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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Mohammed (Prophet)

Seelenkämpfen fühlte er sich endlich in seinem 40. Lebensjahre zum Berufe eines Propheten, eines Verkündigers der wahren Gotteslehre, herangereift. In einer nördlich von Mekka befindlichen Höhle, wohin er sich eben zurückgezogen hatte, ward ihm eine Vision zu teil, in welcher ihm befohlen wurde, seine Lehre zu verkünden. Diese Vision ist im Anfang der 96. Sure des Korans, ohne Zweifel dem ältesten Stück des Buches, dargestellt. Die Offenbarungen erfolgten dann später vielfach unterbrochen fort bis an das Ende seines Lebens. Schreibkundige Anhänger schrieben das Gehörte auf, und ihre Aufzeichnungen bildeten die Grundlage für die Sammlung der als Koran (s. d.) bekannten Offenbarungen, welche erst nach dem Tode M.s erfolgte. Nur wenige Gläubige schlossen sich ihm in den ersten Jahren seiner Wirksamkeit an. Sein Weib Chadîdscha stand ihm treu ermutigend zur Seite, Abû Bekr, Alî, den er aus Dankbarkeit gegen Abû Tâlib zu sich genommen hatte, waren seine ausdauerndsten Stützen. Im allgemeinen waren es Leute von niedriger Stellung, Sklaven und arme Menschen, die sich um ihn sammelten; die vornehmen Mekkaner verhielten sich ablehnend und setzten den Drohungen mit Höllenstrafen und strengem Gottesgericht nur Spott entgegen, sie bedrängten die armen Anhänger M.s, wenn auch die Koreischiten selbst, die sich zu M. hielten, sowie er selbst, nach arab. Herkommen, von ihren Stammesgenossen für ihr Leben nichts zu fürchten hatten. Als die Lage der kleinen Gemeinde von Bekehrten immer ärger wurde, gab M. seinen Anhängern selbst den Rat, im Lande des christl. Fürsten von Abessinien Zuflucht zu suchen; unter denen, welche diesem Rate folgten, war auch der nachmalige Chalif Othmân. Sie kehrten erst zurück, als sie sich bald nachher in Mekka sicherer glauben konnten; andere schlossen sich erst später (in Medina) wieder ihrer Gemeinde an. Inzwischen traten in Mekka selbst einige entschlossene Koreischiten zu den Anhängern des Propheten hinzu; den größten Gewinn bedeutete die Bekehrung Omars, der bis dahin zu den erbittertsten Feinden gehört hatte. Aber auch der Grimm der Gegner nahm immer mehr zu. Die Koreischiten belegten die ganze hâschimitische Familie mit Interdikt und verbanden sich, jeden Verkehr mit derselben abzubrechen, wodurch die Geächteten in große Not gerieten, bis nach zweijähriger Geltung (617-619) der Bann wieder aufgehoben wurde. Bald darauf starb Chadîdscha, nach deren Tode sich M. aufs neue verheiratete und die Zahl seiner Frauen allmählich so vermehrte, daß er bei seinem Tode noch neun hinterließ, unter welchen Aïscha, die Tochter Abû Bekrs, und Hafßa, die Tochter des nachherigen Chalifen Omar, die bekanntesten sind. Inmitten der Bedrängungen, denen das kleine Häuflein von Gläubigen in Mekka ausgesetzt war, und inmitten der Teilnahmlosigkeit, welche die übrigen arab. Stämme, denen M. seinen Glauben gelegentlich der großen Jahreswallfahrten unermüdlich verkündete, seiner Predigt entgegen brachten, trat 620 die Wirksamkeit des Propheten in eine neue Epoche durch das Interesse, das einige Pilger aus Jathrib (Medina) für seine Lehren bezeugten. Durch die Bekanntschaft mit den Glaubenslehren der in ihrer Mitte lebenden zahlreichen Juden waren die Bewohner von Jathrib empfänglicher für die Verkündigung M.s, und es war den Pilgern leicht, in ihrer Heimat eine günstige Stimmung für M. und seine Lehren vorzubereiten. Bald waren bereits so viel Gläubige in Jathrib vorhanden, daß M. gern ihrer Aufforderung Folge leistete, aus seiner für ihn immer gefährlicher werdenden Vaterstadt mit seinen Gläubigen zu ihnen auszuwandern. Sie verpflichteten sich, ihn wie einen der ihrigen zu schützen. Der größte Teil der in Mekka erworbenen Anhänger wurde vorausgesendet, M. mit Abû Bekr folgten ihnen nach, zuletzt kam Alî mit der Familie des M. und Abû Bekr. Mit dieser Auswanderung (Hidschra, s. d.), welche im Sommer 622 folgte, erschloß sich dem M. eine neue fruchtreiche Wirksamkeit. Erst mit seinem Eintreffen in Jathrib beginnt die eigentliche Geschichte der neuen Religion. Mit Recht hat man nach seinem Tode die mhammed. Zeitrechnung mit der Hidschra beginnen lassen, und mit demselben Recht Jathrib "die Stadt des Propheten" (Medinat al-nabi), seine Anhänger daselbst die "Helfer" (Anßâr, s. d.) genannt, neben welchen die mit auswandernden Mekkaner den Namen "Muhâdschirun" führen.

Bald ging nun M. daran, seine Gemeinde in Medina zu organisieren und das religiöse Leben einzurichten; eine Moschee wurde erbaut und die Ordnung des Gottesdienstes festgestellt. Dabei ließ es sich M. anfangs angelegen sein, die zahlreichen und angesehenen Juden daselbst für sich zu gewinnen, indem er ihnen mancherlei religiöse Konzessionen machte. So nahm er ursprünglich ihren großen Fasttag, ihre Gebetsrichtung an; da jedoch der Erfolg seinen Wünschen nicht entsprach, hob er diese Konzessionen später nicht nur auf, sondern wurde bis an seinen Tod ein erbitterter Feind der Juden; die jüd. Stämme Arabiens hatten nach Erstarkung der Macht M.s viel zu leiden. Eifrig ging er nun auch an die Bekämpfung der Ungläubigen, zunächst der Mekkaner, deren Kaaba für den rechten Glauben zu erobern er sich vorgesetzt hatte. Bald begann er eine Reihe von Kriegszügen, die, gegen Karawanen gerichtet, sich nicht viel von Raubzügen unterschieden, wie sie bei den Beduinen gang und gäbe waren. Das erste eigentliche Treffen zwischen den Mohammedanern und Mekkanern fand im Monat Ramadhan 624 statt. M.s Leute waren auch diesmal ausgezogen, eine aus Syrien zurückkehrende reichbeladene Karawane der Mekkaner auszuplündern. Die von Abû Sufjân, dem Vater des spätern Omajjadenchalifen Mu’âwija, geführte Karawane entkam; aber es fand ein heftiger Kampf zwischen den aus Mekka herbeigeeilten Hilfstruppen und den Gläubigen bei Bedr, zwischen Medina und Mekka, statt, in welchem M. Sieger blieb und viele Gefangene machte, für die er ein großes Lösegeld erhielt. Dieser über die mekkanische Übermacht erfochtene Sieg war für die Sache M.s von den allergünstigsten Folgen begleitet, er flößte den Anhängern Vertrauen, den Gegnern Furcht ein. Die Bekämpfung einiger Beduinenstämme sowie des jüd. Stammes der Kainuka’a folgen diesem Siege. Aber schon 625 konnte M. die Rache der Koreischiten für die bei Bedr gefallenen Genossen fühlen; entmutigend wirkte die Niederlage, welche die Mohammedaner am Berge Ohod bei Medina von den durch Abû Sufjân befehligten Mekkanern erlitten. Der bald nachher über den jüd. Stamm der Nadîr errungene Sieg verbesserte zwar nach innen die Lage M.s; die Nadîr wurden gezwungen, nach nördlichern Gebieten auszuwandern, ihre zurückgelassene Habe wurde von M. konfisziert. Bald nahte aber auch größere Gefahr für M. heran, 627 wurde Medina von den Koreischiten und ihren unter den Beduinen angeworbenen Helfern belagert.