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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Luxemburg (Großherzogtum)

gier, 2862 Franzosen, 1043 Italiener, 272 Österreicher und Ungarn und 325 andere. L. gehört dem deutschen Sprachgebiet an, dessen Westgrenze sich hier verläuft. Die Volkssprache ist ein den mitteldeutschen Dialekten verwandtes Platt, das namentlich im Munde der Gebildeten mit vielen mehr oder weniger verstümmelten franz. Wörtern zersetzt ist. Schriftsprache sind die deutsche und die französische; erstere herrscht in Schule, Religion und Presse vor, letztere in der Gesetzgebung, Verwaltung (außer im Zoll- und Militärwesen) und in der Gerichtspflege. Nach der Verfassung sind beide Sprachen gleichberechtigt.

Landwirtschaft und Bergbau. Die Landwirtschaft ist besonders im südl. Teil vertreten, Wein wächst im Thale der Mosel und an der untern Sauer, Weizenbau wechselt mit großen Forsten; im N. findet sich nur Roggen- und Haferbau, vor allem aber Eichenbuschwälder, sog. Lohhecken. Von der Gesamtfläche sind 125 141 ha Ackerland, 26 472 ha Wiesen, 55 179 ha Wald, 22 980 ha Lohhecken, 3406 ha Gärten, 1080 ha Weinberge, 549 ha Baumpflanzungen und 27 982 ha Rodland. Der Ertrag an Getreide wird auf 1,3 Mill. hl, an Wein auf durchschnittlich 50 000 hl geschätzt im Werte von 2 Mill. Frs. Die Obstzucht liefert reiche Erträge, die Viehzucht ist sehr bedeutend. 1895 wurden gezählt 17 828 Pferde, 83 063 Stück Hornvieh, 20 627 Stück Wollvieh, 96 355 Stück Borstenvieh, 11 829 Ziegen. Die 2176 Branntweinbrennereien erzeugen jährlich 2½-3 Mill. l Obst- und Getreidebranntwein. Nach Gesetz vom 21. März 1896 wird 1. Okt. 1896 eine Branntweinbesteuerung nach deutschem Muster eingeführt. Die Interessen der Landwirtschaft werden durch zwei große Ackerbauvereine und eine landwirtschaftliche Gesellschaft, ferner durch eine Ackerbaukommission als staatliches Organ vertreten. Eine staatliche Ackerbauschule mit chem. Versuchsstation besteht in Ettelbrücke. Berühmt sind die Eisenerzlager im südwestl. Grenzgebiete. Die Gesamtproduktion des Eisenbergbaues beträgt jährlich 3-4 Mill. t, die in 56 Gewerkschaften mit etwa 4500 Arbeitern gefördert werden. Außerdem finden sich Kupfer, Antimon, Bleierze und Schwefelkiese, die jedoch nicht abgebaut werden. Bedeutende Steinbrüche an der Sauer und Mosel liefern ausgezeichnete Bau- und Pflastersteine, die großen Absatz nach dem Auslande finden; Kalk und Gips sind reichlich vorhanden, ebenso Töpfererde, Dolomit u. s. w. Schieferbrüche finden sich an der belg. Grenze.

Industrie und Handel. Die Hauptindustrie des Landes ist die Eisenindustrie (Roh- und Walzeisen, Stahl u. s. w.) mit etwa 8000 Arbeitern. Daneben bestehen bedeutende Tuch-, Handschuh-, Fayence-, Steingut-, Tabak-, Papierfabriken, Mühlen, Brauereien und Gerbereien. Als staatliches Organ für die Vertretung der Gewerbe- und Handelsinteressen besteht eine Handelskammer, deren Mitglieder (21) durch den Großherzog auf sechs Jahre ernannt werden. Eine sog. Arbeitsbörse ist seit 1892 mit den Postämtern verbunden. Eine Gewerbe- und Handelsbibliothek besteht seit 1893 in L. Neben mehrern Privatbanken hat L. eine Notenbank (die Internationale Bank). Der gesetzliche Münzfuß ist der Frank. Doch hat das Land außer Scheidemünze à 2½, 5 und 10 Cent. (im Betrage von 600 000 Frs.) kein eigenes Geld; den Ersatz bietet deutsches Geld, das den Verkehr beherrscht. L. gehört seit 1843 zum deutschen Zollverein.

Verkehrswesen. Über die Eisenbahnen s. Luxemburgische Eisenbahnen. Das Land besitzt ein ganz bedeutendes Straßennetz: 690 km Staatsstraßen und Leinpfade, 280 km Hauptverbindungswege. Der für Kähne schiffbare Teil der Sauer hat eine Länge von 59 km, die Strecke der Mosel beträgt 36,2 km. Die Zahl der Postanstalten betrug (1894) 84, der Telegraphenämter 123 mit 600 km Leitungen und 1744 km Drähten, der Fernsprechstellen (668 km Leitungsnetz) 1389. Befördert wurden (1894) 8 012 104 Briefschaften jeder Art, 351 712 Pakete, 264 847 Postanweisungen, 127 Postbons, 85 940 Handelseffekten, 2 454 373 Zeitungen; die Zahl der Telegramme betrug 113 621, die Gesamteinnahme 826 007, die Ausgabe 980 100 Frs. Unterrichtswesen. Es bestehen ein großherzoglich kath. Athenäum mit philos. Kursus, eine Industrie- und eine Handelsschule in der Hauptstadt, je ein Gymnasium (Diekirch), Progymnasium (Echternach) und Priesterseminar (Luxemburg), eine Normalschule für Lehrer und Lehrerinnen in L., eine Ackerbauschule zu Ettelbrück, eine Taubstummenanstalt und eine Handwerkerschule (Gesetz vom 14. März 1896) zu L., 23 Oberprimär- und 750 Primärschulen, darunter 8 und 6 private. Außerdem 491 öffentliche und 40 Privatfortbildungsschulen. Seit 1881 ist der Schulzwang eingeführt.

Verfassung und Verwaltung. Das von den europ. Großmächten durch den Londoner Vertrag vom 11. Mai 1867 für neutral erklärte Großherzogtum ist eine im Mannsstamm des Hauses Nassau nach der Erstgeburt erbliche Monarchie. Die Regierung besteht aus einem Präsidenten mit dem Titel Staatsminister und zwei oder drei Mitgliedern, Generaldirektoren genannt. Die der belgischen nachgebildete Verfassung stammt von 1848 mit Abänderungen vom 27. Nov. 1856 und 17. Okt. 1868. Der Gesetzgebende Körper besteht nach dem Wahlgesetz von 1884 und 1892 aus der Deputiertenkammer, deren 45 Mitglieder in direkter Wahl in den Kantonen auf 6 Jahre gewählt und zur Hälfte alle 3 Jahre erneuert werden; die Kammer tritt jedes Jahr zur ordentlichen Session Anfang November zusammen. Zur Wahlberechtigung sind 15 Frs. jährliche Steuer und wie zur Wählbarkeit 25 Lebensjahre erforderlich. Der Staatsrat, der in gesetzgebender Hinsicht nur beratende Stimme hat, besteht ans höchstens 15 vom Großherzog ernannten Mitgliedern; ein Ausschuß von 7 Mitgliedern bildet das Verwaltungsgericht.

Das Land zerfällt in folgende Distrikte (1895):

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Distrikte qkm Einwohner Evangelische Katholiken Isrealiten

Luxemburg (Stadt) 3,5 19 909 456 19 013 357

Luxemburg (Land) 900,5 94 578 737 93 907 306

Diekirch 1159,0 64 649 79 63 737 202

Grevenmacher 524,9 39 047 44 38 779 189

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Nach dem Budget für 1896 belaufen sich die Einnahmen auf 9 340 600 Frs., darunter 2 412 900 Frs. direkte und 1 496 000 Frs. indirekte Steuern und 2,98 Mill. Frs. Zölle; die Ausgaben auf 8 924 000 Frs., darunter für Kultus 468 040, bewaffnete Macht 429 000, Landwirtschaft 909 000, öffentliche Arbeiten 1 135 200, Unterricht und Kunst 949 100 Frs.; die Staatsschuld besteht aus drei Anleihen (1859, 1863, 1882) im Gesamtbetrage von 14,5 Mill. Frs., die 1893/94 zu 3½ Proz. konvertiert worden sind. Für die Rechtspflege ist der Code Napoléon