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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Odiös - Odoaker
aus ein Sturmgott; schon sein Name bedeutet der
Wütende. Vald jedoch wurde er zum Todes-, ja
zum Himmelsgott. Als Sturmgott reitet er nach
nordischem Mythus auf dem achtfüßigen Nosse
Sleipnir, mit dem tiefen Wolkenhute und dem dunkeln
Himmelsmantel angethan. Er hat als solcher noch viel
Ähnlichkeit mit dem Sturmdämon, der im Wüten-
den Heere oder der Wilden Jagd im Volksglauben
fortlebt, ja im schwed. Volksglauben führt er sogar
als König O., im mecklenburgischen und pommerschen
als Wod diese Scharen. Als Windgott wird er
auch Zum Erntegott, dem von den Früchten Opfer
gebracht, dem im Herbst und Mittwinter Feste ver-
anstaltet werden. Im Norden beherrscht er als solcher
auch die Schiffahrt; in dieser Eigenschaft hieß er
Hnikar (verwandt mit unserm Nix) und Hlefreyr.
Als Windgott war O. zugleich Totengott. Er führte
die Scharen der Verstorbenen durch die Lüfte; in
Bergen hatten sie in der Regel ihren Aufenthalts-
ort; hierher kam er namentlich in der heiligen Zeit
der zwölf Nächte. Mit ihm treten die Walkyren,
die Todesbringerinnen, in engsten Zusammenhang,
besonders in seinem Auftreten als Schlachtengott.
Deshalb beteten die alten Skandinavier zu ihm vor
der Schlacht, deshalb weihten sie ihm durch feier-
lichen Speerwurf die Feinde. Er selbst führt in dieser
Eigenschaft den Speer Gungnir; die Scharen, über
welche dieser geworfen wird, sind dem Tode geweiht.
In der Schlacht stehen ihm die Schlachtjungfrauen,
die Walkyren, zur Seite; sie lenken die Schlacht und
bringen die Gefallenen in O.s Halle, Valhöll, wo
sie als Einherjer bei stetem Kampfe und Gelage ein
ewiges Dasein führen. Diesem Mythus parallel
laufen die südgerman. Sagen von dem bergentrückten
Kaiser Karl oder Friedrich u. s. w. Als Sonnengott
wird O. einäugig dargestellt; die Sonne ist sein Auge.
Als solcher thront er auf dem Himmelsberge, den
die alten Nordländer Hlidskjalf nennen, und schaut
von hier auf die Welt. Schon die langobard. Sage
kennt ihn in dieser Eigenschaft. Hier umflattern ihn
nach eddischem Mythus seine RabenHugin (Gedanke)
und Munin (Gedächtnis) und bringen ihm Kunde
von dem, was auf der Welt geschieht.
O. ist ferner der Gott der Weisheit, der Gott aller
höhern Intelligenz, die durch die Römer den Ger-
manen gebracht wurde. Als solchem wird ihm die
Erfindung der Runen mit ihrer Heil- und Zauber-
kraft zugeschrieben, als solcher gilt er als Gesetz-
geber und höchster Nichter, als solcher verkehrt er mit
dem weisen Mimir (s. d.), dem er täglich sein Auge,
die Sonne, zum Pfands einsetzt, als solcher kehrt er
täglich bei der Saga ein und schöpfte von ihr die
Kunde von der Vergangenheit aus krystallenem
Becher. Infolge dieser Eigenschaft ist er auch, viel-
leicht nur im Norden, zum Gotte der Dichtkunst ge-
worden. Er spendet den Dichtern die Gabe der
Poesie durch einen Trunk vom Methe Odroerir, den
er auf abenteuerliche Weise den Niesen entwendet
hatte; Bragi (s. d.), ebenfalls ein nordischer Gott der
Dichtkunst, wurde zu seinem Sohne. Den Römern
fiel nur die Verehrung O.s als Wind- und Toten-
gott auf; deshalb identifizierten sie ihn mit ihrem
Mercurius, deshalb übersetzte man den römischen
äi68 Nsrcurii mit Wodans-(Odins-) Tag (engl.
xveänsZclH^).- Vgl. lihland, Schriften zur Ge-
schichte der Dichtkunst und Sage, Bd. 6 (Stuttg.
1868); Leo, über Odins-Verehrung in Deutschland
(Erlangen 1822); Menzel, Odin (Stuttg. 1855);
Wisön, Ölen ock I^olcs ^Stockh. 1873).
Odiös (lat.), gehässig, verhaßt, unausstehlich;
Odiosa, verhaßte Dinge.
Vdipödie, Odipussage (s. Oidipus) und deren
dichterische Behandlung. Insbesondere wird ein dem
epischen Cyklus (s. Cyklische Dichter) angehöriges
Gedicht so genannt, das man dem Lacedämonier
Kinäthon zuschreibt.
0äi protanunz vulFus st aroso (lat), "ich
hasse die uneingeweihte Menge und halte sie fern",
Citat ans Horaz' "Oden" (III, 1, i).
Ödipus, s. Oidipus.
Odische Musik, bei den alten Griechen soviel
wie Vokalmusik.
oawlu (lat.), Haß, Ungunst.
Odo, Herzog von Aauitanien, s. Eudo.
Odo, auch Eudo, Graf von Paris und Herzog
von Francien, Sohn des 866 gegen die Normannen
gefallenen Grafen Robert des Tapfern von Anjou,
ward 887, als die Wcstfranken von Karl dem Dicken
abfielen, wegen seiner ruhmvollen Verteidigung von
Paris gegen die Normannen (886) von einem Teil
der Vasallen zum König erhoben. Andere aber
stellten ihm schon 893 den Karolinger Karl den Ein-
fältigen entgegen, und O. vermochte diesen nicht zu
beseitigen. Er starb kinderlos 1. Jan. 898. O. war
der erste Herrscher aus dem Geschlecht der Robertincr
oder (später) Kapetinger. - Vgl. von Kalckstein,
Geschichte des franz. Königtums unter den ersten
Kapetingern (Bd. 1, Lpz. 1877); E. Favre, Luäes,
comtk äs lariä 6t ioi ä6 Granes (Par. 1893).
OdoäkeV(Odovakar,lat.0ä0ac6i'-Ottokar),
german. Heerführer, seiner Abkunft nach ein Rugier
oder ein Skire, die damals im Donauthal saßen,
Sohn eines sonst nicht bekannten Adico, suchte gegen
470 in Italien röm. Kriegsdienste und stand 476 in
der kaiserl. Leibwache. Als Orestes, der Oberfeldherr
der meist aus german. Söldnern gebildeten Trup-
pen, den Kaiser Nepos vertrieb und seinen eigenen
Sohn Romulus Augustulus zum Kaiser machte, for-
derten die german. Söldner, daß er ihnen feste Wohn-
sitze, und zwar ein Drittel der Grundstücke der Römer
anweise. Da sich Orestes weigerte, erhob die Mehr-
zahl der Söldner den O. zum König (22. Aug. 476),
der den Orestes in Pavia überwand und tötete und
dann den Romulus Augustulus nötigte, der Herr-
schaft zu entsagen. O. sicherte ihm ein Jahrgeld, gab
seinem Heere das Land zur Ansiedelung und erhielt
vom oström. Kaiser Zeno die Ernennung zum Patri-
cius und damit den Schein einer Stellvertretung des
Kaisers. Aber O. handelte wie ein selbständiger
Fürst, eroberte 482 Dalmatien, besiegte 487 und 488
die Rugier in Noricum und prägte Münzen. Anderer-
seits versagte ihm der Kaiser trotz der Verleihung
jenes Titels die volle Anerkennung und veranlaßte
schließlich den Ostgoten Theodorich zum Angriff auf
O., der 489 am Isonzo, dann bei Verona und 490
an der Adda geschlagen wurde; in Ravcnna aber
hielt er sich über zwei Jahre. Zuletzt vereinigte sich
Theodorich mit ihm zu einer Art Gesamtrcgierung,
ermordete ihn aber schon 5. März 493. Dreizehn
Jahre fast hatte O. über Italien regiert und dem
Lande Frieden und Ordnung gesichert. Staatsrecht-
lich wollte er zunächst wenigstens nur als ein Ver-
treter des röm. Kaisers gelten, Italien sollte eine
Provinz des ungeteilten Römerreichs sein. O. er-
nannte Konsuln und gab Gesetze im Stil der röm.
Kaiser. Indessen näherte sich seine Regierung that-
sächlich doch sehr denen der von Germane" auf nw).
Boden gegründeten Königreiche, und darum be-
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