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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Militärgymnastik - Militärkolonien

machte ihnen die Bebauung ihrer Grundstücke und die Verteidigung der Grenzen gegen die Türken zur Pflicht. Neue Ankömmlinge und Angeworbene schlossen sich ihnen in verschiedenen Zeiträumen an. So entstanden nach dem Karlowitzer Frieden 1699 drei Grenzgeneralate, das Karlstädter, Barasdiner und Banalgrenzgeneralat. Unter Leopold I. entstand noch 1702 die slawon. und die theiß-maroscher Grenze, die 1741-43 eine Verminderung ihres Gebietes durch die Verschmelzung eines beträchtlichen Teils mit Ungarn erfuhr; indessen wurde, zum Ersatz für diese eingegangene Grenzprovinz, das Grenzwesen im Banat ausgebildet (1764-69) und 1764-66 die siebenbürgische M. errichtet sowie 1763 das Tschaikistenbataillon (s. Tschaiken) nach Titel versetzt. 1807 wurde ein Grundgesetz für die M. erlassen, wonach der Grund und Boden Staatseigentum sein sollte, der aber zu erblichem Nießbrauch unter völliger Abgabenfreiheit an Bauernfamilien gegen Verpflichtung zum Kriegsdienst verliehen wurde. Die Grenzländer bildeten bis 1848 staatsrechtlich zwar einen Teil des ungar. Königreichs, Siebenbürgens und Kroatien-Slawoniens, behielten aber eine eigentümliche militär. Einrichtung nach Verfassung und Verwaltung.

Durch die Reichsverfassung von 1849 wurde das Militärgrenzgebiet zu einem eigenen Kronlande erklärt und erhielt 7. Mai 1850 ein neues Grundgesetz. Nach diesem war die Bestimmung der M. der innere und äußere Waffendienst. Die Grenzer standen für Militärdelikte unter den Gesetzen des kaiserl. Heers, in allen übrigen Fällen unter den allgemeinen Gesetzen. Sie waren verpflichtet, dem Kaiser im Frieden und Kriege, in und außer dem Lande alle Militärdienste zu leisten und zur Unterhaltung der innern Grenzanstalten beizutragen. Dafür wurden alle liegenden Güter der Grenzbewohner Eigentum der Grenzkommunionen. Das Kronland stand unter dem Kriegsministerium und zerfiel in drei Militärgrenzgebiete, das kroatisch-slawonische, das serbisch-banatische und das siebenbürgische, denen die Landes-Generalkommanden zu Agram und Temesvár als obere Administrativbehörden vorgesetzt waren. Bereits 1851 wurde die siebenbürgische M. aufgehoben und 1. Nov. 1872 die serbisch-banatische M. dem Königreich Ungarn einverleibt. Die kroatisch-slawonische M. erhielt durch kaiserl. Manifest vom 8. Aug. 1873 als Kroatisch-Slawonisches Grenzgebiet eine neue Organisation und wurde durch Manifest vom 15. Juli 1881 völlig mit Kroatien-Slawonien vereinigt. - Vgl. Vanicek Vanicek ^[richtig: Vaníček], Specialgeschichte der M. (4 Tle., 1875); Schwicker, Geschichte der österreichischen M. (Teschen 1883).

Militärgymnastik hat den Zweck, den Soldaten in der Erlangung der zur Ausübung seines Dienstes erforderlichen körperlichen Gewandtheit (Turnen, Fechten und Schwimmen) zu unterstützen. In Preußen begann die Pflege der M. 1842; besondere Verdienste um dieselbe hat hier Rothstein. 1847 wurde ein Centralinstitut für den gymnastischen Unterricht in der Armee zu Berlin errichtet, aus dem 1851 die Centralturnanstalt (bis 1863 unter Rothsteins Leitung) entstand, mit dem Zweck, für Armee und Schule Lehrer und Lehrgehilfen der Gymnastik (Turnen und Fechten) theoretisch und praktisch auszubilden. 1881 ging hieraus durch Abtrennung der Civilabteilungen die Militärturnanstalt hervor, die dem Inspecteur der Infanterieschulen unterstellt ist, einen Stabsoffizier als Direktor, drei Offiziere als Lehrer hat und in zwei fünfmonatlichen Kursen jährlich etwa 220 Offiziere der deutschen Armee (ohne Bayern) zu Turn- und Fechtlehrern ausbildet. Österreich-Ungarn hat als ähnliches Institut den Militärfecht- und Turnlehrerkurs zu Wiener-Neustadt.

Militärhoheit, die Staatsgewalt in Militärsachen. Im Deutschen Reich ist die M. der einzelnen Landesherren und Freien Städte wesentlich beschränkt zufolge der verfassungsmäßigen und thatsächlich eingeführten Einheitlichkeit des Heers, der Einheit der Wehrpflicht, der Grundlagen der Organisation, der Gemeinsamkeit der Lasten, der Gesetzgebung und des Oberbefehls. Der Oberbefehl steht ausschließlich dem Kaiser zu, in Bayern nur im Kriege. Ihm gebührt ferner die kriegsbereite Aufstellung des Reichsheers oder eines Teiles desselben (s. Mobilmachung), das Recht der Erklärung -des Belagerungszustandes (s. d.), die Fürsorge für die Vollzähligkeit, Kriegstüchtigkeit der Truppen, wie für Einheit in Organisation und Formation derselben. Er hat das Recht, die Garnisonen zu bestimmen, Festungen anzulegen, die Höchstkommandierenden eines Kontingents sowie die Offiziere, welche Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, zu ernennen. Die meisten Bundesregierungen haben außerdem durch Militärkonventionen (s. d.) ihre M. noch erheblich eingeschränkt. Die Kriegsmarine des Reichs ist ebenfalls einheitlich und steht unter dem Oberbefehl des Kaisers.

Militarǐa, (lat.), Militärangelegenheiten.

Militärischer Diebstahl. Nach §. 138 des Deutschen Militärstrafgesetzbuchs vom 20. Juni 1872 unterliegt einer gegen die gemeine Diebstahlsstrafe erhöhten Strafe (mittlerer oder strenger Arrest nicht unter 14 Tagen oder Gefängnis bis zu 5 Jahren), wer bei Ausübung des Dienstes oder unter Verletzung eines militär. Dienstverhältnisses Sachen stiehlt, welche ihm vermöge des Dienstes oder jenes Verhältnisses zugänglich sind. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher einen Diebstahl gegen einen Vorgesetzten oder einen Kameraden, gegen seinen Quartierwirt oder eine zu dessen Hausstand gehörige Person begeht.

Militärische Vorbereitungsschulen, Écoles militaires préparatoires, s. Soldatenkinder.

Militarismus (neulat.), Herrschaft des Militärs; Bevorzugung des Militärwesens im staatlichen Leben.

Militärkabinett, in Preußen die zur unmittelbaren Verfügung des obersten Kriegsherrn stehende Behörde, der die Bearbeitung und Bekanntgebung aller auf die Armee bezüglichen Entschlüsse desselben obliegt. Insbesondere versieht das M. die Funktionen der "Abteilung für die persönlichen Angelegenheiten" des Kriegsministeriums und hat als solche die sämtlichen Beförderungen, Versetzungen, Verabschiedungen und die gerichtlichen Verhältnisse des Offizierkorps zu bearbeiten. Dasselbe war früher dem Kriegsministerium unterstellt, ist seit einiger Zeit aber selbständig. Der Chef desselben hält dem Kaiser direkt Vortrag. Osterreich und Rußland haben dieselbe Einrichtung unter dem Namen Militärkanzlei.

Militär-Karlsorden, s. Militärverdienstorden.

Militärkolonien, die schon im Altertum zur Sicherung der Herrschaft, zu besserm Schutze der Grenzen, zum Straßenbau und zur Urbarmachung