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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte)

Nachfolger Joseph II. handelte mit rastloser Thätigkeit im Geiste des aufgeklärten Despotismus jener Zeit, doch zu rasch und gewaltsam. Seine rücksichtslose Centralisation und Germanisation veranlaßte Unruhen in Ungarn und den Niederlanden. Sein Plan, Niederbayern und die Oberpfalz zu erhalten, scheiterte an dem Vorgehen Preußens, und als er die Niederlande als burgund. Königreich dem Kurfürsten Karl Theodor gegen Bayern überlassen wollte, trat ihm der von Friedrich d. Gr. gestiftete deutsche Fürstenbund (s. d.) entgegen. Nicht glücklicher war der Kaiser im Kriege 1788 gegen die Pforte. Er starb 20. Febr. 1790.

Auf Joseph II. folgte dessen Bruder Leopold II. Es gelang ihm, durch Nachgeben und Festigkeit die Niederlande zu beruhigen und die Ungarn zu befriedigen. Er starb noch vor Ausbruch des Revolutionskrieges 1. März 1792. Dagegen erklärte Frankreich seinem Sohne Franz kurz nach seiner Thronbesteigung, noch ehe er (14. Juli 1792) als Franz II. zum Deutschen Kaiser erwählt war, den Krieg. (S. Französische Revolutionskriege.) Österreich verlor 1797 in dem ersten Friedensschluß von Campo-Formio (s. d.) die Lombardei nebst den Niederlanden, wofür es den größten Teil des venet. Gebietes erhielt. Zwei Jahre früher war es bei der dritten Teilung Polens durch Westgalizien vergrößert worden. Anfang 1799 begann Kaiser Franz, mit Rußland, England, Neapel und der Türkei verbunden, den Krieg gegen Frankreich aufs neue; doch Bonaparte erzwang 9. Febr. 1801 den Frieden von Lunéville (s. d.), worin in der Hauptsache die Abtretungen von Campo-Formio bestätigt wurden. Durch den Reichsdeputationshauptschluß (s. d.) von 1803 erhielt Österreich die beiden Tiroler Hochstifter Trient und Brixen, so daß es, mit Einschluß der letzten Erwerbungen in Polen, ungeachtet jener Abtretungen in den Koalitionskriegen, über 660000 qkm umfaßte. Als Napoleon sich zum Kaiser ausrufen ließ, erklärte sich Franz 11. Aug. 1804 zum Erbkaiser von Österreich, indem er unter dem Namen Kaisertum Österreich alle seine Staaten zu einem Ganzen vereinigte. Noch einmal griff 1805 der Kaiser, im Bunde mit Rußland und Großbritannien, zu den Waffen gegen Napoleon I. (S. Französisch-Österreichischer Krieg von 1805.) Der Krieg endigte 26. Dez. 1805 mit dem Frieden von Preßburg (s. d.), worin Franz Vorderösterreich, Tirol, Dalmatien, Istrien und Venetien abtreten mußte und dafür Salzburg erhielt. Nach der Errichtung des Rheinbundes (12. Juli 1806) entsagte Kaiser Franz 6. Aug. 1806 der deutschen Kaiserwürde und nannte sich nun Franz I., Kaiser von Österreich. Von neuem beschloß er 1809 den Krieg gegen Frankreich. (S. Französisch-Österreichischer Krieg von 1809.) Die Österreicher unterlagen aber wiederum. Der 14. Okt. 1809 abgeschlossene Friede zu Schönbrunn kostete der Monarchie 2000 Quadratmeilen mit 3½ Mill. E.: Salzburg mit Berchtesgaden, das Innviertel, die westl. Hälfte Kärntens, Krain mit Görz, Triest, Kroatien am rechten Ufer der Save, Westgalizien und einen Teil Ostgaliziens und führte zum partiellen Staatsbankrott. Österreich suchte nun die franz. Allianz, und 1810 erfolgte die Verbindung Napoleons mit Kaiser Franz' Tochter Maria Louise. Nachdem aber Napoleons I. Macht in Rußland gebrochen, Preußen gegen die Fremdherrschaft aufgestanden, der Kongreß in Prag ohne Resultat geblieben war, erklärte Kaiser Franz an Frankreich den Krieg 12. Aug. 1813. (S. Russisch-Deutsch-Französischer Krieg von 1812 bis 1815.) Im ersten Pariser Frieden (s. d.) von 1814 erhielt er den zum Lombardisch-Venetianischen Königreich erhobenen Teil Italiens und die früher abgetretenen Teile seiner Erbländer nebst Dalmatien zurück, zugleich wurden die österr. Nebenlinien in Toscana und Modena wieder eingesetzt.

Durch die neue Gestaltung Europas auf dem Wiener Kongreß 1815 und den mit Bayern zu München 14. April 1816 abgeschlossenen Vertrag erhielt die österr. Monarchie einen Zuwachs von etwa 8260 qkm. In der folgenden Zeit war Österreich unter Leitung Metternichs der entschiedenste Vertreter des Systems der Stabilität und Legitimität und übte als Präsidialmacht des Deutschen Bundes (s. d.), namentlich durch die Karlsbader Beschlüsse (s. d.), einen drückenden Einfluß auf den Gang der Dinge in Deutschland. Auf den Kongressen zu Troppau 1820, Laibach 1821 und Verona 1822 (s. diese Artikel) war es die führende Macht. In Übereinstimmung mit der Heiligen Allianz stellten österr. Heere 1822 die alten Zustände in den Königreichen Sicilien und Sardinien wieder her. Die Unruhen in mehrern deutschen Staaten seit 1830 gaben Österreich Veranlassung, auf die einzelnen deutschen Regierungen im Sinne der Reaktion einzuwirken. Dieses geschah namentlich in den Bundesbeschlüssen von 1832 und bei den Wiener Ministerialkonferenzen von 1834. Der Tod des Kaisers Franz I. (2. März 1835) änderte wenig in dem Regierungssystem, und unter Franz' ältestem Sohn und Nachfolger, Kaiser Ferdinand I., entwickelten sich die innern Zustände Österreichs allmählich zu einer bedenklichen Krisis. In den einzelnen Nationalitäten der großen Monarchie war eine mächtige Opposition groß geworden, die ständischen Landtage traten mit Forderungen und Beschwerden hervor. In Böhmen sammelten sich die czech.-nationalen Elemente zunächst zu einer litterar. Opposition (s. Czechische Litteratur). In Ungarn gab Graf Stephan Szechényi (s. d.) den Anstoß zu einer nationalen, liberalen oppositionellen Bewegung, die jedoch durch die Popularität des Erzherzogs Palatinus Joseph (gest. 1847) gestaut wurde. Der poln. Aufstand von 1846 (s. Polen) führte zur Einverleibung der Republik Krakau in die österr. Monarchie im Nov. 1846. In Italien befand sich bereits die revolutionäre Bewegung in vollem Gang, als die franz. Revolution vom 24. Febr. 1848 das alte Europa in den Grundfesten erschütterte. Auch in Wien entstand eine Volksbewegung 13. März, der gegenüber Regierung und Militärmacht alle Haltung verloren und sich nach geringem Widerstand fügten. Metternich wurde gezwungen, seine Entlassung zu nehmen. Bürgerbewaffnung und freie Presse wurden vom Kaiser gewährt und 15. März die Einberufung einer beratenden Versammlung aus allen Teilen der Monarchie verheißen. Gleichzeitig hatte in Ungarn die Opposition ihre Forderung eines selbständigen, dem Landtag verantwortlichen Ministeriums durchgesetzt, und in Italien hatte der Vicekönig Mailand bereits verlassen, als 18. März dort und in Venedig der Aufstand ausbrach.

Eine in Wien veranstaltete Massenbewegung erzwang 15. Mai 1848 die Revision des Wahlgesetzes, wonach der neue Reichstag als ein konstituierender berufen und jeder Census bei den Wahlen beseitigt werden sollte. Diese Vorgänge bewogen die kaiserl. Familie nach Innsbruck zu