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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Nordpolarmeer - Nordpolexpoditionen
men sind absolut cirkumpolar verbreitet, andere
bilden in der Alten und Neuen Welt Lokalrassen
nächster Verwandtschaft. Die Landfauna ist sehr
dürftig: von Säugetieren finden sich bloß Wieder-
käuer (das Renntier cirkumpolar, der Moschusochse
bloh in Nordamerika ständig jenseit des 65." und in
Grönland), Nager (der Schneehase und einige Lem-
mingarten) und Raubtiere (Eisbär, Eisfuchs, Viel-
fraß und Marderformen)^vielleicht bis zum 71.° in
der Alten Welt noch eine Spitzmaus (8oi-6x aran6U8
Fc/^ebe,-). Auch Landvögel sind nicht zahlreich, zum
Teil aber charakteristisch: der nordische Jagdfalke,
Schneeeule, Echneehuhn,Schneeammer, dazu noch der
Kolkrabe, der Steinschmätzer (saxicola 06NHntti6 ^>.),
der Leinfink u. s. w. Wat- und Schwimmvögel
sind zahlreich an Arten, mehr noch an Individuen:
charakteristisch sind die Eiderenten, Raubmöven,
Schwäne und Eistaucher. Die Reptilien und Am-
phibien verschwinden jenseit der Baumgrenze. Die
Flüsse sind sehr reich an Fischen, besonders Lachs-
formen. Von den Mollusken finden sich Süßwasser-
bewohner, darunter die Flußperlmuschel, viel weiter
nordwärts als Landbewohner, in Grönland finden
sich4Land-, aber8, vielleicht 10 Süßwassermollusken.
Die Insekten nehmen an Arten und außer gewissen
Mücken, die in manchen arktischen Gegenden zur
Landplage werden, auch an Individuen jenseit
der Waldgrenze sehr rasch ab, auf Nowaja Semlja
finden sich noch 10 Arten, in Grönland 62, darunter
11 Käfer und 9 Schmetterlinge. Hummeln gehen
so weit nordwärts, wie es blühende Pflanzen giebt.
Viel reicher, sowohl an Arten wie an Individuen,
ist die Tierwelt des Nördlichen Eismeers. Wenn
auch die Artenzahl geringer ist als in den tropischen
Meeren, so ist die Individuenzahl um so größer,
so daß auf einen Kubiktilometer Eismeerwasser nicht
weniger tierische Substanz entfällt als auf einen
Kubilkilometer Wasser aus dem Indischen Ocean
oder dem Karibischen Meer. Für den Reichtum
der Meeresfauna spricht auch die ungeheure Menge
der von Fischen lebenden Vögel, der Seehunde und
der gigantischen Waltiere. Charakteristisch als hoch-
nordische Seesäugetiere sind der Narwal und das
Walroß, das aber in den Gebieten zwischen 80 und
100" östl. und zwischen 100 und 150" westl. L.
völlig fehlt. Fische, besonders Schellfischformen
(ttaliiäaß), finden sich in unschätzbaren Scharen,
charakteristisch ist auch der ganz harmlose Riesenhai
^6lllc1i6 maxima Aimnei'), der bis 13 m lang wird
und dem seiner thranreichen Leber wegen sehr nach-
gestellt wird. Von Seemollusken ist die pelagisch
lebende Pteropode Olione doreali^ ^aAtts zu er-
wähnen, die in ihren ungeheuren Mengen das
Hauptfutter der riesigen Bartenwale ausmacht.
Kleine Krebse erscheinen so zahlreich, daß durch ihre
Gegenwart das Meer stellenweise einem lebenden
Mus gleicht. Sie bilden direkt oder indirekt die
Nahrung aller über ihnen stehenden hochnordischen
Tiere, namentlich der Heringsformen, von denen sich
wesentlich die Schellfische nähren, von diesen die
Seevögel, Seehunde u. s. w. Die Nahrung jener
Krebse selbst bilden Kieselalgen, Diatomeen, die beim
Abtauen des Eises in dem gemischten süßen und
salzigen Wasser die günstigsten Existenzbedingungen
finden und die, da sie anorganische Stoffe in orga-
niscke umsetzen, das Fundament für den ganzen
Stoffwechsel im Nördlichen Eismeer bilden.
Vgl. Middendorff, Reise in den äußersten Norden
und Osten Sibiriens l4 Vde., Peters. 1818-75);
Blake, ^rctio LxpLiisnc^s (Lond. 1874); Hayes,
Das offene Polarmeer. Eine Entdeckungsreise nach
dem Nordpol (neue Ausg., aus dem Englischen von
Martin, Gera 1874).
Nordpolarmeer, s. Eismeer.
Nordpolarstern, s. Polarstern.
Nordpolexpeditionen, Reisen, welche mit der
Absicht unternommen wurden, den Nordpol der Erde
zu erreichen oder ihm möglichst nahe zu kommen.
! (S. Karte der Nordpolarländer.)
Erste Periode. Die frühesten Nordpolarreisen
waren Naubzüge der skandinav. Seefahrer, wenn
man von den wahrscheinlich bis zu den Shetlands-
inseln ausgedehnten Fahrten phöniz. Schiffer absieht.
Religiöse Interessen veranlaßten, daß schon um 795
die Fä'röer und Island besucht wurden. Ein Sturm
sührte 861 die beiden Wikinger Naddod und Svafason
an die Küste von Island, und durch den letztern ver-
anlaßt, begab sich etwas später (etwa um 870) noch
ein dritter Wikinger, Vilgardsson, dorthin; dauernd
besiedelt wurdeIsland jedoch erst874 vonIngolf und
seinem Schwager Ijorleif. Wenige Jahre früher war
ein edler Normanne, Ottar, in der Absicht, dienördl.
Erstreckung der norweg. Küste zu erkunden, bis ins
Weiße Meer und zur Mündung der Dwina vor-
gedrungen. Bald nach der Besiedelung Islands
wurde Gunnbjörn nach einer Inselgruppe an der
Ostküste Grönlands verschlagen; später suchte ein ge-
wisser Snaebjörn diese Inseln auf, um dort zu über-
wintern. Erst um 983 segelte Erik der Rote nach der
Ostküste von Grönland, umfuhr Kap Farewell und
besuchte die Westküste. 985 unternahm er eine zweite
Reise nach dem Grünen Lande. Gegen Schluß des
10. Jahrh, entdeckte Bjarni auch im W. des Grünen
Landes wiederum bewaldete Küsten, doch gelangte
erst Leifr, der Sohn Eriks des Noten, kurz nach 1000
nach der von ihnen Vinland benannten Küste und
betrat somit an der Küste des heutigen Labrador zum
erstenmal Amerika. In der folgenden Zeit wurden
mehrere Reisen nach den neuen Ländern unternom-
men, aber nach einer zu Anfang des 19. Jahrh. (1824)
auf der Insel Disko gefundenen Steinplatte war
auch der nördlichere Teil der heutigen Davisstraße
schon von den Seefahrern besucht; 1266 fand eine
Entdeckungsfahrt an der Westküste Grönlands ent-
lang nordwärts über den 76. Grad hinaus statt.
Doch von all diesen Entdeckungen hatten Wissen-
schaft und Handel keinen Gewinn, da sie während
der folgenden Jahrhunderte in Vergessenheit gerie-
ten. Nachdem im 11. und 12. Jahrh, auch die Frie-
sen, die Norweger unter Harald Hl. und die Basken
Nordfahrten unternommen hatten, hörte in der ersten
Hälfte des 15. Jahrh, jede Kunde von den nordischen
Ländern auf. Erst 1462 besuchte der Portugiese
Cortoreale wieder Neusundland; ebenso fuhr Co-
lumbus 1477 von Bristol nach Island. Sobald
die Entdeckung der Neuen Welt durch Columbus
bekannt wurde, subr der Veneticmer Caboto aus
Befehl Heinrichs VII. von England 1497 von Bri-
stol nach Westen und gelangte an die Küste von
Labrador. 1500 - 3 unternahmen Gaspar Corto-
reale und sein Bruder Miguel mehrere Reisen nach
nordwestl. Gegenden und gelangten dabei auch an
die Küsten von Labrador und Grönland. 1521 er-
warb Alvarez Fagundes die Küste der Neuengland-
Etaaten und Neuschottland und gründete auf Kap
Breton eine portug. Niederlassung, von der wir
Nachrichten bis 1579 besitzen. Schon um jene Zeit
begann man auch den Fischreichtum auszubeuten.