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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Mantilla - Mantua

handelten, teilten sie in kunstlose und in künstliche. Die erste geht aus dem Gefühl des Menschen selbst hervor, die zweite beruht auf Beobachtung und Erklärung. Außer den direkten Sehersprüchen und Orakeln sind vor allem zu bemerken die Voraussagungen aus der Stellung der Gestirne (s. Astrologie und Horoskop), ferner die Auslegung der Träume (Oneiromantie), die Prophezeiung durch Totenbeschwörung (Nekromantie oder Nekyomantie) und viele andere, die mit dem Worte "Mantie" zusammengesetzt sind. Zu den mannigfachen neuern Wahrsagekünsten gehören die Kartenlegerei, die Punktierkunst, die Wahrsagung aus dem Kaffeesatz oder Hundegebell u. s. w. Im alten Rom zeichneten sich durch Wahrsagung namentlich die Etrusker und Chaldäer aus; von letztern haben sich eine beträchtliche Menge von Keilschrifttexten erhalten, die nur von Wahrzeichen aus Mißgeburten bei Menschen und Tieren, Sternkombinationen, Träumen, Begegnung von Hunden u. s. w. handeln.

Mantilla (spr. -tillja; Mantille), in Spanien der große Frauenschleier, der auf dem Kopf befestigt wird und den Oberkörper umhüllt; danach Bezeichnung für ein kleines, leichtes Frauenmäntelchen, das für die Sommertoilette ungefähr um das J. 1730 in Frankreich modisch wurde.

Mantinea (grch. Mantineia), im Altertum eine bedeutende Stadt im östl. Arkadien, an der Grenze von Argolis, entstand bald nach den Perserkriegen aus mehrern Bauerngemeinden und wurde berühmt namentlich durch die Schlacht, welche die Thebaner hier im Hochsommer 362 v. Chr. gegen die Spartaner gewannen; der thebanische Feldherr Epaminondas fand dabei den Tod. Die Stadtmauer und das Theater sind noch in Resten erhalten. Die franz. Schule in Athen hat hier 1887-88 Ausgrabungen veranstaltet.

Mantiqueira (spr.-keĭ-), Serra da, Steilrand des innern Berglandes in Südbrasilien, zieht von São Paulo bis gegen Juiz de Fora der Küste entlang, besteht aus altkrystallinen Schiefern und erreicht im Itatiaya (s. d.) 2712 m Höhe. Das Gebirge bildet die Wasserscheide zwischen dem Parahyba im S. und dem Parana im N.

Mantis, Heuschrecke, s. Gottesanbeterin.

Mantisse (lat.), s. Logarithmus.

Mantovano, ital. Künstler, s. Ghisi.

Mantua (ital. Mantŏva). 1) Provinz im Königreich Italien, in der Lombardei, grenzt im N. an Brescia und Verona, im O. an Verona und Rovigo, im S. an Ferrara, Modena und Reggio, im W. an Cremona und Brescia und hat 2490 (nach Strelbitskij 2359) qkm mit (1881) 295 728, nach einer Berechnung vom 31. Dez. 1894: 311 382 E., d. i. 125 E. auf 1 qkm, und zerfällt in 11 Distrikte mit 68 Gemeinden. Die Provinz gehört der Lombardischen Ebene an, ist reich bewässert (Po, Oglio, mit Chiese, Mincio, Secchia und Schiffahrtskanäle) und fruchtbar. Haupterwerbsquellen sind Reis-, Getreide-, Hanf- und Weinbau, Bienen- und Seidenzucht, Fabrikation von Öl und Leder. - 2) Hauptstadt der Provinz M. und starke Festung, ehemals Hauptstadt des Herzogtums M., 37 km südlich von Verona, am Mincio, der hier mehrere Seen bildet, nordwestlich vom Lago superiore, nordöstlich vom Lago di Mezzo, östlich vom Lago inferiore, südlich und südwestlich von sumpfigem Tiefland umgeben, welches bei einer Belagerung ebenfalls unter Wasser gesetzt werden kann, liegt an den Eisenbahnlinien Verona-Modena und Cremona-Padua, mit Straßenbahnen nach Brescia, Asola, Viadana und Ostiglia, ist von einer alten bastionierten Mauer umgeben und wegen ihrer sumpfigen Lage und des schlechten Wassers sehr ungesund. Die Stadt ist Sitz der Präfektur und des Kommandos der Infanteriebrigade "Alpi" und hat (1881) 28 048, nach einer Berechnung vom 31. Dez. 1893: 29 600 E., darunter etwa 3000 Israeliten, in Garnison das 51. und 52. Infanterieregiment, 2 Schwadronen des 4. Kavallerieregiments und die 1. Brigade des Festungsartillerieregiments Nr. 28. Auf der Piazza delle Erbe steht ein 1871 errichtetes Standbild Dantes sowie die bedeutendste der Kirchen, Sant' Andrea, von großartigen Verhältnissen, 1472 nach Plänen von Leone Battista Alberti begonnen, später verändert, mit moderner Kuppel (1782), weißer Marmorfaçade und Vorhalle, daneben der rote Ziegelturm mit achteckigem Aufsatz und got. Spitze; auf der Piazza Sordello ein Denkmal für die polit. Märtyrer von 1851, 1852 und 1853. Der Dom, eine fünfschiffige Säulenbasilika, ein Kreuzbau mit Kuppel, zwei Reihen kuppelgedeckter Kapellen, barocker Façade (1756) und unvollendetem roman. Turm, im Innern nach Entwürfen von Giulio Romano umgebaut, der alte herzogl. Palast der Gonzaga, jetzt Corte Reale, zum Teil Kaserne, ist 1302 von Guido Bonacossi begonnen, von Giulio Romano im Auftrage Federigos II. Gonzaga verändert und mit Fresken geschmückt. Nördlich von dem Palast das Teatro di Corte, östlich die alte Burg der Gonzaga, das Castello di Corte, jetzt Archiv, mit Wandgemälden von Andrea Mantegna (Fresken der Camera degli Sposi). Auf der Piazza Virgiliana eine Arena, in der Akademie der Wissenschaften und Künste (Virgiliana) Fresken, Skulpturen und Gipsabgüsse, südlich von der Porta Pusterla der Palazzo del Tè, abgekürzt aus Tejetto, von Giulio Romano erbaut und mit Wandgemälden und Grottesken geschmückt, das Justizgebäude und die Gebäude der 1625 gestifteten, später eingegangenen Universität. Ferner hat die Stadt eine theol. Lehranstalt, zwei Gymnasien, eine Haupt-und Unterrealschule, einen botan. Garten, eine Sternwarte, eine öffentliche Bibliothek (80 000 Bände) und ein ausgezeichnetes Museum, ein großes Militärhospital, ein Stadtkrankenhaus mit Irrenanstalt und Findelhaus, zwei Waisenhäuser, ein Leihamt, eine Arbeits- und Versorgungsanstalt und ein allgemeines Strafhaus. Die Bevölkerung treibt bedeutende Gerberei und Handel mit Seide. - In den westl. Sümpfen liegt das Hornwerk Pradella, an der Südseite die stark befestigte Insel Cerese und zugleich das Außenwerk Miglioretto, welches ein verschanztes Lager deckt und ein gewaltiges Schleusenwerk zum Unterwassersetzen des ganzen Gebietes, das durch das starke Fort Pietola gedeckt wird. Die Nordseite gegen Verona zu oder die Vorstadt Borgo di Fortezza, zu der über den See ein starker Damm (Argine Mulino, 436 m lang) führt, wird durch die große Citadelle di Porto, die Ostseite oder die Vorstadt Borgo di San Giorgio aber, wohin eine durch sechs Bastionen und zwei Strandbatterien verteidigte Steinbrücke (853 m) führt, durch das Fort San Giorgio geschützt. - Im Altertum wird M., das, wohl etrusk. Gründung, von Cäsar das röm. Bürgerrecht