Milch
, die von den weiblichen Säugetieren nach der Geburt von Jungen während
eines gewissen Zeitraums in besondern unter der Haut liegenden Drüsen gebildete Flüssigkeit,
welche in der Hauptsache aus Wasser, Fett, Proteinstoffen, Milchzucker und mineralischen Salzen
besteht und zur Ernährung der Neugeborenen bestimmt ist. Wie die Milchbildung in den Drüsen
vor sich geht, inwieweit die Substanz der letztern sowie das Blut daran beteiligt ist,
wie die Fettkügelchen entstehen, ist nicht sicher, die Entstehung von Casein und Milchzucker
gar nicht bekannt. Die unter normalen Verhältnissen abgesonderte M. besitzt, wenn die ersten
Tage nach der Geburt verflossen sind, einen milden, angenehm süßlichen Geschmack, einen
eigentümlichen, der Hautausdünstung der Kühe ähnlichen Geruch, eine weiße, hier und da leicht
ins Bläulich- oder Gelblichweiße spielende Farbe, ist undurchsichtig und läßt sich in
frischem Zustande auskochen, ohne zu gerinnen, während die unmittelbar nach der Geburt
gebildete M., das sog.
Colostrum
oder die
Biestmilch
, sich von der normalen M. durch höhern
Gehalt an Proteinstoffen und Salzen, durch salzigen Geschmack und durch eine gelbe bis rötliche
Farbe unterscheidet und beim Kochen gerinnt. (Speciell über das Menschencolostrum s.
Colostrum
; über Menschenmilch überhaupt s.
Muttermilch
.) Die Zusammensetzung der wichtigsten Milcharten sowie die des Kuhcolostrums beträgt in
Prozenten nach König:
Bestandteile | Kuhmilch | Kuh-colostrum | Schafmilch | Ziegenmilch | Pferdemilch |
Wasser | 87,2 | 74,5 | 80,8 | 85,7 | 90,1 |
Fett | 3,6 | 3,6 | 6,9 | 4,8 | 1,1 |
Käsestoff | 3,2 | 4,0 | 5,0 | 3,2 | 1,9 |
Albumin | 0,5 | 13,6 | 1,5 | 1,1 | 1,9 |
Milchzucker | 4,8 | 2,7 | 4,9 | 4,45 | 6,6 |
Aschensalze | 0,7 | 1,6 | 0,9 | 0,75 | 0,3 |
Das Fett befindet sich in der Kuhmilch, von der hier allein die Rede ist, in Form einer
äußerst feinen Emulsion, als sehr kleine Kügelchen, deren Größe zwischen
0,0016 und 0,01 mm
schwankt und im Mittel 0,0042 mm beträgt.
Die Größe der Fettkügelchen nimmt während des Melkens zu, und die Zahl der größern
Fettkügelchen nimmt mit dem Fortschreiten der Laktationsperiode ab, während die Gesamtzahl
zunimmt; nach Woll waren bei neumelken Kühen in 0,0001 ccm M.
103 - 213, bei altmelken 231-575 Fettkügelchen enthalten. Dieselben sind in der M. im
unterkühlten Zustande vorhanden, d. h. infolge ihrer Oberflächenspannung bei Temperaturen,
bei denen das Fett an sich fest ist, in der M. noch flüssig. Durch den Butterungsprozeß
führt man die Fettkügelchen in die feste Form über (s.
Butter
). Der Käsestoff ist in gequollenem Zustande in der M. enthalten, alle übrigen Bestandteile
sind im Milchwasser (Milchserum) gelöst. Die Undurchsichtigkeit und die weiße Farbe der M.
werden einerseits durch die Fettkügelchen, welche das Licht zerstreuen, andererseits durch
den gequollenen Käsestoff hervorgerufen. Beim Stehen der M. an der Luft zerfällt der Milchzucker
↔
infolge der Thätigkeit von Spaltpilzen in Milchsäure, welche ihrerseits den Käsestoff aus
dem gequollenen in den geronnenen Zustand überführt, sich mit dem Kalk verbindet, der vorher
an das Caseïn gebunden war, so daß sich nunmehr unlösliches Caseïn ausscheidet und die M.
gerinnt. Dieser Zerfall wird um so mehr beschleunigt, je mehr sich die Temperatur der M.
derjenigen von 30 bis 40° C. nähert, weil dadurch die Vermehrung der Spaltpilze lebhafter wird;
von hier an wird die Säuerung verlangsamt, die Existenzbedingung für die Milchsäurepilze erschwert
oder aufgehoben. Da sich dieselben bei niedrigen Temperaturen nur schwierig vermehren können,
wird die Haltbarkeit der M. durch Kühlvorrichtungen gefördert. Außer durch Säuren wird der
Käsestoff aus völlig süßer M. durch
Lab
, (s. d. und
Käse
) bei Temperaturen, welche zwischen 23° und 40° C. liegen, niedergeschlagen. Außer dem Caseïn
sind in der M. noch mindestens zwei andere Eiweißkörper, das Laktalbumin, das mit Lab nicht
gerinnt und in die Molken übergeht, und in geringen Mengen Nucleïn enthalten. Auch ein mit
Jod sich blau färbender, vielleicht mit Amyloid identischer Körper läßt sich fast in jeder
M. in kleinen Mengen beobachten. Die Aschensalze bestehen der Hauptsache nach aus Calcium-,
Kalium- und Natriumoxyd, auch etwas Magnesia und Eisen, gebunden an Phosphorsäure und Chlor,
auch Schwefel- und Kohlensäure, welche aber beide erst beim Einäschern der organischen Verbindungen
entstanden sind. Außer den genannten Stoffen enthält die M. noch Citronensäure, Cholesterin,
Lecithin, andere stickstoffhaltige Körper, Gase u. s. w.
Die Reaktion der frischen M. ist eine amphotere, d. h. saure und alkalische zugleich,
infolge der darin enthaltenen Salze des sauren und des neutralen phosphorsauren Kaliums.
Das specifische Gewicht der M. schwankt zwischen
1,028 und 1,034,
meistens jedoch zwischen 1,029 bis 1,033,
und beträgt im Mittel nach Fleischmann 1,0312 bei 15° C.
Bei Einzelkühen oder kleinern Viehbeständen (unter 5 Stück) können größere Schwankungen
vorkommen, ebenso bei unvollständigem Ausmelken der Kühe. Zwischen dem specifischen Gewicht,
dem Fettgehalt und der Gesamttrockenmasse der M. bestehen bestimmte Beziehungen, so daß man
mit Hilfe von Fleischmann aufgestellter Formeln im stande ist, aus den beiden andern
(z. B. specifisches Gewicht und Fett) die dritte Größe (Trockenmasse) zu berechnen.
Das specifische Gewicht der fettfreien Trockenmasse beträgt ziemlich genau
1,6, das der Gesamttrockenmasse, je nachdem diese mehr oder
weniger Fett enthält, 1,30 bis 1,40,
meist etwa 1,33 bis 1,34.
Die Menge der fettfreien Trockenmasse beträgt meist 8,5 bis
9,5 Proz. und ist bei gleicher Melkzeit von einem zum
andern Tage sehr geringen Schwankungen unterworfen. Diese Umstände kommen der Beurteilung
und Wertschätzung der M., der Erkennung und Berechnung des ungefähren Umfangs ihrer
Verfälschungen zu gute.
Bei dem starken Verbrauche an M. zum Zwecke des menschlichen Konsums ist dieselbe der
Verfälschung
in hohem Maße unterworfen; letztere besteht entweder in Wasserzusatz oder
in mehr oder weniger starker Entrahmung oder in beiden Manipulationen zusammen.
Bei der innerhalb weiter Grenzen schwankenden Zusammensetzung der M. ist die
Feststellung der Verfälschung unter Umständen sehr schwierig, im allgemeinen,
d. h. unter geordneten Milchlieferungsverhältnissen aber auf Grund der oben er-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 877.
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 877.