Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

723

Meer

abgeben: als solchen hat man daher für Deutschland einen Punkt (Normalnull = NN) festgestellt, der 37 m unter dem Normalhöhenpunkt der Berliner Sternwarte und annähernd gleichhoch mit dem Nullpunkt des Pegels zu Amsterdam liegt. Früher hatte man aus längern Beobachtungsreihen den durch die Gezeiten (s. d.) und andere Ursachen gestörten mittlern Wasserstand berechnet und als Nullpunkt benutzt; dieser beträgt für die Ostsee bei Swinemünde nur 1-2 cm mehr als das Berliner Normalnull. Wie sich aus dem Begriff der Niveaufläche (s. oben) notwendig ergiebt, haben die einzelnen Küstenpunkte der M. verschiedene Niveauhöhe; so liegt die Oberfläche des Atlantischen Oceans etwa 1 m höher als die des Mittelländischen M., die des Stillen Oceans bei Panama 1,07 m höher als die des Atlantischen Oceans bei Chagres; doch scheinen die neuesten Präcisionsnivellements zu ergeben, daß die Differenzen nicht überall so groß sind, wie früher angenommen wurde.

Von den Gewässern des Festlandes unterscheidet sich das Meerwasser durch seinen Geschmack, der außer seiner salzigen Beschaffenheit noch einen Zusatz von widerlicher Bitterkeit hat, übrigens in den verschiedenen M. verschieden und bei größerer Entfernung vom Lande am salzigsten ist. Das Salz verhindert die Fäulnis des Seewassers keineswegs; vielmehr lehrt die Erfahrung, daß das Seewasser selbst, wenn es in Ruhe steht, viel leichter fault als reines Wasser. Dagegen giebt der Salzgehalt dem Meerwasser einen Zusatz von specifischer Schwere, der es geschickt macht, größere Lasten zu tragen und das Schwimmen zu erleichtern. Die Zusammensetzung des Meerwassers ist im allgemeinen: Chlornatrium 26,9 Teile, Chlormagnesium 3,2, Bittersalz 2,2, Gips 1,4, Chlorkalium 0,6, Verschiedenes 0,1 Teile in 1000 Teilen Wasser. Die große Menge Chlornatriums, das in dem Flußwasser nur in ganz geringen Mengen gelöst ist, rührt wohl von ausgedehnten, unterseeisch zu Tag tretenden Steinsalzlagern her; die großen Massen von kohlensaurem Kalk, die durch die Flüsse dem M. zugeführt, hier aber nur als ganz geringfügige Bestandteile gefunden werden, werden von tierischen Organismen, wie Korallenpolypen, Muscheln, Fischen, Fischsäugern u. a., verbraucht und bedecken nach dem Tode dieser Tiere den Boden als Schlamm (s. oben). Der Salzgehalt der Oceane bangt ab vom Grade der Verdunstung und von der Menge der Niederschläge; er ist am größten in den Passatzonen, am kleinsten in der äquatorialen Kalmenregion und in manchen Binnenmeeren mit reichlichem Süßwasserzufluß, z. B. in der Ostsee. Das mittlere specifische Gewicht des Meerwassers beträgt etwa 1,023 bis 1,031 und ist wesentlich von dessen Salzgehalt abhängig.

Die Meeresfarbe ist im allgemeinen blau, in flachen Meeresteilen und in der Nabe von Küsten und Flußmündungen grün (meergrün) mit vielen Nuancen. Klippen verursachen einen bräunlichen oder schwärzlichen, Schlammgrund einen graulichen Ton. Kalkküsten geben dem Wasser eine auffallend helle Farbe, und vom Ufer aus erscheint das M. zuweilen ganz dunkelblau. Auch andere Farben (olivengrün, rot, gelb) kommen vor, sie rühren meist von tierischen oder pflanzlichen Organismen her. Hierher gehört auch die Erscheinung des Milchmeers (Wintermeers), die nur in der Nacht und besonders im Indischen Ocean auftritt. Das besonders in den tropischen Gewässern häufige Leuchten des M. (Phosphorescenz) wird verschieden erklärt. Nach K. Vogt wird es stets durch Tiere hervorgebracht. Es beschränkt sich aber auf keine Tierklasse der Meeresbewohner, noch auf ein Organ, sondern es ist bei denselben eine allgemeine Lebenserscheinung und, wie die Wärme, eine Begleiterin des chem. Stoffwechsels. Die verschiedene Intensität richtet sich daher nach der Energie, mit welcher die Lebensprozesse vor sich gehen. Das Licht wechselt nicht bloß in Stärke, sondern auch in Farbe, und es giebt ungefärbtes, rötliches, gelbliches, bläuliches und grünliches Licht. Manche Seetiere leuchten nur während der Muskel- oder Friktionsbewegung. Eine hervorragende Rolle unter den Leuchttieren spielt Noctiluca und in tropischen M. die nahe verwandte Pyrocystis. Merkwürdig ist ferner die außerordentliche Durchsichtigkeit des M., die im allgemeinen weit größer als in dem mit fremden Teilchen reich geschwängerten Wasser der meisten Süßwasserseen und noch mehr der Flüsse, und in kalten Klimaten auffallender als in den heißen ist. Das Licht dringt, nach den Aussagen der Taucher, 16-20 m und noch tiefer unter die Oberfläche des M. ein, und man hat häufig bei 65 m Tiefe noch den Meeresgrund deutlich gesehen; die Lichtstrahlen dringen aber noch in größere Tiefe ein, photogr. Platten wurden bei trübem Wetter bis auf 200 m, bei hellem sogar noch in 300 m Tiefe angegriffen.

Das Meerwasser ist in fortdauernder Bewegung, wodurch seine Reinheit erhalten wird. Zu den regelmäßigen gehören, außer den Gezeiten (s. d.), vor allem die konstant in einer Richtung ziehenden Meeresströmungen. Die polaren Strömungen sind auf Verschiedenheit des specififchen Gewichts infolge von Temperaturunterschieden, also verschiedener Dichtigkeit zurückzuführen. Der verschiedene Salzgehalt bringt den Wasseraustausch zwischen Weltmeer und Mittelmeeren zu stande (in der Straße von Gibraltar u. s. w.). Auch die Gestalt des Meerbodens und der Küsten übt eine gewisse, aber doch nur mehr nebensächliche Einwirkung auf Richtung und Ausbreitung der Meeresströmungen aus. Die wichtigsten Meeresströmungen haben aber, wie Zöppritz festgestellt hat, den Winden, und zwar den seit langer Zeit immer in derselben Richtung wehenden, z. B. den Passatwinden, ihre Entstehung zu verdanken. Zwei Hauptarten werden, obwohl eine ganz scharfe Grenze zu ziehen nicht immer leicht ist, auch heute noch zumeist unterschieden, die Driftströmung (Triftströmung), d. h. die ursprünglich durch den Wind erzeugte Strömung, die durch die Erdrotation oder durch Anstoßen am Land ihre Richtung häufig ändert, und die Ausgleichungsströmung, die dadurch entsteht, daß der Abgang des von Driftströmungen weggeführten Wassers ersetzt wird. Da ihre Richtung der der Driftströme entgegengesetzt ist, nennt man sie auch Gegenströmung. Unter den Driftströmungen nehmen die erste Stelle die sog. Äquatorialströme oder Ostströme ein, von einigen auch "Rotation des M." genannt. Diese Strömungen erscheinen im Atlantischen Ocean (s. d.), wie in der Südsee (s. d.), in der äquatorialen Zone. Außerdem giebt es noch eine Anzahl besonderer Meeresströme, zu deren wichtigsten der Golfstrom (s. d.) und seine Ausläufer im Atlantischen Ocean und der Kuro-Siwo (s. d.) oder Japanische Strom im Großen Ocean, sowie die aus den Polargebieten kommenden kalten Strömungen gehören. Diese letzern führen häufig große Massen