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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Mecklenburg

Der Etat derselben Kasse für das vom 1. Juli 1894 bis 30. Juni 1895 laufende Geschäftsjahr bewegte sich um 17400000 M. Hierin ist die Einnahme aus den sog. Haushaltsgütern und die Ausgabe für den landesherrlichen Haus- und Hofhalt nicht mitbegriffen. Diese Abzweigung gewisser Haushaltsgüter von dem Domanium beruhte auf dem vereinbarten Staatsgrundgesetz von 1849, ist aber auch nach dessen Beseitigung und der damit herbeigeführten Entfernung ihrer staatsrechtlichen Grundlage als Verwaltungseinrichtung beibehalten worden. Die Matrikularbeiträge (s. Matrikel) an das Reich werden aus der Rentereikasse entrichtet. Der Etat der Landesrezepturkasse für 1894/95 schloß in Einnahme und Ausgabe mit 4,15 Mill. M. Die Haupteinnahme fließt aus den Landessteuern mit 1700000 M. und bisher auch aus dem Überschuß der Überweisungen aus der Reichskasse über die Matrikularbeiträge. Die Wechselwirkung zwischen den Überweisungen und den Matrikularbeiträgen wurde durch eine Vereinbarung zwischen Landesherrn und Ständen 1887 eingeführt. Von den landesherrlichen Schulden im Gesamtbetrage von rund 32½ Mill. M. wurden (1886) 12 Mill. und (1894) 10657800 M. in eine 3½ prozentige konsolidierte Anleihe verwandelt. Die Schulden der Landesrezepturkasse beliefen sich 1894 auf rund 71,4 Mill. M., zum größten Teil aus der Verstaatlichung fast sämtlicher Privateisenbahnen entstanden; 1889 betrugen die Schulden nur 11 Mill. M., hauptsächlich durch Eisenbahn-, Chaussee- und Wasserbauten hervorgerufen. Durch den Ankauf des größten Teils der Privateisenbahnen seitens des Staates kam zu Anfang 1890 eine 3½prozentige konsolidierte mecklenb. Landesanleihe im Betrage von 38,5 Mill. M. und 1894 infolge des Ankaufs auch der übrigen bisher noch nicht verstaatlichten Privateisenbahnen unter denselben Verhältnissen eine nochmalige Anleihe von 21,5 Mill. M. hinzu. Die Sicherheit dieser Anleihen bilden außer den Betriebseinnahmen die Einnahmen der Landesrezepturkasse. Eine Kündigung darf bei diesen Anleihen vor 1900 nicht erfolgen. Die sechs Reichstagswahlkreise sind: Hagenow-Grevesmühlen (Abgeordneter 1893 Rettich, deutschkonservativ), Schwerin-Wismar (von Viereck, deutschkonservativ), Parchim-Ludwigslust (Dr. Pachnicke, freisinnig), Malchim-Waren (Freiherr von Maltzan), Rostock (Dr. von Buchka), Güstrow-Ribnitz (Graf von Schlieffen, sämtlich deutschkonservativ).

Heerwesen. Nach der Militärkonvention mit Preußen vom 19. Dez. 1872 stellt Mecklenburg-Schwerin vom Grenadierregiment das 1., 3. und 4. Bataillon, das Füsilierregiment Nr. 90, das Jägerbataillon Nr. 14, die Dragonerregimenter Nr. 17 und 18 und die 1. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 24. Die beiden Infanterie- und die beiden Kavallerieregimenter gehören als 34. Infanterie- und 17. Kavalleriebrigade zur 17. Division und mit der Artillerie zum 9., das 1890 aus Schwerin nach Colmar im Elsaß verlegte Jägerbataillon zum 14. Armeekorps. Die Großherzöge haben sich gewisse Hoheitszeichen und Ehrenrechte gesichert.

Ⅱ. Herzogtum Mecklenburg-Strelitz, dem Flächenraum nach der 12., der Bevölkerungszahl nach der 20. Bundesstaat des Deutschen Reichs, zerfällt in zwei durch das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin vollständig voneinander getrennte Landesteile, die Herrschaft Stargard und das Fürstentum Ratzeburg mit zusammen 2929,50 qkm. Die Herrschaft Stargard (in neuerer Zeit, ohne geschichtlichen Grund, auch Herzogtum Strelitz oder Herzogtum Mecklenburg-Strelitz genannt) grenzt im W. an Mecklenburg-Schwerin, im N. an die preuß. Provinz Pommern, im O. und S. an Brandenburg. Dies Gebiet fällt ganz in den Bereich der Mecklenburgischen Seenplatte, deren höchster Punkt, der Helpter Berg (179 m), bei Woldegk liegt. Durch den westl. Teil der Herrschaft Stargard fließt die Havel, die aus einigen kleinen, in dem benachbarten Mecklenburg-Schwerin nahe der Grenze belegenen Seen entspringt. Unter den Landseen ist besonders der Tollensesee bei Neubrandenburg zu bemerken. Von dem Gesamtflächenraum (2547,56 qkm) entfallen auf das Domanium (mit Einschluß von 22 inkamerierten Gütern) ungefähr 1430 qkm. Das Fürstentum Ratzeburg, ein säkularisiertes Bischofsland, grenzt im NO. und O. an Mecklenburg-Schwerin, im S. und SW. an das Herzogtum Lauenburg, im W. und N. an das Gebiet der Freien und Hansestadt Lübeck; daselbst bildet die Trave die Grenze. Zu Ratzeburg gehören 3 Exklaven im Herzogtum Lauenburg (Mannhagen, Horst und Walksfelde), zur Herrschaft Stargard 3 Exklaven in Mecklenburg-Schwerin (Dodow, Vietzen-Gaarz und Gevezin) und eine zwischen Mecklenburg-Schwerin und der Mark Brandenburg (Buschhof). Das zusammenhängende Gebiet des Fürstentums Ratzeburg ist fast ganz flach (höchster Punkt 82 m) und hat mit der Ostsee Verbindung durch die untere Trave, die sich hier zum Pötenitzer Wiek und Dassower See erweitert. Der größte Fluß ist die Stepenitz, die die Nordostgrenze bildet und die fast ganz ratzeburgische Maurine empfängt. Die im Fürstentum gelegenen Seen sind unbedeutend, der ziemlich umfangreiche Ratzeburger See unmittelbar an der Südwestgrenze gehört zu Lauenburg. Von dem Gesamtflächenraum (381,94 qkm) ist der größte Teil (etwa 330 qkm) Domanium.

Bevölkerung. Das Großherzogtum hatte 1885: 98371,1890: 97978,1895:101513(50203 männl., 51310 weibl.) E.; 1890 waren 96773 lutherisch, 654 katholisch, 489 Israeliten und 62 Bekenner anderer Religionen. Dem Beruf nach waren mit Einschluß der Angehörigen (1882) 49,5 Proz. in der Land- und Forstwirtschaft, Tierzucht und Fischerei, 24,6 Proz. in der Industrie, 7,9 Proz. im Handel und Verkehr beschäftigt. Die Zahl der Geborenen betrug (1894) 2996, darunter 411 Uneheliche, der Eheschließungen 760, der Gestorbenen (einschließlich 111 Totgeborenen) 2081.

Landwirtschaft, Handel. Wie in Mecklenburg-Schwerin, so bildet auch hier die Landwirtschaft die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung. Im J. 1893 kamen auf Acker- und Gartenland 141005, Wiesen 21043, Weiden und Hutungen 9109, Forsten und Holzungen 61010 ha. Die Erntefläche betrug (1894) von Roggen 27565, Weizen 11413, Gerste 4083, Kartoffeln 7936, Hafer 20388 und Wiesenheu 19888 ha, der Ernteertrag 26218 t Roggen, 20371 Weizen, 6440 Gerste, 80583 Kartoffeln, 26740 Hafer und 58908 t Wiesenheu. 1892 wurden gezählt 18768 Pferde (Wert 9,669 Mill. M.), 46630 Stück Rindvieh (8,984), 161957 Schafe (2,941), 53694 Schweine (3,734 Mill. M.), 8707 Ziegen (131000 M.) und 9388 Bienenstöcke. Die Seeschiffahrt fehlt, dagegen giebt es (1896) 13 Binnenschiffe mit 1073 t und zahlreiche Eisenbahnen (s. Mecklenburgische Eisenbahnen).

Kirchen- und Unterrichtswesen. Das Fürstentum Ratzeburg bildet in kirchlicher Beziehung