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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Napoleon I.

(s. d.). Dennoch hielt er für geraten, die angebotene Vermittelung Österreichs anzunehmen und den Waffenstillstand zu Poischwitz vom 4. Juni zu schließen, worauf Unterhandlungen in Prag eröffnet wurden. Vergebens suchte N. die Verbündeten zu trennen und Österreich für sich zu gewinnen. Dieses trat der bereits zwischen Preußen, Rußland, Schweden und England abgeschlossenen Allianz bei. So begann der Krieg aufs neue. N. erfocht bei Dresden (s. d.) gegen die Verbündeten 26. und 27. Aug. einen glänzenden Sieg, während seine Marschälle und Generale bei Großbeeren, an der Katzbach und bei Kulm geschlagen wurden. Darauf zog er sich nach Leipzig zurück. Die Alliierten rückten von allen Seiten heran, und die Entscheidungsschlacht vom 16. bis 18. Okt. endigte mit der vollständigen Niederlage der Franzosen. (S. Leipzig.) N. mußte den Rückzug nach Frankreich antreten. Nachdem er bei Hanau 30. und 31. Okt. noch den bayr. General Wrede, der ihm den Weg verlegen wollte, geschlagen hatte, erreichte er die Rheingrenze. Gleichzeitig wurden die Franzosen vollends aus Spanien hinausgeworfen. Nichtsdestoweniger blieb der Respekt vor N. noch immer so groß, daß die Alliierten am Rhein stehen blieben und in Frankfurt a. M. neue Unterhandlungen anknüpften. Als darauf N. ausweichende Antworten gab, besetzten jene im Dezember die Schweiz und Holland und überschritten 1. Jan. 1814 den Rhein, während ein engl.-span.Heer unter Wellington über die Pyrenäen vordrang.

Unterdes erlebte N. in Paris zum erstenmal seit 1802 eine Opposition im Gesetzgebenden Körper, worauf er die Deputierten mit harten Worten nach Hause schickte und ohne ihre Zustimmung neue Steuern und Rekruten ausschrieb. Aber es zeigte sich, daß die alte Begeisterung erloschen war; das franz. Volk war der ewigen Kriege müde und wünschte den Frieden. Nach den ersten Gefechten bei Brienne 29. Jan. und bei La Rothière 1. Febr. wurde nochmals 5. Febr. ein Friedenskongreß zu Châtillon (s. d.) eröffnet, und die Alliierten erklärten sich bereit, Frankreich in den Grenzen von 1792 zu belassen. Jedoch der Kaiser, der nach seinen Erfolgen vom 10. bis 14. Febr. über die Blüchersche Armee seine volle Zuversichtlichkeit wiedergewonnen hatte, wies die Vorschläge zurück und schloß mit König Ferdinand VII. von Spanien und Papst Pius VII. Verträge ab, infolge deren diese wieder in ihre Staaten zurückkehrten. Doch blieben diese Friedensschlüsse ohne Einfluß auf den Verlauf des großen Krieges. Von allen Seiten drangen die alliierten Heere gegen Paris vor, und die blutigen Kämpfe bei Bar-sur-Aube 27. Febr., bei Laon 7. und 9. März und bei Arcis-sur-Aube 20. und 21. März fielen für die franz. Waffen unglücklich aus. Der Kongreß von Châtillon ging 19. März unverrichteter Sache auseinander. N. faßte den verzweifelten Entschluß, sich nach Lothringen in den Rücken der Feinde zu werfen. Die Alliierten begnügten sich, ihm ein Beobachtungskorps nachzusenden, und marschierten mit der Hauptmacht weiter gegen Paris, das 31. März kapitulierte. Auf die Nachricht von dem Marsch der Alliierten gegen Paris eilte N. dorthin, kam jedoch einige Stunden zu spät und zog sich nach Fontainebleau zurück. Nachdem der Senat 2. April die Absetzung des Kaisers ausgesprochen hatte, entsagte N. zu Gunsten seines Sohnes, Napoleons II.; als dies verworfen wurde, bequemte er sich im Vertrag von Fontainebleau 11. April zu einer bedingungslosen Abdankung. Dagegen sollte er die Insel Elba als Souverän und eine Jahresrente von 2 Mill. Frs. erhalten; auch durften ihm 400 Mann seiner Garde folgen. N. verließ 20. April Fontainebleau und landete 4. Mai 1814 auf Elba.

Hier wurde N. durch seine geheimen Agenten über alle Vorgänge in Europa unterrichtet, und als er bemerkte, daß durch die fortwährenden Mißgriffe der Bourbons die Unzufriedenheit in Frankreich immer mehr wuchs, daß die Großmächte auf dem Wiener Kongreß über die poln. und sächs. Frage in offenen Streit geraten waren, entschloß er sich zu dem Versuch, durch einen kühnen Handstreich die verlorene Krone wiederzugewinnen. Er ging 26. Febr. 1815 mit etwa 1100 Soldaten zu Schiff und landete 1. März an der Küste der Provence im Golf Juan. Die gegen ihn ausgesandten Truppen gingen zu ihm über, so 7. März die Besatzung von Grenoble unter Oberst Labedoyère, das Armeekorps von Lyon am 10. und Marschall Ney in Macon 13. März. Bereits 20. März abends zog N. wieder in Paris ein, nachdem die Bourbons am Tage vorher geflüchtet waren; er hatte ganz Frankreich ohne Schwertstreich wiedererobert. Um die liberale Partei, die ihm im vorigen Jahre Opposition gemacht hatte, für sich zu gewinnen, erließ er 22. April eine Zusatzakte zur Verfassung des Kaisertums, die eine Anzahl liberaler Bestimmungen enthielt. Am 1. Juni versammelte er die Deputationen der Departements, der Armee und der Flotte auf dem Marsfeld in Paris, wo die neue Verfassung proklamiert und dem Kaiser gehuldigt wurde. Aber das Ausland weigerte sich, diese Restauration des franz. Kaisertums anzuerkennen. Vergebens suchte N. mit Rußland und Österreich anzuknüpfen, indem er versprach, mit den Grenzen von 1792 sich zu begnügen. Die Alliierten erneuerten zu Wien ihr Bündnis und erließen gegen ihn als allgemeinen Feind und Ruhestörer eine förmliche Achtserklärung (13. März). Sein einziger Bundesgenosse, Joachim Murat, unterlag nach einem kurzen Feldzuge in Italien. Unterdes stellte N. wieder ein starkes Heer ins Feld und drang 14. Juni in Belgien ein, um die dort versammelten engl. und preuß. Streitkräfte zu vernichten, bevor die Russen und Österreicher herbeikämen. Am 16. Juni schlug er die Preußen bei Ligny (s. d.). Dann wandte er sich gegen die Engländer, und es kam 18. Juni zur Schlacht bei Waterloo (s. d.), wo der rechtzeitige Anmarsch der Preußen die vollständige Niederlage des franz. Heers entschied. Nach eiliger Flucht traf N. 21. Juni wieder in Paris ein und fand die Haltung der Kammern geradezu feindselig; man forderte seine Abdankung. So entsagte er 22. Juni dem Throne zum zweitenmal zu Gunsten seines Sohnes, Napoleons II., den aber die Kammern nicht gelten ließen. Er verweilte hierauf noch bis zum 29. Juni in Malmaison und reiste darauf nach Rochefort, um sich nach den Vereinigten Staaten von Amerika einzuschiffen; als er aber 3. Juli in Rochefort anlangte, war der Hafen bereits durch engl. Kriegsschiffe gesperrt. Er stellte sich hierauf unter den Schutz des Prinz-Regenten (spätern Georg IV.) und ging 15. Juli an Bord des von Kapitän Maitland befehligten Linienschiffs Bellerophon. Hier ward ihm der Beschluß der alliierten Mächte mitgeteilt, daß der "General Bonaparte" im Interesse der allgemeinen Ruhe nach der engl. Insel St. Helena deportiert werden solle. Am 16. Okt. 1815 langte er in St. Helena an, wo ihm ein Gebäude zu Longwood als Wohnsitz an-^[folgende Seite]