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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Mainz

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Mainz

Mainz. 1) Kreis in der hess. Provinz Rheinhessen, hat 197,28 qkm und (1895) 125507 (1890: 117298 [60547 männl., 56751 weibl.]) E. in 2 Städten und 21 Landgemeinden. – 2) Hauptstadt der hess. Provinz Rheinhessen, Kreisstadt im Kreis M. und bedeutende Festung, ehemals Residenz der Erzbischöfe und Kurfürsten von M., liegt am linken Rheinufer, gegenüber der Mündung des Mains in den Rhein, mit der gegenüber liegenden Stadt Kastel (s. d.) durch eine Straßenbrücke und eine Dampffähre verbunden, an den Linien Frankfurt a. M.-Bingerbrück, M.-Worms (45,9 km), M.-Alzey (41,1 km) und M.-Aschaffenburg (76,2 km) der Hess. Ludwigsbahn, mit Straßenbahnen nach Finthen und Hechtsheim, ist Sitz der Provinzialdirektion, des Kreisamtes, eines Bischofs und Domkapitels, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Darmstadt) mit Kammern für Handelssachen in M. und Worms und 11 Amtsgerichten (Alzey, Bingen, M., Niederolm, Ober-Ingelheim, Oppenheim, Osthofen, Pfeddersheim, Wöllstein, Wörrstadt, Worms), eines Amtsgerichts, des Kommandos der 41. Infanteriebrigade und der 2. Pionierinspektion, eines Gouvernements, einer Kommandantur, Fortifikation, eines Artilleriedepots und Bezirkskommandos, hat 1895: 76957 (39450 männl., 37507 weibl.) E. (1890: 72281, darunter etwa 24000 Evangelische und 3200 Israeliten). In Garnison liegen (einschließlich der in Kastel liegenden Truppen) die Infanterieregimenter Nr. 87 und Nr. 88, das Großherzogliche hess. Infanterie-Leibregiment Nr. 117, das 1. und 4. Bataillon des Infanterieregiments Prinz Karl Nr. 118, die 3. und 4. Eskadron des Husarenregiments Nr. 13, die 1., 3. und 4. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 27, das Fußartillerieregiment General-Feldzeugmeister Nr. 3 und das Pionierbataillon Nr. 11. (Hierzu ein Plan mit Verzeichnis der Straßen u. s. w.)

^[Abb.]

Anlage und Bauten. Die Stadt hat sich infolge der Hinausschiebung der Festungswälle und der Umführung der Bahn um die Stadt (großer Tunnel durch den Citadellenberg) erheblich erweitert und verschönert. Die Rheinbrücke ist 1882‒85 von Holzmann und Benckieser, nach Plänen von Professor Thiersch, erbaut. Von Plätzen und Anlagen sind zu erwähnen der Marktplatz mit einem Renaissancebrunnen (1526), der Gutenbergsplatz mit dem ehernen Standbild Gutenbergs (von Schall, 1837), der Schillerplatz mit dem Standbild Schillers (1862), der Schloßplatz, der Bahnhofsplatz, der Halleplatz, die Mathildenterrasse u. a. M. hat 10 kath. Pfarrkirchen und eine Anzahl Kapellen, eine evang. Kirche und 2 Synagogen. Der Dom, dem heil. Martin geweiht, hat 6 Türme, deren höchster 83 m hoch ist, im Innern 9 Kapellen und 14 Altäre. Er ist 978‒1009 zuerst errichtet, im 12. und 13. Jahrh. nach mehrern Bränden wieder aufgebaut und litt besonders durch die Belagerung von 1793. Die Wiederherstellung ist unter Bischof von Ketteler 1856‒79 ausgeführt worden. Die hochgelegene frühgot. Stephanskirche hat einen Kreuzgang mit zierlichem Netzgewölbe, die Ignatiuskirche vorzügliche Deckengemälde von Januarius Zick-Koblenz. Andere erwähnenswerte Gebäude sind das ehemalige kurfürstl. Schloß aus rotem Sandstein, 1627 begonnen, 1678 vollendet, der Ostflügel 1754 vollendet; seit 1842 enthält es die bedeutende Sammlung röm. und german. Altertümer und das mit derselben verbundene Römisch-Germanische Centralmuseum, 1852 vom Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine gegründet (etwa 13200 Nachbildungen von in Deutschland gefundenen Altertümern der vorchristl. Zeit); ferner die Gemäldegalerie und die Stadtbibliothek (180000 Bände, 1100 Handschriften, 2000 Karten u. s. w.), das naturhistor. und ethnolog. Museum u. a.; ferner neben dem Schloß das ehemalige Deutschordenshaus im Barockstil (1731‒39), jetzt großherzogl. Palais, das Zeughaus (1738), der Justizpalast (1715), das Gouvernement (1747), dann von neuern der Centralbahnhof (1884), das Verwaltungsgebäude der Hessischen Ludwigsbahn, das neue Gymnasium, das Konzerthaus der Liedertafel (1890), die Stadthalle am Rheinquai mit Festsaal und das Reichsbankgebäude (1894). In der Südwestecke der Citadelle der Eigelstein oder Eichelstein, eine turmartige Masse aus röm. Gußmauerwerk, der Tradition nach ein dem Drusus von den Legionen errichtetes Denkmal; bei Zahlbach die Reste einer röm. Wasserleitung.

Die Stadt hat bischöfl. Priesterseminar, Gymnasium, Realgymnasium, verbunden mit einer Realschule, eine Real- und Handelsschule mit Pensionat, Handwerker- und Kunstgewerbeschule, mehrere höhere Mädchenschulen, Musikschule, Invalidenhaus, 2 Hospitäler und eine Entbindungsanstalt. Die 1477 gestiftete Universität wurde 1798 aufgehoben.

M. ist einer der wichtigsten Verkehrsplätze am Rhein und Stapelplatz für die von den niederländ. und belg. Häfen den Rhein heraufkommenden Waren. Die Industrie steht in hoher Blüte, besonders haben die Mainzer Leder-und Möbelfabriken europ. Ruf; in der Nähe ist eine Armeekonservenfabrik. M. ist Sitz der Lederindustrie-Berufsgenossenschaft und ihrer 4. Sektion, der 2. Sektion der Westdeutschen Binnenschiffahrt-, der 3. Sektion der Steinbruchs- und der Südwestdeutschen Holz-, der 4. Sektion der Papiermacher- und der Hessisch-Nassauischen Baugewerks-, der 6. Sektion der süddeutschen Eisen- und Stahl- und der Speditions-, Speicherei- und Kellerei- und der 33. Sektion der Fuhrwerks-Berufsgenossenschaft. Bedeutend ist auch der Buch- und Kunstdruck sowie der Musikalienverlag und besonders der Weinhandel. In der Umgegend wird viel Spargel gebaut. Es bestehen eine Handelskammer, Gewerbeverein, mittelrhein. Fabrikantenverein, Reichsbankstelle und Filiale der Darmstädter Bank.

Festung. Die seit 1871 erweiterten Festungswerke haben ohne die Rheinkehle-Befestigung einen Umfang von 5 km. Am obern Rheinanschluß beginnt, nach S. gerichtet, eine Reihe bastonierter Fronten, hinter deren einer die Citadelle mit dem Bastion Drusus und einigen andern liegt; dann folgt eine Anzahl bastionierter oder tenaillierter, nach SW. gerichteter Fronten; an das höchste, Bastion Alexander, schließt sich in gerader Linie die nach dem Polygonaltrace erbaute Neue Front an, welche, von fünf Kavalieren überhöht, an der äußersten Spitze des Hardenbergs endigt; von hier übermittelt die neue Nordwestfront wiederum den Anschluß an den Rhein. Die nach der Rheinseite sehende Kehle von M., gegen 4 km lang, ist durch eine von Flankenbatterien bestrichene Mauer gesichert, die teilweise durch ein eisernes Palissadengitter ersetzt ist. Die Stadt Kastel bildet den Brückenkopf von M. Ihre Befestigung besteht aus vier bastionier-^[folgende Seite]