten. Straßburg wurde, völlig isoliert, 30. Sept. 1681 im Frieden durch Überfall genommen. Ebenso verfuhr L. an den niederländ. Grenzen. Endlich verbanden sich die Generalstaaten, Spanien und der Kaiser und vermochten L. 1684 zu Regensburg zu einem 20jährigen Waffenstillstande, in dem er die Einstellung weiterer Réunionen versprach. 1681 ließ er durch eine Flotte Tripolis, 1684 Algier und Genua beschießen. Im Innern setzte L. die königl. Allmachtansprüche immer schroffer durch; doch wurde die produktive Wohlfahrtspolitik bald durch ein bloßes, nach Steuerertrag ringendes fiskalisches Verfahren verdrängt. Im Zusammenhang mit L.s Staatsidee steht die festere Gründung einer selbständigen franz. Kirche, die sich auf dem Nationalkonzil von 1682 (s. Gallikanische Kirche) gegen Rom für den König erklärte, aber auch alle individualistischen Regungen (s. Jansenisten) zertrat. Gegen die Hugenotten (s. d.) ließ L. sich durch seine Geistlichkeit zu fortschreitender Unduldsamkeit hinreißen: er hielt den Protestantismus in Frankreich für erloschen, die Dragonaden (1683), die Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) sollten die Reste wegfegen und zerstörten ein Element wirtschaftlicher und geistiger Lebendigkeit auf franz. Boden. Diese Richtung L.s, eine steigende Bigotterie, wurde gefördert durch die Frau von Maintenon (s. d.), mit der er nach einer Reihe von frühern Geliebten (s. Lavallière, Montespan, Fontanges), nach dem Tode seiner Gemahlin (1683), in geheimer Ehe verbunden war. Nach innen leitete er so einen Stillstand ein, dem der Rückschlag folgen mußte; den gleichen Gang nahm das Auswärtige, auf das L. alle Kräfte warf. Sein Streben nach der Hegemonie über Europa führte, nach kleinern Konflikten, 1688 zu offenem Bruch mit dem Papst Innocenz XI. In demselben Jahre ward L. durch die engl. Revolution, die Verbindung Englands mit Holland, den prot. deutschen Ständen und den Habsburgern in Österreich und Spanien zu einem neuen Kriege gedrängt. Anlaß war für ihn neben anderm der Erbanspruch an die Pfalz, den er von dem angeblichen Rechte seiner Schwägerin Elisabeth Charlotte von Orléans auf die Allodialgüter ihres Vaters, des verstorbenen Kurfürsten Karl Ludwig, herleitete. Verbündet mit dem Kurfürsten von Köln, Karl Egon von Fürstenberg, besetzte er Bonn und überzog im Sept. 1688 die Pfalz, Baden, Württemberg und Trier. Zu Anfang 1689 verwüsteten hierauf die franz. Truppen die Unterpfalz in fürchterlicher Weise. L. sandte Luxembourg mit einem starken Heere nach den Niederlanden; er schlug die Verbündeten 1. Juli 1690 bei Fleurus, während Catinat Savoyen eroberte. Am 10. Juli schlug der Admiral Tourville die brit.-niederländ. Flotte auf der Höhe von Dieppe, so daß die Franzosen kurze Zeit zur See das Übergewicht erhielten.

Auch in den folgenden Jahren blieb das Kriegsglück auf seiten L.s; er belagerte 1692 Namur, worauf Luxembourg die Schlacht von Steenkerken gewann. Dagegen wurde 28. Mai die franz. Flotte, welche die Landung des vertriebenen Königs von Großbritannien, Jakobs II., an der brit. Küste versuchen sollte, von Russell und Almonde bei dem Kap de la Hague fast gänzlich vernichtet. Nachdem 1691 mit Louvois die Seele des Krieges geschieden war, waren die Verbündeten 1693-95 im Übergewicht; auch Luxembourg starb 1695; eine riesige Kriegssteuer wurde im selben Jahre nötig, und der Friede ward für L. zum Bedürfnis; zu Ryswijk (s. d.) kam er 1697 zu stande, und Frankreich wahrte zum erstenmal nur eben den Besitzstand.

Frankreich war völlig erschöpft, als es wenige Jahre später durch den Tod Karls II. von Spanien aufs neue vor die Aufgabe gestellt wurde, einer europ. Koalition die Spitze zu bieten. Der Spanische Erbfolgekrieg (s. d.), in dem L. die gesamte span. Monarchie gegen den mit den Seemächten und der Mehrzahl der deutschen Stände verbündeten Kaiser für seinen Enkel Philipp von Anjou zu erkämpfen suchte, schlug der Macht L.s unheilbare Wunden. Der alte König, der den gesamten Kampf selber lenkte, hielt sich in der Bedrängnis mit bewundernswerter Würde und Festigkeit aufrecht. In den Friedensschlüssen von Utrecht und Rastatt (1713 fg.) behauptete er zwar für seinen Enkel das Pyrenäenreich, aber die ital. und niederländ. Dependenzen gingen verloren, und England legte durch die Vernichtung der franz.-span. Flotten und die Eroberung einer Reihe ihrer Kolonien den Grund zu seiner maritimen Größe. Die franz. Monarchie aber erholte sich von den Schlägen von Höchstädt und Turin, Malplaquet und Ramillies nie wieder. Seitdem seufzte sie unter der Schuldenlast, deren Druck vorzugsweise dazu beitrug, die Revolution zu fördern.