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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Orgelton; Orgeltrio; Orgĭen; Orgīva; Orgue portatif; Orĭa; Orianda; Oribasĭus

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Orgelton - Oribasius

den, das Pedal mit den Füßen gespielt. Dazu kommt noch die Handhabung der zu beiden Seiten der Orgelklaviaturen (seltener oben neben dem Notenpult) befindlichen Register. Der Organist muß während des Spielens von einem Manual zum andern übergehen können. Spielt er mit den Füßen den Baß im Pedal, mit der linken Hand auf dem einen Manual die Begleitung, mit der rechten Hand auf einem andern Manual die Melodie (cantus firmus), so spielt er ein Orgeltrio.

Die ersten Nachrichten über Orgelspieler sind die von den Florentinern Francesco Landino (gest. 1390) und Antonio Sguarcialupo (gest. 1475). Über das deutsche O. berichtet zuerst der Nürnberger Konrad Paumann im «Fundamentum organisandi» (1452). Die ersten Nachrichten aus Frankreich über das O. sind von 1540, aus England von 1550. Zu dieser Zeit findet man in Italien auch niederländ. Orgelspieler, die mit Vorliebe die Form des Ricercare (s. d.) pflegen. Später erfanden die Italiener für die Orgel die phantastische Form der Toccata (s. d.). Berühmte Organisten jener Zeit sind: Willaert, Claudio Merulo, Andrea und Giovanni Gabrieli, Quagliati, Diruta und der größte Orgelmeister Italiens Girolamo Frescobaldi (s. d.). In Deutschland glänzte Arnold Schlick, in Holland Peter Swelinck (gest. 1621). Die durch Paumann ins Leben gerufene Nürnberger Schule nahm einen bedeutenden Aufschwung durch Hans Leo Haßler, Erasmus Kindermann und erlischt mit Pachelbel, während die Wiener Schule ihre Vertreter in Jakob Froberger, Muffat und Kaspar von Kerl hatte. Das O., eine Zeit verflacht (1570‒1620), wird wieder in kunstgerechte Bahnen durch den hallischen Organisten Samuel Scheidt (gest. 1654) gelenkt durch die Herausgabe seiner «Tabulatura nova» (Hamb. 1624). Durch sie wurde der Sinn der Organisten wieder auf den Choral, seinen melodischen Bau und tonischen Ausdruck hingewiesen. Scheidt fügte seiner Sammlung eine treffliche Abhandlung über das O. seiner Zeit bei. Bei den vorhergehenden Meistern bildete die harmonische Grundlage die Hauptsache. Scheidt dagegen griff auf die strengen Formen des einfachen und doppelten Kontrapunktes zurück, brachte Ordnung in die Figuration, indem er die Form der Variation wählte, während der erwähnte Froberger das Verdienst hat, die Fugenform und den Kanon in den Grundzügen festgestellt zu haben. Joh. Pachelbel (1653‒1706) führte mit großem Glück die Entwicklung des angebahnten polyphonen Orgelstils weiter, indem er Themen in reichern Durchführungen verarbeitete und diese nach künstlerischen Principien gruppierte. Dadurch erhielten seine freiern Formen, Phantasien und Orgeltoccaten eine größere und doch einheitliche Entfaltung. Auch seine Choralfigurationen erhalten dadurch, daß er den cantus firmus deutlich hervortreten läßt und sich bemüht, den Inhalt durch den Kontrapunkt näher zu legen, eine ideale Bedeutung. Eine Reihe von Meistern schließen sich diesen Bestrebungen an, so Dietrich Buxtehude (gest. 1707), der einen noch größern Figurenreichtum in seinen Toccaten zu Tage fördert, und Nikolaus Bruhn (1666‒97); beide bahnten dem größten Orgelspieler Joh. Sebastian Bach (s. d.) den Weg. Durch ihn wurde das O. auf die höchste Stufe geführt. Ferner schrieben noch für die Orgel: Bachs Söhne, Kittel, Kirnberger, Krebs, Homilius, Knecht, Vierling, Fischer, Umbreit, Rink, Mendelssohn, Hesse, Schneider, Engel, Herzog, Volckmar und Schumann; in neuerer Zeit: Kiel, Ritter, Haupt, Brosig, Merkel, Piutti, Flügel, Dienel, Liszt, Guilmant. Die meisten der genannten Orgelkomponisten waren auch tüchtige Orgelspieler. – Vgl. Ritter, Zur Geschichte des O. im 14. bis 18. Jahrh. (2 Bde., Lpz. 1884).

Das O. hatte seine eigene Notation, die sog. Orgeltabulatur, die in Deutschland bis ins 18. Jahrh. hinein fast ausschließlich für Orgelstücke angewendet wurde. Sie besteht aus den deutschen Buchstaben abcdefg, mit denen noch jetzt die Töne benannt werden. Zu ihnen treten noch die Zeichen für den Takt, so daß eine solche Orgeltabulatur ein wenig übersichtliches Bild bietet.

Orgelton, s. Chorton.

Orgeltrio, s. Orgelspiel.

Orgĭen (grch.), ursprünglich Bezeichnung für religiöse Gebräuche und Gottesdienst, insbesondere aber für geheimen Gottesdienst, und vorzugsweise für die mit mystischen Gebräuchen und trunkener Wildheit gefeierten Feste des Dionysos (Bacchus), endlich in Geheimnis gehülltes Treiben überhaupt. Noch jetzt nennt man O. ausgelassene Trinkgelage. Über die Entstehung des Orgiasmus s. Dionysos.

Orgīva, Bezirksstadt in der span. Provinz Granada, Hauptort der westl. Alpujarras (s. d.), auf einem Hügel im Thalbecken des Flusses O., zwischen Weingärten, Mandel- und Feigenbäumen gelegen, hat (1887) 4450 E. und eine schöne Pfarrkirche.

Orgue portatif (frz., spr. org’), s. Portativ.

Orĭa, Stadt im Kreis Brindisi der ital. Provinz Lecce, an der Bahn Tarent-Brindisi des Mittelmeernetzes, Bischofssitz, hat (1881) 8173 E., Kathedrale, Paläste, mittelalterliche Burg und Tabaksbau. O. ist das kretische Uria (auch Hyria), die alte Hauptstadt Japygiens, wurde 1062 von den apulischen Normannen erobert und war im 15. Jahrh. ein Marquisat der Imperialii.

Orianda (Orejonda), auch Urgenda, zwei Besitzungen der russ. Kaiserfamilie im russ. Gouvernement Taurien, auf der Südküste der Krim, 5 km südwestlich von Jalta. Niederorianda, mit schönem Park, botan. Garten und einem 1882 abgebrannten Schlosse, umfaßt die Ruinen einer alten Festung. Oberorianda, auf einer 275 m hohen Terrasse gelegen, hat ein großes Schloß in gemischtem griech.-orient. Stil.

Oribasĭus, griech. Arzt aus Pergamon oder Sardes, geb. um 325, gest. um 400 n. Chr., war Leibarzt des Kaisers Julianus. Aus mediz. Werken machte er systematische Auszüge («Synagogai») in 70 Büchern und stellte dann das Ganze wieder zu kürzerer Übersicht in 9 Bänden zusammen. Von O.’ Hauptwerk hat sich nur eine Anzahl Bücher in griech. Sprache erhalten, von denen u. d. T. «Medicinalium collectorum libri» die zwei ersten von Gruner (2 Tle., Jena 1782), Buch 1‒15 von Matthäi in «Medicorum veterum et clarorum graecorum varia opuscula» (Mosk. 1808), Buch 44‒45 und 48‒50 von Mai in den «Auctorum classicorum e vaticanis codicibus editorum tom. Ⅳ» (Rom 1831) zuerst bekannt gemacht worden sind. Eine vollständige Ausgabe der erhaltenen Schriften des O. (mit Ausnahme von Buch 11‒13, welche bloß Wiederholungen aus Dioskurides enthalten), mit franz. Übersetzung und ausgezeichneten Erläuterungen, ist von Bussemaker und Daremberg begonnen und von Molinier zu Ende geführt worden (6 Bde., Par. 1851‒76).