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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Luftschiffahrt

zwei Luftschiffercompagnien auf (Aerostiers), die in einiqen Fällen günstige Erkundungsergebnisse geliefert haben sollen. Da die großen Erwartungen sich nicht erfüllten, so ließ Bonaparte 1794 die Compagnie auflösen. 1826 wurden von dem franz. Kriegsministerium die Versuche wieder aufgenommen: der Expedition nach Algier 1830 wurde ein Ballontrain (s. d.) mitgegeben, der indessen nicht zur Verwendung kam. Nachdem die Russen 1812 den mißglückten Versuch gemacht hatten, vermittelst großer Ballons Bomben zu werfen, ließen die Österreicher bei der Belagerung von Venedig 1849 kleine Ballons aufsteigen, mittels deren die Stadt mit Bomben überschüttet werden sollte. Der Versuch scheiterte, da die Ballons eine falsche Richtung einschlugen. Versuche der Franzosen im Italienischen Kriege von 1859, den Fesselballon zu Erkundungszwecken zu benutzen, hatten wenig Erfolg, ebensowenig die im amerik. Bürgerkriege von 1861 bis 1865; dagegen soll er im Kriege gegen Paraguay auf brasil. Seite gute Dienste geleistet haben. Der Krieg von 1870 und 1871 lenkte von neuem das Interesse auf die militär. Verwendung der L. Abgesehen von Fesselballons, in deren Vervollkommnung Fortschritte kaum zu bemerken waren, war es besonders die Anwendung des freien Ballons (Ballon détaché), die die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog (s. Ballonpost). Von 64 aus Paris aufgestiegenen Ballons fielen nur 5 in die Hände der Deutschen, während 2 im Meere verunglückten. Deutscherseits waren 1870 zwei Luftschifferdetachements der Operationsarmee beigegeben, indessen kamen sie weder vor Straßburg noch vor Paris dazu, irgend welche Dienste zu leisten. Angeregt durch die Erfolge, die die Anwendung der freien Ballons ergeben hatte, wurden nach dem Kriege mehrfach (besonders eifrig in Frankreich) Versuche zur Herstellung eines lenkbaren Ballons gemacht.

Nachdem in Frankreich bereits bei den Manövern 1880 ein feldmäßig ausgerüsteter Ballontrain (s. d.) aufgetreten war, wurde 1884 ein ähnlicher Train dem Expeditionskorps in Tongking zugewiesen und soll hier wesentliche Dienste geleistet haben. Auch in England war bereits 1880 bei Gelegenheit eines großen Manövers der Freiwilligen der feldmäßig eingerichtete Fesselballon zur Anwendung gekommen, und dem ägypt. Expeditionskorps unter Lord Wolseley wurde 1885 ein Ballontrain zugeteilt. Die franz. Feldballontrains befinden sich in Montpellier, Grenoble, Versailles und Arras, die Festungsballontrains in Toul, Epinal, Belfort und Gray. Diese Neubildung erfuhr inzwischen eine weitere Ausbildung und es scheint jetzt jedes Armeekorps, abgesehen von verschiedenen Festungen, mit einem Ballontrain ausgerüstet zu sein. Von den andern Staaten traten zunächst Rußland und Italien mit einem aus Frankreich bezogenen Ballontrain auf, demnächst folgten nicht nur Österreich, Belgien, Holland, Dänemark, sondern sogar China, das mit einem aus Paris bezogenen Ballontrain 1882 in Tien-tsin Versuche anstellte. In Deutschland wurde 1. Juni 1884 in Berlin eine Versuchsstation für Fesselballons eingerichtet und derselben ein aus versuchsweise abkommandierten Offizieren und Mannschaften gebildetes Ballondetachement zugeteilt; 1. April 1887 wurde dieses anfangs nur provisorische Detachement als etatsmäßige Luftschifferabteilung (s. d.) ständig aufgestellt. Ferner ist der Ballon auch als optisches Signalinstrument in Anwendung gekommen. In Rußland, England und Belgien sind Versuche gemacht worden, den Ballon zu einer Art optischen Telegraphie zu benutzen (s. Ballontelegraphie); doch leidet das System noch an Langsamkeit und Unsicherheit.

Die Tafeln: Luftschiffahrt I u. II zeigen verschiedene Luftschiffe, von denen Fig. 1 u. 6 der Taf. I oben erwähnt sind. Taf. II, Fig. 3, zeigt das Yonsche Ballonventil, Taf. I, Fig. 7, die Verbindung von Netz und Gondel durch den Ring (s. Luftballon). Die Fig. 2, 3, 4 u. 8 derselben Tafel stellen lenkbare Luftschiffe dar (s. Lenkbarkeit der Luftschiffe). Taf. I, Fig 5, sowie Taf. II, Fig. 4 u. 5, beziehen sich auf Fesselballons (s. d.). Taf. II, Fig. 2, zeigt einen Yonschen Gaserzeuger, welcher Wasserstoffgas zur Füllung eines Militärfessellballons erzeugt, und zwar aus Wasser (40 cbm für den 540 cbm fassenden, 3 Personen tragenden Ballon), Schwefelsäure und Eisen; die Füllung dauert 2½ Stunden. Taf. II, Fig. 6, veranschaulicht die Füllung eines Fesselballons mit komprimiertem Wasserstoffgas. Die Taf. II, Fig. 1, führt Forlaninis Flugapparat (s. Flugtechnik) vor.

Die Verwendung der L. zu wissenschaftlichen Zwecken ist bisher nur für die Meteorologie von größerm Erfolg begleitet gewesen, vor allem in Bezug auf Wärme- und Feuchtigkeitsverhältnisse, Windrichtung und -Geschwindigkeit sowie Luftelektricität, die hier freier von Störungen sind als auf Höhenstationen. Die erste diesen Zwecken erfolgreich dienende Fahrt, von einigen frühern, wenig bedeutenden Versuchen abgesehen, machte 1803 der Physiker Robertson in Hamburg, der nachweislich 6880 m Höhe erreichte. 1804 erfolgten die Fahrten von Biot und Gay Lussac, der auf dem zweiten allein unternommenen Aufstieg die geringe Veränderlichkeit des Erdmagnetismus bis auf die Höhe von fast 7000 m feststellte. Barral und Bixio gelangten im Juni und Juli 1850 bis zu 5900 und 6750 m Höhe. Die Ergebnisse aller dieser Fahrten leiden aber an dem Fehler, daß man die Instrumente nicht genügend gegen die Sonnenstrahlung schützte. An demselben Fehler leiden auch die auf Veranlassung des Meteorologischen Instituts in Kew 1852 von Welsh bis 7000 m Höhe gemachten Fahrten, sowie die nach einheitlichem Plan in drei Ballons vollbrachten 28 Aufstiege (1862-65) des engl. Meteorologen James Glaisher, die für unsere Kenntnis der Wärme- und Feuchtigkeitsveränderungen mit der Höhe grundlegend geworden sind. Glaisher stieg fünfmal über 7000 m; 5. Sept. 1862 fiel er in etwa 8500 m Höhe in Ohnmacht, sein Begleiter Coxwell kehrte erst um, als er einer allerdings höchst unwahrscheinlichen Berechnung nach 10-11 000 m Höhe erstiegen hatte. Bei der Fabrt der Franzosen Sivel, Crocé-Spinelli und Tissandier (15. April 1875) erlagen die beiden ersten in etwa 8000 m Höhe dem Mangel an Sauerstoff, während der Ballon noch 300 m höher stieg. Von den Unternehmungen der neuesten Zeit sind neben einigen russ. und österr. Aufstiegen die Fahrt des Schweden Andree über die Ostsee, sowie die Versuche Hermites in Paris erwähnenswert, dessen unbemannte, mit selbstthätigen, leider aber ebenfalls nicht gegen die Sonnenstrahlung geschützten Registrierinstrumenten versehene kleine Ballons bis zu 14 000 m Höhe erreichten. Doch ist gegenwärtig unzweifelhaft die Führung an die Deutschen übergegangen; hier ist außer den seit mehrern Jahren vom Münchener "Verein für L." systematisch unternommenen wissenschaftlichen Ballonfahrten beson-^[folgende Seite]