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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Mytilēne; Mytilotoxīn; Mytĭlus; Myūs; Myvatn; Myxamöben; Myxīne; Myxödēm; Myxogastĕres; Myxōm; Myxomycēten

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Mytilene - Myxomyceten

then am fruchtbarsten und reichsten gewesen sind, so ist der mythenbildende Trieb doch ein Eigentum nicht einer einzelnen Völkerfamilie, sondern der Menschheit. Alle Völker drücken auf einem gewissen Kulturzustande ihre religiösen Gefühle und Vorstellungen in Form von Erzählungen aus, und so gilt es, einmal die Reste solcher Mythen aller Völker zu sammeln, welche, auf diesem Kulturzustande stehend, solche gedichtet haben, und zweitens die Mythen derer, welche noch darauf stehen. So hat Brugsch ("Religion und Mythologie der alten Ägypter", Lpz. 1888; 2. Ausg. 1891) die Reste des ägypt. Mythus zusammengestellt und unter Hardys Leitung erscheinen seit 1890 die "Darstellungen aus dem Gebiete der nichtchristl. Religionsgeschichte" (Münster). Namentlich aber hat sich in England eine reiche Litteratur gebildet, in welcher die freilich oft sehr dürftigen und kümmerlichen Ansätze zu Mythologien bei den verschiedenen Völkern Afrikas, Asiens und Polynesiens gesammelt werden. Und ebenso haben dort namentlich Tylor ("Early history of mankind", Lond. 1865; deutsch von Müller, Lpz. 1866, und "Primitive culture", Lond. 1871; deutsch von Spengel und Poske, 2 Bde., Lpz. 1873) und Lubbock ("Origin of civilization", 5. Aufl., Lond. 1890; deutsch Jena 1875) Darstellungen des analogen Verlaufs der ältesten Sitten-, Religions- und Mythenbildung bei den verschiedenen Völkern unternommen. In Deutschland haben namentlich Waitz ("Anthropologie der Naturvölker", 6 Bde., Lpz. 1859-71; fortgesetzt und in 2. Aufl. hg. von Gerland, 1877 fg.) und Bastian (s. d.), auch Schwartz (s. d.) und Liebrecht (s. d.), letztere vorzugsweise bei Erörterung griech. und deutscher Mythen, wertvolle Beiträge geliefert, und hat Caspari ("Die Urgeschichte der Menschheit", 2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1877) eine zusammenfassende Darstellung der ältesten Religionsvorstellungen und Mythen versucht. Ein sehr brauchbares kleines Kompendium der Religionsgeschichte hat der Holländer Tiele verfaßt (deutsch von Weber, Potsd. 1880). Eine geistvolle Vorarbeit bietet Réville ("Prolégomènes de l'histoire des religions", 2. Aufl., Par. 1881), doch enthält dieselbe mehr eine Religionsphilosophie als eine Darstellung des gegebenen Materials. Als Ergebnis dieser vergleichenden Mythologie darf angesehen werden, daß fast alle Völker die Vorstellung vom Fortleben der Seele nach dem Tode haben, woraus sich aller Orten ein Seelen- und Ahnenkult entwickelt hat.

Mytilēne (so auf Inschriften und Münzen, bei den Schriftstellern gelegentlich unrichtig Mitylene, nach einheimischem Dialekt Mytilana), die Hauptstadt der Insel Lesbos (s. d.), auf einem Vorsprung der Ostküste gelegen, hatte zwei Häfen, einen an der Nord- und einen an der Südseite, die beide durch weit vorgeschobene Steindämme geschützt und durch einen quer durch die Stadt laufenden Kanal untereinander verbunden waren. Dieser Kanal ist jetzt gänzlich verschwunden, der nördl. Hafen ganz verlassen, auch der südliche nur noch für kleinere Schiffe brauchbar; doch ist auch das jetzige Mitilini (türk. Midillü), das den schon seit dem Mittelalter auch auf die ganze Insel ausgedehnten Namen bewahrt hat, eine nicht unansehnliche Stadt von etwa 20000 E., meist Griechen, die bedeutenden Handel treiben, der Sitz eines griech. Erzbischofs und eines türk. Paschas. Kenntlich ist noch die Akropolis auf dem Hügel, den jetzt das türk. Kastell einnimmt, und die Form des Theaters; von den übrigen Bauten der Stadt sind nur noch vereinzelte Trümmer erhalten.

Mytilotoxīn (grch.), das Muschelgift, s. Leichenalkaloide und Muschelvergiftung.

Mytĭlus, s. Miesmuschel.

Myūs, altgriech. Stadt in Karien, nordöstlich von Milet, am südl. Ufer des Mäander, ursprünglich nicht weit von der Mündung gelegen, die kleinste der Städte des Ionischen Bundes. Sie wurde von Artaxerxes I. mit Magnesia und Lampsakus an Themistokles (s. d.) geschenkt und gehörte dann zum Attischen Seebunde. Durch die fortdauernde Anschwemmung des Mäander verödete M. Geringe Spuren jetzt bei Aushar Kalessi.

Myvatn (d. h. Mückensee), großer inselreicher Landsee im nordöstl. Viertel der Insel Island, in einer an vulkanischen Erscheinungen reichen Gegend.

Myxamöben, s. Myxomyceten.

Myxīne, Fisch, s. Inger.

Myxödēm (grch.), eine eigentümliche Krankheit, welche vorwiegend das weibliche Geschlecht befällt und sich durch eine starke ödemartige Schwellung einzelner Hautpartien, besonders an Stirn, Wangen, Augenlidern und Lippen, aber auch an den Extremitäten, am Rumpf und im Kehlkopf zu erkennen giebt. Dabei atrophieren Zähne, Nägel und Schilddrüse, die Haare fallen aus, Appetitlosigkeit, Muskelschwäche und Albuminurie treten auf und schließlich gesellen sich Apathie und allgemeine geistige Schwäche hinzu; der regelmäßige Ausgang ist der Tod. Charcot, der die Krankheit Cachexie pachydermique nennt, hält sie für eine Nervenkrankheit, die das Gefäßcentrum im verlängerten Mark betrifft; andere Forscher suchen ihre Ursache in der Schrumpfung oder im Fehlen der Schilddrüse, weil eine Entfernung der Schilddrüse eine eigentümliche Störung (Cachexia strumipriva, Cachexia thyreopriva, s. d.) herbeiführt, die dem M. völlig gleicht. Die Krankheitserscheinungen verschwinden, wenn man derartigen Individuen Schilddrüsensubstanz unter die Haut bringt (Implantation) oder sie mit tierischer Schilddrüsensubstanz füttert. - Vgl. Buschan, Über M. und verwandte Zustände (Wien 1896).

Myxogastĕres, s. Myxomyceten.

Myxōm (grch.), Gallert- oder Schleimgeschwulst in der Haut, der Schild- und Brustdrüse, den Knochen und im Gehirn.

Myxomycēten, Mycetozoen, Myxogasteres, Schleimpilze, Pilztiere, eine Gruppe von Organismen, die durch die Eigentümlichkeiten ihres Vegetationskörpers von den übrigen niedern Pflanzen bedeutend abweichen und sich mehr den niedersten Tierformen nähern. Es giebt eine große Anzahl von Arten, die meistenteils saprophytisch auf faulenden organischen Substanzen wachsen; nur wenige leben als Parasiten. Der vegetative Teil dieser Pilze ist eine nackte Protoplasmamasse, die sowohl im Substrat als auf ihm amöbenähnliche Bewegungen ausführt; sie kann ansehnliche Größe erreichen, wie z. B. die bekannte Lohblüte (Aethalium septicum Fr.), die auf der Gerberlohe ziemlich häufig mit ihren gelben Plasmamassen ansehnliche Strecken überzieht. Man bezeichnet diese nackten, von keiner Zellhaut umgebenen Vegetationskörper als Plasmodien. Die Gestalt und Färbung der Plasmodien ist sehr verschiedenartig, und die äußern Umrisse wechseln fortwährend. Aus den Plasmodien wachsen später die Sporangien hervor, die letztern werden entweder in der Weise gebildet,