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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Norwegen

Lagting, ab. Die übrigen Mitglieder bilden das Odelsting, von welchem jede Angelegenheit zuerst behandelt werden muß, ehe sie zur Bestätigung an das Lagting gelangen kann. Der Staatsrat ist die oberste Regierungsbehörde, unter welcher zunächst 20 Amtmänner stehen, denen die Aufsicht über die gesamte Verwaltung der 20 Ämter obliegt. Die in den Bischofssitzen befindlichen heißen Stiftsamtmänner und leiten gemeinschaftlich mit den Bischöfen alle Civil-, geistlichen und kirchlichen Angelegenheiten. Unter den Amtmännern stehen 60 Vögte (davon 4 Steuervögte), welche die untern Steuer- und Polizeibehörden bilden. Die 81 Sorenskriver (wörtlich: geschworene Schreiber) sind in den 380 Gerichtssprengeln auf dem Lande die Richter erster Instanz, während in den Städten die Stadtvögte, und in den Städten Kristiania, Frederikshald, Drammen, Kristiansand, Bergen und Throndhjem die Bürgermeister als unmittelbare Obrigkeit wirken. Die zweite Rechtsinstanz bilden die vier Stiftsobergerichte (Stifts-Oberretter) in Kristiania, Kristiansand, Bergen und Throndhjem, und die dritte und höchste das Höchste Gericht (Höieste Ret) in Kristiania.

In administrativer Hinsicht ist das Land gegenwärtig in die beiden Städte Kristiania und Bergen und in 18 Ämter geteilt, nämlich: Smålenene, Akershus, Hedemarken, Kristiansamt, Buskerud, Jarlsberg und Laurvik, Bratsberg, Nedenäs, Lister und Mandal, Stavanger, Söndre-Bergenhus, Nordre-Bergenhus, Romsdal, Söndre-Throndhjem, Nordre-Throndhjem, Nordland, Tromsö und Finmarken. Die 18 Ämter zerfallen wiederum in 56 Vogteien, welche die naturgemäße Einteilung des Landes bilden.

Über Heer und Flotte s. Norwegisches Heerwesen.

Das Wappen zeigt im roten Felde einen aufgerichteten, gekrönten goldenen Löwen, welcher die Hellebarde des heil. Olaf trägt. (S. Schweden.) Die Flagge ist rot mit blauem, rechtwinklig stehendem Kreuze, mit weißen Rändern eingefaßt; in der innern obern Abteilung ist die Unionsflagge angebracht. (S. Tafel: Flaggen der Seestaaten.)

Die Finanzen haben sich durch das Sparsystem des Stortings aus ihrer frühern Zerrüttung glänzend erhoben. Die Staatsschulden, die bis Anfang 1848 auf etwa 8 Mill. Kronen vermindert waren, sind seitdem infolge neuer Anleihen wieder gestiegen und betrugen Juni 1894: 164 Mill. Kronen. Die Einnahmen (namentlich Zölle, Branntweinsteuer) und die Ausgaben sind für 1896 auf 61 Mill. Kronen veranschlagt.

Unterrichtswesen. Für höhere wissenschaftliche Bildung sorgt die Universität zu Kristiania; Mittelschulen, meist für Knaben und Mädchen gemeinsam, sind 17 staatliche, 40 kommunale und 25 private, darunter 23 mit klassischen und mathem. Disciplinen. Zur Heranbildung von Volksschullehrern bestehen 6 Seminare. Die Schulbildung ist sehr verbreitet, und das norweg. Volk zeichnet sich in dieser Beziehung ebenso aus wie das schwedische. In den dünn bevölkerten, entlegenern Gegenden bestehen zwar oft nur sog. Wanderschulen, aber auch diese wirken, namentlich in Verbindung mit dem Unterricht, den die Kinder zugleich zu Hause von den Eltern erhalten, genügend, so daß Analphabeten kaum vorhanden sind.

Unter den Zeitungen wurde die älteste, die "Norske Intelligenz-seddeler", 1763 begründet; von 1807 ab heißt sie "Kristiania Intelligenz-seddeler". Hierzu kamen 1765 noch die "Efterretninger fra Adressecontoiret i Bergen", und 1767 zu Throndhjem die "Throndhjems borgerlige Realskoles privilegierte Adressecontoirs Efterretninger" und 1780 "Christiansandske Ugeblade". Die periodische Litteratur aber war ohne polit. Bedeutung bis zu Anfang der dreißiger Jahre. Organ der Beamten war seit 1836 "Den Constitutionelle" (bis 1847, folgende Jahre von "Christiania-Posten" gefolgt) neben der seit 1815 bestehenden "Norske Rigstidende". Ihm ging "Vidar" (1832-34) voraus, ein mehr litterar. Blatt, das Schweigaard, Birch-Reichenwald und Welhaven den volkstümlichen Bestrebungen Wergelands gegenüber begründet hatten. Das Organ der bäuerlichen Volkspartei war das 1819 begonnene "Morgenbladet". Letzteres, "Dagbladet" (s. d.) und das konservative "Aftenposten" (alle drei in Kristiania), außerdem etwa noch "Verdens Gang" (radikal) sind gegenwärtig die wichtigsten polit. Blätter N.s. Unter den Wochenblättern ist "Almnevennen" das verbreitetste; sonst sind noch "Norsk Folkeblad", 1866-71 redigiert von Björnstjerne Björnson, "Folkevennen", "Menigmands Ven" von A. Bang und "Skilling-Magaznet^[korrekt: Magazinet]" hervorzuheben. Ein kritisch-humoristisch-satir. Blatt ist "Vikingen". Unter den Zeitschriften nahm 1847-55 die litterar.-kritische "Norsk Tidsskrift for Videnskab og Literatur" eine vorzügliche Stelle ein, ebenso die 1856-60 von P. A. Munch herausgegebene "Norsk Maanedsskrift". Zu Kristiania erscheinen zahlreiche Fachzeitschriften für Medizin, Naturwissenschaften, Theologie u. s. w. Eine übersichtliche Geschichte der norweg. periodischen Litteratur lieferte Botten-Hansen in "La Norvège littéraire" (1868).

Geschichte. Die früheste Geschichte N.s ist durchaus sagenhaft. Erst um 900 mit Harald I. (s. d.) Harfagr und seinen Söhnen gewinnt sie eine festere Gestalt. Drei Hauptpunkte treten daraus hervor: die Seezüge (Vikingsfahrten) der Normannen (s. d.) oder Nordmannen, durch welche diese in Berührung mit dem übrigen Europa kamen, auch Island und Grönland bevölkerten und von dort im 11. Jahrh. die Küsten des jetzigen Neuschottland entdeckten; sodann als Rückwirkung davon die Einführung des Christentums, die mit dem alten Heidentum auch einen Teil des alten skandinav. Volkstums vernichtete; endlich die Vernichtung der alten Stammhäupter des Landes, die Harald Harfagr begann und deren Kämpfe der Urgeschichte und selbst noch der spätern Geschichte einen wilden Charakter gaben, der auch nach der Einführung des Christentums in den Thronkämpfen fortdauerte. Olaf (s. d.) der Heilige vollendete die Bekehrung des Landes zum Christentum und unterwarf die kleinen Häuptlinge, die bis dahin im Lande geherrscht hatten. Als Olaf durch Knut (s. d.) d. Gr. von Dänemark 1028 vertrieben und in der Schlacht bei Stiklestat unweit Throndhjem 1030 gefallen war, kam N. unter dän. Herrschaft, fiel aber nach Knuts Tode (1035) wieder zurück an Olafs des Heiligen Sohn Magnus. Von dieser Zeit an stand N. unter einheimischen Königen bis 1319. Als in diesem Jahre mit Håkan V. der Mannsstamm der norweg. Könige ausstarb, ging die Krone an Håkans Tochtersohn, den damals erst 3 Jahre alten schwed. König Magnus Eriksson, über. Dessen Sohn Håkan VI., dem der Vater schon bei seinen Lebzeiten N. abgetreten hatte, war vermählt mit Margarete (s. d.), der einzigen Tochter des dän. Königs Waldemar IV. Atterdag, daher dann sein unmündiger