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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Niederlande (Armenwesen. Unterrichtswesen. Zeitungswesen)

Für die ostind. Kolonien besteht ein besonderes Budget. Im ganzen stehen nach dem Voranschlag für 1896 den Einnahmen von 132 Mill. die Ausgaben mit 140 Mill. Fl. gegenüber. Die Staatsschuld von 1110,7 Mill. erfordert jährlich 35 Mill. Zinsen und Amortisation. Die wichtigsten Anleihen sind die 2½prozentige von 629 Mill., die 3prozentige von 93 und die 1891 konvertierte 3½prozentige von 378 Mill. Fl. Papiergeld kursiert im Werte von 15 Mill. Fl.

In betreff des Armenwesens hat der Staat, d. i. hier hauptsächlich die Gemeinde, unmittelbar nur dann einzugreifen, wenn die Wohlthätigkeitsinstitute versagen; besonders, wenn auch nicht ausschließlich, kommen ärztliche Hilfe, Kranken- und Irrenpflege hier in Betracht. Für die regelmäßige Armenpflege kennt das Gesetz die bürgerlichen Wohlthätigkeitsinstitute, welche die Gemeinde unter ihrer Obhut hat und wofür sie beisteuert, die der Kirchengemeinden, die privaten und die gemischten. 1890 wurden unmittelbar von den Gemeinden 12304, von den bürgerlichen und gemischten Instituten 76200, von den kirchlichen 115378, von den privaten 9558, weiter von Instituten für verschämte Arme 30303, zusammen 243743 Personen, d. i. nicht weniger als 5,34 Proz. (1894: 4,38 Proz.) der Gesamtbevölkerung, zeitweise oder dauernd unterstützt. Bettler und Vagabunden können Reichsarbeitsanstalten überwiesen werden.

Unterrichtswesen. Das Volksschulgesetz von 1857 weist nach seiner letzten Abänderung vom Dez. 1889 dem Privatunterricht einen bedeutenden Spielraum an. Für den öffentlichen konfessionslosen Unterricht tragen Staat und Gemeinde gemeinschaftlich, jeder zur Hälfte, die Kosten. Private Elementarschulen jeder Konfession bekommen Zuschüsse aus der Staatskasse. Es bestehen (1893/94) 3022 öffentliche, 1351 private Elementarschulen mit 13833 und 5927 Lehrern, 473951 und 209578 Kindern; dazu kommen 135 öffentliche, 870 private Kindergärten mit 800 und 2550 Lehrkräften und 24273 und 82516 Kindern. Es giebt 6 staatliche Lehrerseminare, 3 von Gemeinden errichtet, 3 private Lehrerinnenseminare, weiter 97 kleinere staatliche und 4 private Normalschulen. Der Mittelunterricht umfaßt 38 sekundäre Tages- und Abendschulen für den Handwerkerstand, 42 professionelle Zeichen- und Industrieschulen, 14 Handwerksschulen, 4 weibliche Industrieschulen mit zusammen 10779 Schülern und 787 Lehrern; der Mittelunterricht zur Vorbereitung für höhere Berufsarten umfaßt 73 sog. höhere Bürgerschulen mit 8199 Schülern und 940 Lehrern; die meisten derselben werden von den Gemeinden mit Subsidien aus der Staatskasse unterhalten, doch giebt es einige staatliche (Reichs-) höhere Bürgerschulen. Höhere Töchterschulen, von Gemeinden errichtet, giebt es 12 mit 1404 Schülerinnen. Höhere Fachschulen, vom Staate unterhalten, sind das Polytechnikum zu Delft mit 325 Studenten und die landwirtschaftliche Akademie in Wageningen mit 52 Schülern. Weiter giebt es 11 Schiffahrtsschulen mit 453, 3 für Taubstumme mit 462 und eine für Blinde mit 60 Schülern, eine für Civildienst in Ostindien zu Delft, zwei Normalschulen für Zeichenlehrer in Amsterdam (Staatsinstitut) und im Haag, und eine königl. Musikakademie im Haag. Zum höhern Unterricht werden gerechnet die 29 Gymnasien mit 2499 Schülern und 431 Lehrern, die drei Reichsuniversitäten zu Leiden, Utrecht, Groningen, die Universität der Gemeinde Amsterdam, die sog. Freie (Calvinistische) Universität zu Amsterdam. Weiter giebt es Seminare für die Kirchenlehrer der kleinern religiösen Gemeinden. In Amsterdam ist die Reichskunstakademie. Für den Militärunterricht sind besonders von Bedeutung die Kadettenschule in Alkmaar und die Militärakademie in Breda. – Die Volksbildung steht auf keiner hohen Stufe; 1894 konnten 5 Proz. der Rekruten nicht schreiben und lesen (in der Provinz Nordbrabant sogar 9,7 Proz.). Von den Kindern zwischen 6 und 12 Jahren blieben 10 Proz. (gegen 12,7 Proz. im J. 1884) ohne Elementarunterricht.

Das Zeitungswesen ist sehr entwickelt; manchmal haben sogar Dörfer ihre Zeitung mit polit. Nachrichten. Die Zahl im ganzen Lande beträgt etwa 368, darunter 55 täglich, 132 mehrmals wöchentlich, 181 einmal wöchentlich erscheinende. Das meist verbreitete Tageblatt ist «Nieuws van den Dag» (seit 1870) mit etwa 37000 Abonnenten; es ist gemäßigt liberal und hat, wie früher die «Oprechte Haarlemmer», die meisten Familienannoncen. Das einflußreichste Organ ist die «Nieuwe Rotterdamsche Courant» (gegründet 1843), darauf folgen «Algemeen Handelsblad» (s. d.), «Telegraaf» (1893), beide in Amsterdam, und das «Utrechtsche Dagblad» (1797), welche zweimal täglich erscheinen, das im Haag erscheinende «Vaderland» und die («Arnhemsche Courant»; diese alle sind liberaler Richtung. Die «Arnhemsche Courant» (errichtet 1814) war vor 1848 das liberale Hauptorgan. Das «Vaderland» wurde 1869 gegen das altkonservative «Dagblad» (1708) gegründet. Erwähnung verdienen noch als liberale Organe die «Provinciale Groninger Courant» und «Middelburger Courant». Das Hauptorgan der antirevolutionären Partei ist der «Standaard» (1872), redigiert von dem Führer der Partei, Dr. A. Kuyper. Nachdem aber infolge der Wahlvorlage die liberale und besonders die antirevolutionäre Partei sich entzweit hat, ist 1894 die zu Rotterdam erscheinende «Nederlander» unter Redaktion Favornin Lohmans gestellt und dadurch in die Reihe der bedeutendsten polit. Zeitungen getreten. Die trefflichst redigierte kath. Zeitung ist die in Amsterdam erscheinende «Tijd» (1846); weiter giebt es «Het Centrum», welche als das Organ Schaepmanns betrachtet wird, «De Maasbode» u. a. Unter den radikalen Blättern steht in erster Reihe «De Amsterdammer» (1879), unter den socialdemokratischen, deren es 11 giebt, das von Domela Nieuwenhuis redigierte «Recht voor allen». Frauenzeitungen giebt es etwa 6, illustrierte Blätter etwa 12, humoristische 4. Mit polit. Fragen beschäftigen sich auch die monatlichen Revuen «De Gids», die bedeutendste, und «De Tijdspiegel». Die «Vragen des tijds» behandeln fast ausschließlich polit. und volkswirtschaftliche Fragen; letztere auch «De Economist» und das «Sociaal Weekblaad». Mehr litterarisch ist das Wochenblatt «De Amsterdammer», mit trefflichen Zeichnungen und Karikaturen. Fast ausschließlich litterarisch ist «De Spectator» im Haag, lange Zeit das erste, wenn nicht das einzige derartige Organ; ferner «De Kunstwereld» für schöne Künste, «Caecilia» für Musik, «Het Museum» in Groningen für histor. und litterar. Arbeiten. Außer den strengen Fachzeitschriften sind wissenschaftlichen Inhalts: «De Natuur», «Het Album der Natuur», «Maandblad voor Natuurwetenschappen», «Tijdschrift voor Geneeskunde», «Rechtsgeleerd Magazijn» u. a.