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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Obstwein - Occasionalismus
den, ebenso ans Erdbeeren nud sogar aus den
Stengeln der Nhabarberstände. Apfelwein (Cider),
Johannisbcer-, Stachclbecr-, Brombeer- und Hei-
dclbcerweine (s. Beerwcine) sind die beliebtesten.
Zum Apfelwein verwendet man in erster Linie die
saftigen Reinetten; ganz saure Apfel mischt man
mit süßern Früchten; vorwiegend süßen Äpfeln
setzt man den Saft recht herber Apfel zu, hierzu
kann man sogar die Früchte von ?iiu3 I^cc^ta. ^.
und 30rdu3 äoin68tic3. ^. verwenden. Unter den
Stachelbeeren zieht man die tleinfrüchtigen vor,
sonst geben die größten und vollsaftigen Beeren den
besten Wein. Auch Mischungen verschiedener Obst-
arten sind durchaus empfehlenswert. Für kleinen
Zausbedarf macht das Zerdrücken des Beerenobstes
in einem Gefäß, das Zerreiben der Apfel auf der
Reibe und das Ausdrücken dnrch ein festgefügtes
Tuch (nicht zu feinen Kongreßstoff) keine besondern
Schwierigkeiten. Zur Weinbcreitung im großen
sind Apparate nötig; für Apfel ist eine Obstmühle
zum Zerkleinern erforderlich und eine Presse oder
Kelter, um den Saft von den Trestern zu trennen;
für Beerenobst hat man kleinere Saftpressen her-
gestellt. Der so gewonnene Saft ist aber zu arm an
Zucker und zu reich an Säure. Die letztere wird
durch Wasscrzuthat so gemildert, daß in der Flüssig-
keit nur 7-8 Promille derselben verbleibt; da nun
Obstsäfte 8-30 Promille Säure enthalten, ist es
klar, daß der Wasscrzusatz je nach Obstsorte und
Jahrgang sehr verschieden ausfallen muß, um stets
einen gleichmäßigen und wohlschmeckenden Wein zu
erhalten. Man muß daher die Säure bestimmen;
den nötigen Zuckerzusatz bestimmt man mit Hilfe
der Mostwage (s. d.) von Ochsle; je nachdem der
Wein nun schwer oder leicht werden soll, setzt man
mehr oder weniger Zucker zu. 1 Proz. Zucker im
Most giebt etwa 6-10 Proz. Alkohol im fertigen
Wein. Andere Zusätze zum Wein giebt man nicht,
wenn es sich nicht darum handelt, "Krankheiten des
Weins zu verhüten oder zu heilen. Den fertigge-
stellten Most füllt man auf ein Faß und setzt nach
der stürmischen Gärung (10-14 Tage) eine Gär-
röhre (s. d.) auf. Der Behälter, Faß oder Flasche,
muß nun stets gefüllt gehalten werden; die bei
der Gärung sich entwickelnde Kohlensäure entweicht
durch die Wasserschicht des Gärspundes, die Luft
aber kann nicht an den Wein herantreten, wo-
durch Krankheiten vorgebeugt wird. Die Füllung
der Fässer wird auch mittels Füllflaschcn (s. d.) be-
wirkt. Die weitere Kellerbehandlung des Weins ist
wie beim Traubenwein, ebenfalls auch das Abziehen
auf Flaschen. Das hin und wieder nötig werdende
Filtrieren wird mit einem eigens dazu hergerichteten
Apparat (s. Filtrieren) ausgeführt. Durchschnitts-
rezepte für Weinbereitung sind folgende: Für leich-
ten Tafelwein 10 1 reinen Saft, 1V. 1 Wasser, 600 3
Zucker; von weißen Johannisbeeren 10 1 reinen
Saft, 221 Wasser, 4^ kx Zucker; von roten Jo-
hannisbeeren 101 reinen Saft, 271 Wasser, 52/4 K3
Zucker; für schwere Weine: rote Johannisbeeren
10 1 Saft, 25 1 Wasser, 7 - 8 K3 Zucker; weiße
Johannisbeeren 10 1 Saft, 211 Wasser, 6"/.-
7'/2 kF Zucker; Zeidelbeerwein 10 1 Saft, 10 1
Wasser, 4-51^ Zucker; Vrombcerwcin 101 Saft,
12 1 Wasser, 5 1<F Zucker. Den schweren Liqueur-
weinen von Erdbeeren, Kimbeeren, Stachelbeeren
giebt man noch mehr Zucker. - Vgl. Lämmerhirt,
Die O. in ihrem ganzen Umfange (Berl. 1885); Fr.
Lucas, Das Obst und seine Verwertung (3. Auflage
der Schrift "Die Obstbenutzung" von Ed. Lucas,
Stuttg. 1888); Voettner, Die Ö. (3 Tle., Oranienb.
1885-87);Wilbrandt-Piscde,DieHebungderO.und
des Obstbaues, nach den Erfahrungen durch die nord-
amerik. Konkurrenz von Heinr.Semmler in San Fran-
cisco; Goethe, Die O. unserer Tage (Wiesb.1893).
Obstwein, s. Obstverwertung und Cider.
Obftzmter, soviel wie Fruchtzucker (s. 0.).
Obturator (lat., "Verstopfer"), eine mcchan.
Vorrichtung aus Holz, Elfenbein, Metall oder vul-
kanisiertem Kautschuk zum Verschließen von krank-
haft entstandenen Öffnungen, z. B. der Gaumen-
O-Buda, Altofen, f.Budapest. spalte (s.d.).
Obwalden, Halbkanton von Unterwalden (s. 0.).
Ocana (spr. okannja), Bezirksstadt der span. Pro-
vinz Toledo, Hauptort der niedern (d^ja) Mancha,
an der Bahn Aranjuez-Cuenca, 12 kin südöstlick
von Aranjuez, in fruchtbarer Gegend, hat (1887)
6046 E., 4 Pfarrkirchen, stattliche alte Häuser; Lei-
nen-, Flanell-, Seiden-, Leder- und Seifenfabrikation.
Hier schlug 19. Nov. 1809 Mortier mit 30000 Franzo-
sen den Marquis von Areizaga mit 55 000 Spaniern.
Ocapatate, s. OxNii8.
Ocarma (ital.), eine Art Pfeife aus Thon, deren
Körper wie der Numpf eines Vogels gestaltet nnd
mit einer Anzahl Tonlöcher versehen ist, ein künst-
lerisch wenig verwendbares Tonwerkzcug.
Occam, Wilh. von, Scholastiker, geb. zu Occam
in der engl. Grafschaft Surrey, der Stifter der
Schule der Occamisten, lehrte seit dem Anfang
des 14. Jahrh, und starb 1347 zu München. Er
trat jung in den Franziskanerorden und hatte Duns
Scotus zum Lehrer in der Theologie und Philoso-
phie, über die er dann in Paris Vorlesungen hielt.
Wegen seiner Verteidigung Philipps IV. des Schö-
nen von Frankreich gegen den Papst Vonifacius VIII.
mit dem Bann belegt, fand er Schutz bei dem Deut-
schen Kaiser Ludwig dem Bayern, den er gegen Jo-
hann XXII. verteidigte. Er wurde der Wiederher-
steller des Nominalismus (s.d.), wovon er den
Namen voneradiliZ incepwr empfangen hat. Er
lehrte, daß die philos. Erkenntnis, auf der sinnlichen
Erfahrung beruhend, keine Beweise für die Glau-
benslehre aufzustellen vermöge, und lockerte so den
innigen Zusammenhang zwischen Theologie und
Philosophie. Seine mehrfach aufgelegten Schriften
sind zum Teil kirchenpolit. Charakters, in der Haupt-
sache aber logischer Tendenz, und sein Hauptwerk ist
"8uiuiu3. totiu31oM63" oder "iractatuL logier in
ti'08 piN't63 äivi8U3" (zuerst Par. 1488 gedruckt). -
Vgl. Schreiber, Die polit. und religiösen Doktrinen
unter Ludwig dem Bayern (Landshut 1858); C. Mül-
ler, Der Kampf Ludwigs des Bayern mit der röm.
Kurie (2 Bde., Tüb.1879-80); Werner, Die Scho-
lastik des spätern Mittelalters, Bd. 2 (Wien 1884).
Occasionalismus (neulat.), das System der ge-
legentlichen oder veranlassenden Ursachen, eine meta-
physische Ansicht, die sich in Descartes' Schule aus-
bildete. Vor Descartes herrschte die Meinung, das;
der Körper auf die Seele wirke und Bewegungen
in ihr hervorbringe, und diese Ansicht von einer un-
mittelbaren Verbindung der Seele und des Körpers
durch Kausalität wurde das System des natürlichen
Einflusses genannt (8M6ina inünxu8 pk^iei).
Diese Auffassung wurde durch den scharfen Dualis-
mus in der Metaphysik des Descartes unhaltbar;
sein Anhänger Louis de Laforge nahm daher eine
wechselseitige Vereinigung des Körpers und derSeele
an, so daß keins von beiden allein auf das andere